Ich halte noch immer bei siebzehn Seiten, habe die Seite siebzehn aber bis zweieinhalb Zeilen hinuntergestrichen, als ich am Samstag, bei Kerzenschein vor dem neuen Bücherregal, den Wassili Scharkawili zu einem Albert Taher, koptischen Christen, aus Kairo machte, denn über die arabische Revolution etwas zu schreiben, ist sicher aktueller, als über einen Asylwerber aus Georgien. Vorher war ich beim Lidl einkaufen, bin da natürlich bei „Wortschatz“ vorbei, über den Zwillingsleiden schon wieder berichtet hat. Die herausgefallene Tür ist ihr entgangen, aber die wurde jetzt mit einer extra Sicherung befestigt und den Christbaumverkauf daneben gibt es auch. Man kann die Tür jetzt nicht mehr ganz aufmachen, schreibt Evi, soweit geht es aber, daß ich einen Fund machte, der mir bei meiner Recherchearbeit vielleicht ein wenig helfen kann. Gab es da ja ein Buch aus der Reihe Prague Noir „The Weeping Woman on the Streets of Prague“ und die Marianne reist ja dorthin, weil Jan da in der Karls-Universität ein Ehrendoktorat verliehen bekommt und ich habe in meinen letzten Bericht beklagt, daß das vielleicht etwas schwierig wird, denn ich war, glaube ich, das letzte Mal 1988 in Prag.
Beim Lidl gab es dann auch gleich etwas zu beobachten, nämlich eine eine ältere Frau mit Kopftuch mit vollen Einkaufswagen und etwa zehn Euro zuwenig im Börsel. Die Kassiererin schimpfte, der Securityguard stellte sich schweigend daneben, die Frau verstand nicht und die Verkäuferin schrie unentwegt, „Noch, noch, das gibts doch nicht!“, bis sie dann selber in den Einkaufswagen griff und ein paar Reispackerln hinausbeförderte. Jetzt könnte der Albert Taher bei einer Tante oder Frau wohnen, die keine koptysche Christin ist, nicht lesen und nicht Deutsch kann und mit einem vollen Supermarkt naturgemäß überfordert.
„Dann soll gehen heim, wenn nicht kann Deutsch!“, sagte noch die Kassiererin mit wahrscheinlich ungarischen Akzent. Ich bin das mit meinen Karotten, Parika, Milch und Joghurtbechern auch und dann am Nachmittag an meinem Schreibplatz im Wohnzimmer gesessen. Da habe ich mir zuerst die „Mimi“ durchgelesen, die JuSophie ja so gar nicht gefallen hat und habe ihre Kritikpunkte eigentlich nicht nachvollziehen können, so trivial finde ich es nicht und die Personenführung ist auch dichter, als vielleicht bei „Zwillingswelten“.
Selber kann man das vielleicht nicht so beurteilen natürlich, das weiß ich schon, daß meine Deutschlehrerin in der Straßergasse, die Frau Prof. Friedl, der ich noch immer sehr danke, von den Schularbeiten am begeistertsten war, wo mir der Schlußsatz fehlte und ich dachte „Ein nicht genügend wird es schon nicht werden!“, während es bei denen, die ich sehr gut fand, vielleicht ein befriedigend wurde. Und so ging es mir auch mit meinen Texten, da gibt es einige, wie zum Beispiel „Den Wiederstand beim Zwiebelschneiden“, wo ich mir „Null acht fünfzehn!“, dachte und dann wurde es weitergereicht und weitergereicht und alle waren begeistert, während zu anderen Texten die Reaktionen fehlen. Wie ich ja überhaupt ein bißchen den Eindruck habe, daß die meisten meiner Texte vielleicht nicht so bemerkt werden. Ich kann es nicht verändern oder nur bedingt, in dem ich im Literaturgeflüster über den Schreibprozeß schreibe und das ist zwar riskant, weil man damit Leser anziehen kann, die „Kaum zu glauben, was für Unsinn Sie schreiben, Sie wissen gar nicht, wieviel Schaden Sie damit anrichten!“, kommentieren. Aber das war nur einmal so und hilft ansonsten Klarheit zu finden, denn im Augenblick bin ich noch etwas verwirrt und natürlich, wieder viel zu schnell in die neue Idee hineingesprungen. Die war ja, drei Frauen zu verschiedenen Zeitpunkten in einer Wohnung, interessant und wusch an der Wand, denn wenn ich da von einer Großmutter schreibe, die zuerst eine jüdische Freundin versteckt, dann die, die im Ungarnaufstand aus Budapest flüchtete und die Tochter lernte mit Achtzehn auf der Uni den Dissidenten Jan kennen und die Therese den Vladi, Wassili oder Albert Taher aus Kairo, dann kann das vielleicht interessant sein und auch schon hundertmal beschrieben, aber nun müßte ich, wenn ich es trotzdem noch einmal versuchen will, zum Ausdenken und zum Recherchieren anfangen. Dann schreibe ich los mit der ersten Szene, die Theresa stößt, von der Uni kommend auf eine Demo, trifft dort den bewußten Flüchtling, der inzwischen dreimal seinen Namen geändert hat und dann habe ich beim Schreiben das „Show not tell!“ vergessen und erwähne die Oma mit ihren Freundinnen, die Mutter mit den Jan mehrmals, nehm mir so die Spannung weg und auf Seite siebzehn sitzt die Theresa nach dem Babysitten mit dem gefundenen Tagebuch da und ich tue dasselbe mit den Gedanken „Ich kann es nicht, ich kann es nicht!“
Daß ich da korrigieren sollte, weiß ich schon und habe das am Samstag auch getan. Aber vorher wollte ich noch eine Pause machen und mir die Werwolf-Weihnachtsgeschichte, die es bei literaturcafe.de zum downloaden gibt, anhören. Die, die sich jetzt wundern, ja, das lese oder höre ich sonst eher nicht, aber die Geschichte ist sehr interessant, weil eigentlich ganz einfach gestrickt und dann jongliert sie, wie selbstverständlich mit unrealistischen Tatsachen, nämlich, daß sich ein Mensch in einem Werwolf verwandelt und das noch mit Hilfe von autogenen Training tut.
Dazwischen kamen der Alfred und die Anna vom Almweg zurück, wo sie Äste, die sie abschneiden mußten, wegräumten und ich habe zu der Werwolf-Geschichte korrigiert, soll man nicht, denn da ist die Aufmerksamkeit dann nicht zur Gänze da, aber das Schuldgefühl „Ich kann es nicht, ich kann es nicht!“, so daß ich am Ende eine halbe Seite weniger Text, aber noch keine richtigen Idee fürs Weiterschreiben hatte und als ich dann mit Thomas Wollingers „Archäologin“ in die Badewanne stieg, fand ich auch noch so ziemlich mein ganzes Szenario, den 1956 über die Grenze gekommenen Slowaken, die NS-Zeit, die ja ein Dauerbrenner für viele Romane ist und der Gedanke „Das brauche ich nicht auch noch nochmals schreiben!“, war wieder da. Zwar auch eine Lösung, wie ich die Rosa-Szenen integrieren könnte, indem ich einfach Jahreszahlen vor die Szenen schreibe. Ich weiß aber noch nicht so genau, ob ich das will, denn mir fehlt der Stoff. Obwohl ich ja eigentlich eine Fülle von Ideen habe, aber alles nicht neu und zu wenig konkret. Am Sonntag dachte ich dann, als ich von Vaclav Havels Tod hörte, daß das Marianne und Jan erfahren könnten, während sie an der Moldau spazieren gehen. Die Türkin aus dem Lidl wird zu Alberts Tante und wenn ich das Ganze noch einmal ohne Hintergrundtext durchgehe und die Fallen herausnehmen, die mich am Einsteigen in die Handlung hindern, komme ich vielleicht weiter, Szene für Szene. Am besten lasse ich mich in den Schreibprozess ein und versuche all die Gedanken „Das ist wieder nicht gut genug! Das wird sicher wieder nichts!“, möglichst weg, sondern denke „Du kannst schreiben, denn das hast du das ja schon sehr viel getan und einen Roman schreibt man nicht einer Woche, nimm dir da ein Beispiel an Thomas Wollinger!“, der, was mich sehr freut, inzwischen seinen zweiten Roman beendet hat und in seinen Blog von den Plänen zu seinem nächsten schreibt und das finde ich sehr schön, daß er da offen von den Fallstricken und Hindernissen berichtet, weil man da viel lernen kann und sieht, daß es nicht nur mir so geht.
2011-12-19
Fallen auflösen
4 Kommentare »
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Ach, die Tür war herausgefallen? Deshalb die neu montierte Feder! Die ist mir natürlich aufgefallen, ich wußte aber nicht, warum man sie montiert hat. Jetzt ist alles klar. Danke für die Aufklärung.
Leider liegt der Wortschatz ja nicht direkt auf meinem Weg und deshalb komme ich höchstens 2x die Woche vorbei, was einerseits schade ist, andererseits aber eh gut, weil ich ja auch meistens was finde und mitnehme und ich hab ja eh schon so viele Bücher. Und das, wo ich ja noch nicht einmal ein Regal habe und alle Bücher noch in den Übersiedlungskartons…
Liebe Grüße, evi
Kommentar von evi — 2011-12-19 @ 11:50 |
Ja, da hat der Wortschatz zwei Beobachterinnen, die sich sozusagen ein „Hausherrinnenrecht“ an ihm nehmen. Ich schreib darüber meistens nur so in meine Artikel hinein und fotografiere auch nicht selber. Aber als ich am Montag zum Adventspaziergang wollte, habe ich das „Glasperlenspiel“ gesehen, dachte mir „Das schleppst du nicht durch den siebenten Bezirk!“ und als ich es mir am Abend doch holen wollte, war es weg und die Tür fiel mir entgegen. Am Dienstag ist sie dann Boden gestanden und am Samstag war die Feder dran. Mir geht es wie Ihnen, wenn ich jetzt zum Lidl Milch kaufen gehe, mache ich einen Umweg über den Margaretenplatz und man findet gar nicht nicht nur so alte Schinken drin, gibt es ja in Margareten, wie Sie wissen, eine sehr lebendige Bücherbloggerszene, die viel liest und viel bookcrossing betreibt und zurückhalten muß ich mich natürlich auch, habe ich mir ja erst vor einem Jahr ein neues Bücherregal gekauft
Kommentar von jancak — 2011-12-19 @ 11:58 |
Ja, wenn man da ein Buch entdeckt, dann muss man es gleich mitnehmen. Sonst kanns einem passieren, dass ein anderer zuschlägt. *grins*
Und tatsächlich gibt es nicht nur „alte Schinken“, da haben Sie völlig recht, ich hab unlängst ein hochinteressantes, vergriffenes, schwer zu findendes Schätzchen entdeckt. Da freut man sich schon.
Das „Hausherrinnenrecht“ will ich allerdings nicht beanspruchen, das überlasse ich gerne den alteingesessenen Margaretnerinnen, ich bin ja erst kürzlich zugezogen und habe immer gerne einen „Beobachterstatus“.
Kommentar von evi — 2011-12-19 @ 13:04 |
So ganz besonders lange wohne ich auch noch nicht hier
Kommentar von jancak — 2011-12-19 @ 20:41 |