Natur, Nerven und Pollutionen – oder: Trug Max Weber tatsächlich ein Hodenkorsett?
Joachim Radkau verfasst die ultimative BIO-Grafie Max Webers
Von Dirk Kaesler
Wie bespricht man eine über 1000seitige Biografie Max Webers, bei der man durch ihren Autor darüber informiert wird, dass er viele Jahre daran arbeitete, dass er sich in dieser Zeit selbst schon mal als „W. Eber“ im Hotel anmeldete, dass er während der Arbeit an diesem Buch eine Depression erlebte, die seiner Einschätzung nach „in manchen Erscheinungsformen der Weber’schen verteufelt ähnlich war“, dass er seiner Ehefrau unheimlich wurde wegen seiner zunehmenden Identifikation mit seinem Objekt, sodass er ihr versichern musste, „Ich bin nicht Weber!“, der ihr rückblickend dafür dankt, dass sie „zwischendurch voller Identifikation in Frauenrollen der Weber-Szene schlüpfte“ und der als seine „Lebensaufgabe“ die „Wiedervereinigung von Geschichte und Natur“ bezeichnet?
Dieses Buch als „die erste umfassende Biographie Max Webers“ anzukündigen, zeugte, auf den ersten Blick, von geschichtsvergessener Dreistigkeit. Der Markterfolg jedoch belohnte das Geklapper: Bereits einen Monat nach Erscheinen rangierte die Weber-Biografie des Bielefelder Historikers Joachim Radkau auf Platz Eins der Sachbuchliste. Die ersten Rezensionen erkannten schnell, worin das (vermeintlich) sensationell Neue lag, – nur in dessen Bewertungen positionierte man sich unterschiedlich: Der Journalist Robert Leicht kritisierte in der ZEIT die „ausführlich indiskrete Introspektion der Weberschen Intimsphäre“ und deren „obsessive Ausbreitung“, in der FAZ lobte deren Redaktionsmitglied Nils Minkmar die „atemberaubende Lektüre“, die „respektlose, eigenwillige Zugangsweise“ und das „bemerkenswerte Einfühlungsvermögen in eine sehr kranke Psyche“, und der Leipziger Politikwissenschaftler Andreas Anter stellte das Buch in der NZZ als „umfassende Studie“ vor, „die Leben und Werk des Titanen systematisch verknüpft und selbst Weber-Kennern neue Einsichten bietet.“
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Aus der Sonderausgabe von Dirk Kaesler: Über Max Weber. Beiträge in literaturkritik.de 2006 – 2020 (Verlag LiteraturWissenschaft.de)