Nichts für zarte Gemüter

Frauke Schlieckau | Posted 05/02/2011 | Krimi | 2 Kommentare »

Donnerstag Abend, Berlin, Meisterschüler-Bar an der Friedrichstraße. Es ist einundzwanzig Uhr, draußen ist es dunkel, drinnen warm und voll. Während die Kellner den auf dem Boden, Bänken und Stühlen sitzenden Gästen gefüllte Weingläser reichen und die Lichter der Fassaden sich auf der Spree spiegeln, liest Jonas Winner gemeinsam mit der Schauspielerin Barbara Philipp aus seinem Erstlingsroman „Davids letzter Film“.

„Ein geheimnisvoller Regisseur der wegen Mordes gesucht wird, ein verschwundener Freund, der vor nichts zurückschreckt, eine Reise in den Abgrund der menschlichen Seele“ hat der Trailer zu dem Buch, den ich im Vorfeld angesehen habe, verkündet und tatsächlich wird gleich zu Beginn der Geschichte ein Mensch grauenhaft gequält. Zwar nur im Kino, aber Florian, der Protagonist, sieht dem Treiben auf der Leinwand fassungslos zu. Wenige Minuten später stellt er entsetzt fest, dass er selbst es ist, der in dem ablaufenden Film gefoltert wird.

Nachdem Jonas Winner das erste Kapitel gelesen hat, wechselt er sich für den Rest der Lesung mit Barbara Philipp, die bereits in „Der Vorleser“ und der Reich-Ranicki Verfilmung „Mein Leben“ gespielt hat, ab. Sie zieht das Publikum mit ihrer geschulten, klaren Stimme endgültig in die Geschichte, in der sich, nach einigen Kapitelsprüngen, Florian Baumgartner nun in Berlin befindet. In der Hauptstadt versucht der Journalist den verschwundenen Filmemacher und ehemaligen Schulkamerad David aufzuspüren und stößt dabei, wie zu erwarten auf auskunftsunwillige Menschen und jede Menge Hindernisse.

„Davids letzter Film“, unterhaltsam und eingängig geschrieben, aber nichts für zarte Gemüter, gehört eigentlich nicht zu der Sorte Bücher, die ich lese. Dennoch kriegt Jonas Winner mich über das Thema des Romans. Wie weit darf man für einen Film gehen? Was ist der Wert von Freundschaft? Gibt es in Neukölln tatsächlich Kinos, die nach dem regulären Programm verbotene Horrorfilme der schlimmsten Art zeigen? Wie schwimmend sind die Grenzen zwischen Fiktion und Realität? Hinter der unterhaltsamen Sprache hat der promovierte Philosoph und Drehbuchautor komplexe Fragestellungen versteckt. Ob er sie auch beantwortet? Was ist mit dem verschwundenen Filmemacher David Mosbach geschehen und wie ist Florian Baumgartner in die Filmsequenz der Anfangsszene geraten ohne sich daran erinnern zu können?

Die Lesung ist zu Ende, ich dränge mich durch die Menge hinaus ins Freie und habe mich, als ich die Spree überquere, schon damit ab gefunden, den ersten Thriller meines Lebens ganz bis zum Ende zu lesen…

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Titel:
Davids letzter Film: Psychothriller

ISBN-13:
9783423212601

Autor:
Jonas Winner

Verlag:
Deutscher Taschenbuch Verlag

2 Comments

  1. Jonas Winner says:

    [...] ist einundzwanzig Uhr, draußen ist es dunkel, drinnen warm und voll.” Frauke Schlickau von lettra.tv war bei der Buchpremiere und berichtet [...]

  2. Anke says:

    Da ich Euch gerade erst wiederentdeckt habe und die Mischung super finde, habe ich Euch gerade einen Blogaward verliehen:
    http://leseloewin.blogspot.com/2011/02/mein-erster-blogaward.html
    Ich hoffe, ihr freut Euch!

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