Gruselkabinett der Popkultur

Nora Gomringers Bestiarium

Von Michael KurzmeierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Kurzmeier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Monster lassen sich, so scheint es, überall finden. In allen Kulturen und Sagen erscheinen monströse Kreaturen, von den Karpaten bis zum Weltall finden sie sich: Unheimliche, bedrohliche Wesen, die allerdings sterblich und somit innerhalb einer Narration überwindbar sind. Genau solchen Monstern widmet Nora Gomringer einen Gedichtband, dessen klug gewählter Name allerdings schon die getroffene Auswahl der Monster erklärt. Es sind nicht etwa Gespenster oder Ungeheuer, deren Wirkung und Ursache lyrisch untersucht werden soll, sondern es handelt sich um Monster im Sinne der westlichen Filmindustrie.

Es finden sich in Monster Poems also keine Waldmenschen oder Zyklopen, dafür Monsterneuschöpfungen wie Godzilla und King Kong, bekanntes und bewährtes Gruselmaterial wie Dracula oder der böse Wolf und schließlich auch Namen wie Mengele, Fritzl und Breivik. So geschmacklos letzteres scheint, zeugt es doch von einem genauen Verständnis jener Kulturindustrie, die Gomringer beschreiben will. Ein Monster auf der Leinwand ist ein Abbild eines Monster. In diesem Sinne können dabei alle Abbilder der Realität, sofern sie narrativ profitabel sind, zum Monster werden. So wird Furcht zum kontrollierten Grusel des Zuschauers, ein mit Emotionen besetzter und narrativ profitabel gefüllter Name ermöglicht das sichere Schrecken aus der Distanz. Das alles, aber auch wirklich alles, in diesem Sinne kulturell verwertet werden kann, zeigt schon die Masse an medialen und kulturellen Produkten zu den letztgenannten Namen.

Reichlich absurd ist also das Versprechen des Klappentextes, Gomringer würde „das Unbeschreibliche“ beschreiben, handelt es sich bei den Monstern doch um Reproduktionen kulturell bereits beschriebener Typen. So unterhaltsam harmlos die meisten dieser monströsen Ergebnisse sind, so sind es leider auch viele Gedichte, die unter eben der Harmlosigkeit ihres Objektes leiden. Jene Gedichte, die sich von dem Gegenstand lösen um zu reflektieren, bilden einen willkommenen Kontrast in dieser Zusammenstellung. Gelungen ist etwa der Frankenstein, der aus medizintechnischen Gründen nach Ingolstadt verlegt wurde. Auch das erste Stück „Monster und Mädchen“ zeugt vom Können der Autorin, die im vergangenen Jahr den Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik erhielt. Lyrisch und stilistisch gibt es an diesem Band auch nichts auszusetzen. Einzig die Auswahl des Gegenstandes steht den Monster Poems oft im Weg. Etwa wirken Gedichte wie der Anruf an den alternden Richard Gere und die Würdigung der Riesenechse Godzilla wie lieblose Pflichtstücke. Das wird durch die Eindimensionalität des Gegenstände jener Gedichte noch verstärkt, was schon auf der Leinwand nicht furchterregend, sondern höchstens gruselig ist, entfaltet auch als Gedicht keine größere Wirkung. So sind die Texte, die strenggenommen nicht in diesen Band gehören, regelmäßig die interessantesten. Was hilft, sind die erwähnten reflektierenden oder dekonstruierenden Passagen, welche aber wiederum das Gedicht von seinem erklärtem Gegenstand entfernen und es damit von seinem erklärtem Ziel – „ein Besuch im Zelt der Freakshow“ zu sein – entfernt.

Die fünfundzwanzig Gedichte der Monster Poems werden durch Illustrationen von Reimar Limmer, die sich in Originalität meist dem jeweiligen Gedicht anpassen, begleitet. Dem Band liegt auch eine sehr gute Audio-CD mit Vorträgen aller im Buch enthaltener Gedichte bei.

Titelbild

Nora Gomringer: Monster Poems.
Verlag Voland & Quist, Dresden 2013.
64 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783863910280

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