“Das Grosse Lesen” im ZDF

3. Oktober 2004 | Von | Kategorie: Literatur u. Medien

Endlich durfte der hauseigene Nadelstreifen-Baptist im ZDF mal mit dem grossen Gottschalk gleich- und seine Sendung überziehen. Eine wahre Kerner-Arbeit für den Johannes B.: der Deutschen 50 liebsten Bücher mussten vorgestellt werden.

Jeder der Titel wird in einem kurzen Trailer präsentiert. Gott sei Dank wurden 34 der 50 auserwählten Bücher irgendwann einmal verfilmt, so dass reichlich fernsehtauglicher Stoff vorlag und nicht immer der Autor himself sich artig beim deutschen Fernsehpublikum für die Ehre bedanken musste, zu den best of 50ies zu gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass Bernd Eichinger zu fast allem und jedem seine “German-Hollywood-Sauce” angiessen konnte, hatte er doch die meisten der Schinken verfilmt. Auch das nette Fräulein Biedermann durfte mehrmals etwas Senf dazu geben.

Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren als habe die fröhliche Studio-Runde bei Kerner mit Ottfried Fischer, Susanne Fröhlich, Hellmuth Karasek und Alice Schwarzer während der Einspielfilmchen recht kräftig in Glas geguckt. Immer aufmüpfiger wurde die Bande. Ein “schwachsinniges Erbauungsbuch” nennt Karasek Paulo Coelhos “Alchimist”. Während Edmund Stoiber bei Saint-Exupérys “Kleinen Prinzen” das hohe Lied der Freundschaft singt (Amigo lässt grüssen) giftet Frau Schwarzer “kleine Kitschnudel”. Eher etwas maulfaul aber immer treffsicher vermutet Ottfried Fischer “jetzt noch Grisham und Harris, dann haben wir die Bücher zusammen, an denen man an jedem Strand die Deutschen erkennt”. Immer öfter muss Kerner moderierend eingreifen, wenn er nicht gerade um Promis unter den Saalgästen herumscharwenzelt: “Aber ich muss doch bitten, bei der Auswahl handelt es sich um eine demokratische Entscheidung unserer Zuschauer.” – Die haben sich letztendlich für “Der Herr der Ringe” entschieden”.

Was will uns das abstimmende Publikum damit sagen: absolut nichts, eine simple Zufallsentscheidung einer nicht repräsentativen Personengruppe. Spätestens jetzt müsste auch dem letzten klar geworden sein: ZDF, Stiftung lesen und die Buchbranche haben sich geirrt, das Konzept der Sendung ging in die Hose. Sein Lieblingsbuch hat man eh schon im Schrank oder zumindest gelesen, warum soll man das noch kaufen?

“… Da sprang Dildo leichtfüssig auf, hüpfte in die Halle und summte ein kleines Lied:

Und alldieweil ich am Boden sitz,
Denk ich an so hübsche Dinge
Wie Peitschen, Bumsen, Lederhosen,
Und ans Wichsen, das ich vollbringe.”

Aus: Dschey Ar Tollkühn: Der Herr der Augenringe.
(Originaltitel: Bored of the Rings). Die ultimative Parodie von Henry N. Beard, Douglas C. Kenney. Hrsg. von Henry N. Beard, Douglas C. Kenney. Aus d. Englischen v.: Margaret Carroux. Blanvalet Taschenbuchverlag, 2001 – ISBN 3-442-24177-4

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2 Kommentare
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  1. Moin Moin

    Eine “simple Zufallsentscheidung” … sicher?
    Unter 250000 abgegebenen Stimmen entschied sich das Publikum – zufällig – mehrheitlich für “Herr der Ringe” und erst auf Platz 2 für die Bibel.

    Ist das nicht sehr vermessen?

    Ist die Liste der beliebtesten Bücher nicht viel mehr eine Frage des Zeitgeists?

    LG Peter Merbitz

  2. Lieber Peter Merbitz,

    Vielen Dank fuer Deinen Kommentar. Es ist in der Tat vermessen – zufaellige 250 Tsd. Leute schreiben ans ZDF, das bastelt daraus eine vorgezogene Samstagabendshow.

    Das ebenfalls beim ZDF beheimatete Politbarometer kommt mit 1000 repraesentativen Befragungen aus, um halbwegs zuverlaessige Daten zu ermitteln. – Aber es geht ueberhaupt nicht um Fakten in Sachen “Das Lieblingsbuch der Deutschen” sondern um Show, Massenbeteiligung und Quote.

    In Sachen Zeitgeist magst Du Recht haben, der Herr der Ringe ist immerhin 1969 zum ersten Mal in deutscher Sprache erschienen und soweit hinkt das ZDF in Sachen Zeitgeist auch zurueck.

    mit besten Gruessen
    Jakov Katz