Doris Dörrie: Alles inklusive

admin | Posted 26/07/2011 | Belletristik | 1 Ein Kommentar »

Ich ging ins Haus (…)und dann sah ich die nackten Beine meiner Mutter über der Sofalehne. Ich stand da, die Kälte schoss durch meine Fußsohlen hoch bis in meinen Bauch. Die Beine meiner Mutter zuckten und tanzten in der Luft, hinter der Lehne beugte sich der Vater des fremden Jungen tief über sie.“ Aus Sicht der 12 jährigen Apple ist nicht nur die Affäre ihrer Hippie- Mutter Ingrid mit dem spießigen Bankangestellten Karl, sondern ihre gesamte Lebenssituation eine einzige Zumutung…

Wie in einen so schmalen (strandtauglichen!) Band so viel Geschichte hineinpasst, ohne hoffnungslos überladen zu sein, ist mir ein Rätsel, aber es funktioniert. Ingrid ist sechzig, war früher Hippie- Strandkönigin von Torremolinos und reist nun nach Hüft-OP und dreißig Jahren Deutschland noch einmal an den Strand ihrer Jugend. Apple, Ingrids Tochter, hat höchst unerfreuliche Erinnerungen an die langen heißen Spaniensommer mit ihrer Mutter und ansonsten einige unglückliche Beziehungen hinter sich, über die sie sich unter anderem mit ihrem Mops Freud ausspricht. Karl war Mitte der siebziger der bürgerliche Liebhaber von Ingrid und lebt nun in einem spanischen Altersheim, während sein Sohn Tim jetzt Tina heißt und sich als Fußpflegerin in Torremolinos durchschlägt. Tims Mutter hat sich damals wegen der Affäre zwischen Ingrid und Karl umgebracht, weshalb Tim respektive Tina auf beide nicht besonders gut zu sprechen ist. Und und und – es gibt noch mehr Charaktere und Schicksale, die auch noch in das Buch hineinpassen. Vielleicht liegt es daran, dass Doris Dörrie ein paar Sätze reichen, um einem ein ganzes, stimmiges Bild vor Augen zu stellen, da braucht es dann nicht mehr viele Worte.
Im Buch kommt trotzdem fast jeder der Protagonisten wenigstens einmal selber zu Wort und so auch zu seinem Recht, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern, so dass niemand wirklich schlecht aus der Geschichte hervorgeht; auch nicht Ingrid, die eigentlich den schwarzen Peter erwischt hat, weil sie aus lauter Liebe zu Karl nur unzureichend für ihr Kind sorgt und auch sonst keine besondere Verantwortung für ihre Handlungen übernimmt. Der eigentliche Charme der Geschichte liegt für mich in dieser Fähigkeit, sich in ihre Figuren hineinzudenken und ihre Sehnsüchte, Träume und Neurosen zu schildern, ohne sie zu karikieren oder zu verurteilen. Und kurzweilig ist das Ganze allemal – unbedingt am Strand, unbedingt mit Sonnenbrand, unbedingt in einem Rutsch zu lesen. Vielleicht ergibt sich das eine ja aus dem anderen…

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Titel:
Alles inklusive

ISBN-13:
9783257067811

Autor:
Doris Dörrie

Verlag:
Diogenes

One Comment

  1. Meine Lieblingsstelle ist die mit dem Hund:

    Der Hund kam ins Zimmer und stieß seine nasse Schnauze
    in meine Hand. Ich ging mit ihm zurück an den Pool und
    legte mich auf den heißen Beton, der meine Haut aufheizte,
    aber das kalte Gefühl im Bauch blieb. Der Hund legte sich
    neben mich und sah mich ruhig an.
    Seine Augen glänzten braun wie Malzbonbons. Er sagte
    zu mir: Du hast nichts gesehen. Alles ist gut. Ich verliebte
    mich in diesen Hund. Meine Mutter mochte keine Hunde.

    obwohl die mit den Hummeln oder die mit den Kühen auch nett sind…

Kommentar verfassen Anke Przybilla

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