Michael Köhlmeier: Dein Zimmer für mich allein

Ich habe momentan eine kleine Köhlmeier-Phase. Nach Madalyn und Sunrise nun also “Dein Zimmer für mich allein”, eine kleine Erzählung, die bei dtv unter “books to go” erschienen ist. Auf dem Cover wird das so beworben: “Lese-Snacks für unterwegs”.

Man verzeihe mir den Comic-Ausdruck: uuuaaaahhh. Geht’s noch? “Lese-Snacks”, igitt, was für ein Unwort!
Na gut. Das Büchlein ist klein und leicht und passt auch in winzige Handtaschen (was mir herzlich egal ist – ich teste grundsätzlich bei jeder Handtasche vor dem Kauf, ob ein Taschenbuch problemlos hineinpasst. Wenn nicht: unbrauchbar.). Ich habe das aber als Nachteil empfunden, mir war das Buch zu winzig um mir wirklich Freude zu machen. Keine books to go mehr. Nichts für mich.

Ich drücke mich gerade davor, Klartext zu schreiben. Ich mag nämlich Köhlmeier. “Dein Zimmer für mich allein” war mir aber – so wie die Ausgabe – zu substanzlos. Eine Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte, und dann noch ein unbefriedigendes, um nicht zu sagen, feiges Ende.

Es geht um einen Mann, der in die unangehme Lage gerät, sich im Winter ohne Geld und Mantel durchschlagen zu müssen und dies so löst, dass er sich Zugang zur Wohnung einer Frau verschafft. Daraus entsteht eine Art Liebesgeschichte.

Dieser Mann erzählt dem Autor die Geschichte in einem Kaffeehaus. Eine Erzählart, die ich jetzt das dritte Mal hintereinander bei Köhlmeier lese, und irgendwann ist das genug.

Wer das Buch trotzdem lesen will: unbedingt bei einer Tasse Kakao im Cafè Eiles. Vertraut mir!

dtv books to go
Studentshelp.de
Schulzeug.at
krre.krefeld.schulen.net
Hausarbeiten.de

Auweh. Die Linksuche zeigt es: diese Erzählung ist Schullektüre. Liebe Kinder, Köhlmeier kann mehr. Ehrlich.
Liebe Lehrer, “kurz” kann bei der Schullektüre nicht das einzige Kriterium sein, und dass der Titel an Virginia Woolf erinnert, mag ein brauchbares Aufsatzthema sein, aber weiter? Lesevergnügen ist wohl kein Kriterium? Gebt den Schülern „Madalyn“ zum Lesen und nehmt euch ein Beispiel an der dort beschriebenen Deutschlehrerin!

5 Gedanken zu “Michael Köhlmeier: Dein Zimmer für mich allein

  1. Man möge mir meinen ersten Kommentar verzeihen und es als Ergebnis dessen betrachten, was passiert, wenn man nachdenkt, wie man am besten seine Argumentation strukturiert und formuliert und dabei – spielerisch – mit der Maus herumklickt.

    ~*~

    Ich möchte mich dir in den wesentlichen Punkten anschließen („zu substanzlos“, „nicht überzeugend“, „unbefriedigendes und feiges Ende“). Ich hatte das Gefühl eine Skizze zu lesen, eine Fingerübung. Die Szenerie, altbekannt aus anderen Erzählungen und Romanen Köhlmeiers, er, Köhlmeier, in der Figur als alter Ego lässt sich (im Kaffeehaus) eine Geschichte erzählen; er kommentiert selten, imitiert und interpretiert höchstens den Sprachduktus und Erzählweise. Diese Form des Erzählens hat auf der einen Seite großen Authentizitätscharakter, es wirkt lebendig, wenn auch selektiv. Aber auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob wir dem Erzähler vertrauen können bzw. ob wir dem Erzählten glauben können.

    Der Schriftsteller in „Dein Zimmer für mich allein“ ist eine zerrissene Figur, er ist gleichsam fasziniert und abgestoßen vom Erzähltem, durchschaut die Fassade, durchbricht sie dennoch nicht. Unklar bleibt auch die erkennbare Richtung, das Thema, der Erzählung. In vielen Schülerberichten lese ich von den großen Themen – Unheimlichkeit, Fremdheit, gar Obdachlosigkeit, gesprochen wird von Liebe und der Suche nach Individualität. Mir fehlt nicht das Gespür diese Themen zu entdecken, mir fehlt nur eine Fokussierung des Erzählers oder des Autors auf eines dieser Themen, deswegen wirkt auch die Erzählung eher substanzlos und die Stilistik wenig ausgefeilt.

    Mir ist auch die Anspielung an Virginia Woolfs „Ein Zimmer für mich allein“/“Ein eigenes Zimmer“ (1929) [„A Room of One’s own“ als Volltext] nicht ganz bewusst; die britische Autorin formuliert in diesem Essay ja die wesentlichen Voraussetzungen weiblicher Schriftstellerei: „a woman must have money and a room of her own if she is to write fiction.“
    Mir erschließt sich diese Anspielung nicht; frei interpretiert könnte man sagen, dass der Raum, in dem das Paar (die Dame mit dem „Goldhelm“ und der „Spaßmacher“ unter dem Bett) interagiert eben dieses Zimmer ist, in dem die Frau als Person, als Mensch, als Wesen mit Seele agiert und reagiert und der Leser bzw. Erzähler studiert – wie ein Stillleben – dieses eine Objekt, „Frau“. Allerdings erscheint mir diese Interpretation etwas weit hergeholt. 😉
    Leselusfrust oder auch an die anderen Leser: Vielleicht hat jemand eine Idee, wie man die Titel-Anspielung verstehen könnte?

  2. Michael Köhlmeier ist einer der erfolgreichsten österreichischen Gegenwartsautoren und sehr vielseitig, vielleicht kommt es deshalb zu den Mißverständnissen.
    „Dein Zimmer für mich allein“, habe ich auch in meinem SUB. Dann noch „Calling“, das ich einmal bei der Lyrik im März bekommen habe. Die Kurier Kolumnen „Bevor Max kam“, wo es auch ums Erzählen im Kaffeehaus geht, hab ich schon gelesen.
    Ein kleiner Michael Köhlmeier Schwerpunkt täte also auch mir sehr gut.

  3. leselustfrust schreibt:

    Ok, dann ausführlicher:

    Der Titel ist plakativ und die Assoziation zu Virginia Woolf eher unvermeidlich. Aber du hast Recht, inhaltlich lässt sich dieser Zusammenhang nicht herstellen. Deine Interpretation halte ich aber noch für im Rahmen des Zulässigen – die Frau hat auch in meinen Augen Objektcharakter. Der Namenlose richtet sie sich, wie es ihm passt. Mich hat’s trotzdem gewundert, dass das Stalkerhafte nicht einmal gestreift wird. Ganz abgesehen davon, dass mich idyllisch-idealisierte Stalker in der Literatur irrsinnig aufregen. Das ist mir zu verharmlosend.

    Nochmals zum Titel: der passt auch nicht zur Geschichte. der Namenlose will Mariannes Zimmer ja gar nicht für sich allein, der will Marianne. Aber gut, de facto hat er die Wohnung (mehrere Zimmer) für sich allein.

    Die von dir angesprochenen Themen kann man in die Geschichte hineininterpretieren. Kann man, aber man muss schon ziemlich an die Interpretationsgrenzen (den Wortsinn) gehen, um das zu erreichen. Das verweigere ich prinzipiell. Wenn ich so interpretiere, kann ich Themen wie zB Einsamkeit in jedem Groschenroman finden und wenn ich noch einen Schritt weitergehe, sogar Argumente für eine kunstvolle Darstellung finden.

    Ich brauche den fixen Punkt, den Hinweis des Autors, dass das auch so gemeint ist. Diesen fixen Punkt darf mich der Autor ruhig suchen lassen, aber wenn ich einfach eine Palette wie hier vorgesetzt bekomme und daraus praktisch frei wählen kann, ist mir das zu wenig. „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ kann man spielen, aber man muss auch damit rechnen, dass Leser das Spielchen verweigern.

    Insofern fällt mir zu dem Titel eine durchaus ketzerische Deutung ein (und nein, das ist nicht ernst gemeint): der Titel scheint einen Zusammenhang mit Woolf zu haben, hat aber keinen. Er ist der Hinweis, dass sich der Autor mit dieser Fingerübung einen kleinen Scherz erlaubt hat, dass nichts vom Inhalt und den angerissenen Themen ernsthaft gemeint ist. Der Spaßmacher hält uns zum Narren, der Kaiser ist nackt und die Schüler müssen Aufsäzte über seine wunderbaren Kleider schreiben.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Google Foto

Du kommentierst mit Deinem Google-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s