Literaturgefluester

2011-08-06

Sommer am Meer und anderswo

Filed under: Uncategorized — jancak @ 19:18
Wigry

Wigry

Das von der Literaturwissenschaftlerin Iris Grädler herausgegebene Club Taschenbuch „Sommer am Meer und anderswo“ neue Geschichten aus aller Welt, das ich 2008 bei diesem Stattersdorfer Flohmarkt erstanden habe, habe ich mir schon vorige Woche an die hohe Tatra mitgenommen und ungefähr die Hälfte gelesen.
Sommergeschichten sind in der Bloggerszene sehr beliebt, so hat leselustfrust vor zwei Jahren, als ich ihren Blog kennenlernte, eine Aktion gestartet, wo sie in die Wiener Buchhandlungen ging und nach Sommerbüchern fragte, Lillyberry die gerne am Strand von Rostock unter einem Kugelzelt darin liest hat heuer eine Sommeraktion gestartet und auch die Klappentexterin, ein anderer interessanter Bücherblog, bespricht Sommerbücher. So bin ich wohl auf die Idee gekommen, mich auch für Sommerbücher zu interessieren, denn eigentlich habe ich ja nicht so gerne Kurzgeschichten. Kurt Tucholksys „Schloß Gripsholm“ zu lesen, habe ich aber schon lange vor, vielleicht schaffe ich es nächstes Jahr und setze es am besten gleich auf die nächste Leseliste. Weil ich bezüglich Bücherbloggen auf dem Campingplatz im vorigen Jahr unsicher war, habe ich den Geschichtenband mitgenommen, ihn angelesen und nicht besprochen, heuer wurde ich damit fertig und heuer passt es auch, hat dieser Sommer ja schon mit einem Reiseschwerpunkt begonnen, dann kam das Reiseschreibetagebuch der Ilonka Lütkemeyer und obwohl die Geschichten aus aller Welt weder in der Nähe der hohen Tatra noch in den Masuren spielen, machte das Lesen darin am schönen Campingplatz von Wigry großen Spaß und die Geschichten waren interessant. Wenn man genauer analysiert, ist auch die Zusammensetzung spannend, gibt es ja nicht nur bekannte Namen, sondern auch eine Themenvielfalt. Und zwar dominieren da einmal die Reisegeschichten, wo berühmte Autoren ans Meer oder anderswohin fahren und mehr oder weniger literarisch darüber schreiben.
„Migalu- der weiße Wal“ von der 1929 in Melbourne geborenen Patricia Shaw ist so ein Beispiel. Da fährt die Autorin oder sonstwer mit den Enkelkindern „an einem Wintertag im Juli bei einer Temperatur von 24 Grad Celsius auf eine Wal-Beobachtungstour. Das Boot tuckert bei St. Helena vorbei, die Passagiere haben zuviel gegessen, die Enkelkinder erfreuen sich an den üppigen Farmersandwiches und kreischen auf, weil sie mit scharfen Senf gefüllt sind. Die Größe der Buckelwale wird erklärt und am Schluß hat man noch das Vergnügen, den berühmten Migalus zu sehen.“
Hans Ulrich Treichel ist bei seiner „Ägypitschen Reise“, bei der er beschreibt, wie die Busreisenden an hupenden Taxifahrern und schnorrenden Kindern vorbei in die Hotelhallen getrieben werden, wo die Schuputzer warten und ein Chor „happy birthday“ singt, viel zynischer und wird dabei noch von Elke Heidenreich übertroffen, die bei ihrer „Kleinen Reise“ aus der Sicht einer Journalistin schreibt, die alles kennt, vom ständigen Jetset angeödet ist, Berlin haßt, aber dennoch von Frankfurt dorthin fliegen muß, um über einen Aufstand von Nutten zu schreiben.
Es gibt eben solche und solche Reisende. In einem Sommerlesebuch werden naturgemäß die schönsten Orte ausgewählt und die bekanntesten Namen ausgewählt, um, wie ich denke, die Leute am Strand zum Lesen zu bringen. So berichtet Wolf Serno von der Südsee und Rani Manicka hat sogar die weißen Berge von Katmandu bereist, dabei wird ihr am Airportschalter die Designersonnenbrille gestohlen. So kann es gehen, wenn man eine weite Reise macht, die manche machen müßen, Asylgeschichten und solchen von Leuten, die mit ihrem, vom letzten Geld gekauften neuen Rucksäcken das Untergeschoß eines Lastwagen besteigen, kommen in dem Band nicht vor, obwohl der sensible Tankwart in Manuel Rivas „Die Tankstelle“, verdächtige Geräusche aus einem Lastwagen hört und dann kommt zu ihm auch noch regelmäßig der Wagen, der die Nutten in die Bordelle der Umgebung verteilt und Hussain Al-Mozany hat eine solche Schlepperfahrt möglicherweise schon hinter sich, jetzt macht er sich nach zwanzig Jahren in Deutschland auf, um seine Mutter in einem Cafe in Amman zu treffen und begegnet dabei einen anderern Iraker, der einen Sarg dorthin bringen muß, weil der Verstorbene in der Heimat begraben werden will.
Barbara Frischmuth erzählt in „Die Fischer von Bodrun“ von Fanny und Franz, die während einer Türkeireise in Bodrun landen und berichtet dabei möglicherweise von eigenem Erlebten aus ihrer Studentenzeit, während Oleg Postnovs „Pferd“, die Reise in ein anderes Leben und eine Begegnung mit dem Tod schildert. Da sind wir schon weg von den gewöhnlichen Reiseberichten, die man vielleicht nach einem Reiseschreibratgeber schreiben kann, obwohl die Irinen Mary Ryan und Maeve Binchy bei ihren Italienreisen vom Ausbruch aus der katholische irischen Enge in die scheinbare italienische Freiheit der Fünfziger oder Sechzigerjahre berichten. Maeve Binchy macht in „Carissima“ noch das Besondere daraus, das für ihre Geschichten so typisch ist, denn Nora, die einmal in Italien war, liebt meistens verheiratete Männer und wird von ihrer Familie dafür verachtet, die kluge Freundin Brenda weiß aber mit einer Oberin eines Hospital Rat und die Lösung, wie Nora den Schikanen ihrer Schwestern entkommen kann.
In einem ordentlichen Sommerlesebuch muß es auch Krimis geben, so hat Harlan Coben in „Giftige Krschen“, einen besonders verwickelten geschrieben und die deutsche Krimiautorin Brigitte Riebe, schickt ihre Serienheldin Sina Teufel in „Schwarze Iris“ auch auf Ägyptenreise, wo sie in das „Mutti-Programm“ gerät. Tanja Kinkel, die ich durch die Bücherblogger kennengelernt habe, fehlt noch, Andreas Eschbach, bei dem das ebenfalls zutrifft und einige andere, die ich jetzt auslasse und das selber lesen empfehle. Andreas Eschbach hat in „Garten Eden“ natürlich eine Abenteuergeschichte, die in der Zukunft spielt, beigesteuert. Alles ist verplant und programmiert und die Wildnis gibt es nur mehr in alten Abenteuerbücher oder auf einer Landkarte, die Tonak im Haus seiner Tante im Amazonas findet. Obwohl es verboten ist, will er dorthin und kämpft auch mit einer Wildkatze, als er aber zusticht, um zu überleben, erkennt er auch sie ist inventarisert und gehört der Stadtverwaltung.
Eine spannende Reise in die Welt der Literatur, in die man am Strand und anderswo in einem Sommerlesebuch ein bißchen eintauchen kann und zum Weiterlesen animiert. Ich lese ja nicht so gerne Kurzgeschichten für einen Campingurlaub sind sie aber doch geeignet. Man auch darüber bloggen, sogar nach einem Jahr.

1 Kommentar »

  1. Wigri kommt in dem Buch zwar nicht vor, auf dem kleinen lieben Campingplatz habe ich es aber unter anderen gelesen

    Kommentar von jancak — 2011-08-14 @ 08:05 | Antworten


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