Thea allein zu Haus: Literarischer Boxkampf im SWR

3. November 2004 | Von | Kategorie: Literatur u. Medien

Anfang September gab es eine Pressemitteilung des SWR: SÜDWEST Fernsehen mit optimiertem Programmschema. In Sachen Literatur verdoppelt der SWR künftig seine Sendezeit. Anstelle der bisherigen 30-minütigenSendung “Schümer & Dorn: Der Büchertalk” präsentiert Thea Dorn Bücher im 14-tägigen Rhythmus in einer einstündigen Sendung unter dem bekannten Titel “Literatur im Foyer”. Damit werden die beiden Literatursendungen aus Baden-Baden und Mainz unter dem bewährten Titel “Literatur im Foyer” zusammengeführt. Martin Lüdke wird mit acht Sendungen aus dem Foyer des Südwestrundfunks in Mainz vertreten sein.

Da Dirk Schümer ausscheidet, zieht die Literatur um: aus dem bisherigen Bücherwohnzimmer in einen Zahnradbahnhof. Mit Unterstützung des Literaturhauses Stuttgart wird die Sendung als öffentliche literarische Veranstaltung im “theater rampe stuttgart” aufgezeichnet, ab 2005 auch in Baden-Baden.

Hinter diesen lapidaren, nach Fortschritt klingenden Sätzen, verbirgt sich beim näheren Hinsehen das Ableben eines Sendekonzeptes des baden-württembergischen Landesteiles im SWR-Fernsehen in Sachen Literatur. Aus “Schümer & Scheck” wurde 2003 nach dem Wechsel von Denis Scheck “Schümer & Dorn”. Mit dem Ausscheiden Schümers ist auch der “Büchertalk” auf der Strecke und Thea Dorn allein zurück geblieben. Wie rabiat sich der Sender vom Büchertalk getrennt hat, kann man schon daran erkennen, dass die entsprechenden Internetseiten einschliesslich dem Archiv restlos vom Server rasiert wurden. Es wird nicht mehr über Bücher getalkt und gestritten; jetzt werden Bücher präsentiert.

Die Atmosphäre des Bücherzimmers ist in der Tat gegen eine nüchterne Bahnhofsatmosphäre vertauscht worden. Die Bühne, auf der Thea Dorn und ihre Gäste sich eingerahmt vom Publikum präsentieren, ähnelt fast einem Boxring. Die thematischen Runden mit diversen Autoren entwickelt sich zur Nummernrevue. Damit die Gäste einen reibungslosen Auf- und Abgang hinlegen können, wird die Frisur der Gastgebering von der Kamera gnadenlos ins Zentrum des Blickfeldes der Fernsehzuschauer gerückt; eine zweite Kamera umkreist mitunter das Areal, wie ein hungriger Wolf das Gatter mit Schafen. (Vielleicht daher die zähnefletschende Hyäne auf der “official Wesite of Thea Dorn”.)

Frau Dorns Stärke, der literarische Diskurs, kann nicht ansatzweise zur Geltung kommen: ihr fehlt der Widerpart und die Atmosphäre. Die Konzentration und die Gesprächsdichte, wie sie aus dem Foyer in Mainz und dem ehemaligen Büchertalk bekannt und geschätzt war, will sich im neuen Ambiente nicht einstellen. Auch wenn sich der SWR mit den ersten Sendungen zufrieden zeigt, Frau Dorn hinterliess beim Fernsehzuscheuer nicht immer den Eindruck, dass sie mit der Sendung glücklich wäre. Bertelsmann stellt seine besten Lektoren auch nicht zum Werben von Mitgliedern auf die Strasse vor die Club-Center. Gebt Frau Dorn eine angemessene Sendung. Ein optimiertes Programmschema garantiert noch kein optimiertes Programm.

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