Informationen über das Buch
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Rezensionen von literaturkritik.de
Pathologisierung des Widerstands
Ein postapokalyptischer Befund aus Japan
Von Lisette Gebhardt
Ausgabe 10-2018
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Klappentext des Verlages
Das Haus hatte einen kleinen Garten. Mit diesem unscheinbaren Satz
beginnt das Buch, eine Erzählung aus der Perspektive eines kleinen
Mädchens, einer 11jährigen Grundschülerin. Aber die Unscheinbarkeit
verliert sich schnell, der Leser ahnt schon nach wenigen Seiten, dass es
um etwas Außergewöhnliches geht. Nicht um den Garten und das Haus, in
dem das Mädchen allein mit ihrer strengen, von einem Reinlichkeitswahn
besessenen Mutter zusammenlebt, nicht um die Nachbarn, von denen die
Mutter sich abschottet, nicht um die Einsamkeit des Mädchens in der
Schule. Eine Reihe eher merkwürdiger häuslicher und schulischer
Ereignisse, vorgetragen aus der unschuldigen Sichtweise des Mädchens,
macht bald klar, dass sich in Umizuka, der Stadt am Meer, in der das
Mädchen und seine Mutter leben, etwas Ungeheuerliches ereignet hat und
dass die Bewohner alles dafür tun, dieses Ungeheuerliche nicht zur
Kenntnis zu nehmen. Man ist eine Gemeinschaft, die Schlimmes überstanden
hat und deshalb um so mehr Gemeinschaft sein muss. Niemand darf
ausscheren, niemand er selbst sein. Das Gemüse, das man zieht und isst,
ist gesund, weil es gesund sein muss. Die Fische, die man aus dem Meer
holt, sind nicht nur essbar, sondern schmackhaft. Sie müssen es sein.
Die Leute sind alle nett. Sie müssen es sein. Man hat eine Hymne, die
Umizuka-Hymne. Man singt sie gemeinsam, man hilft sich, wo man kann, und
man bespitzelt sich. In der Schule aber sterben die Kinder, Lehrer
verschwinden, Männer in Anzügen tauchen auf. Mit jedem Satz, jedem
Kapitel wird klarer, dass die Fassade nur eine Fassade ist. Und
zugleich: dass Risse in der Fassade nicht geduldet werden. Sie werden
erbarmungslos übertüncht.
Welches Unglück die Bewohner von Umizuka
heimgesucht hat, wird nicht ausgesprochen. Man denkt sofort an die
Reaktorkatastrophe von Fukushima. Aber das wäre zu kurz gegriffen. Das
Buch beschreibt in sehr leisem, aber nach und nach immer eindringlicher
werdendem Tonfall, was passiert, wenn man, koste es, was es wolle, die
Augen und Ohren vor Dingen verschließt, die nicht sein können, weil sie
nicht sein dürfen; es beschreibt, wie aus Not Gemeinschaft ensteht und
ein falsch verstandenes Gemeinschaftsgefühl, das zu Bespitzelung,
Unterdrückung und schließlich Gleichschaltung führt. In Umizuka. In
Japan. Überall.
Leseprobe vom Verlag
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