Leserbriefe zur Rezension

Unfähig zum Dialog

Christliche Repräsentanten brüskieren Navid Kermani anlässlich der geplanten Verleihung des Hessischen Staatspreises für Kultur. Eine Bewertung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive

Von Michael Hofmann


Willi Körtels schrieb uns am 16.06.2009
Thema: Michael Hofmann: Unfähig zum Dialog

Als alter Biobauer weiß ich ein Loblied auf Gottes Schöpfung zu singen, weil ich über viele Jahrzehnte unmittelbar mit der Natur in Verbindung stand. Gottes Schöpfung hält aber auch Kälte und Gewitter und Dürren bereit, vielleicht auch Hunger und Krankheit und anderes Elend.Von daher betrachte ich, wenn ich wallfahre, die Kunstwerke in den Kirchen. Nicht alle Leidensdarstellungen sagen mir zu, aber, je älter ich werde, desto deutlicher erkenne ich, dass die Künstler in je ihrer Zeit dem Gekreuzigten ein besonderes Bild verliehen haben. Dies suche ich mit meinen bescheidenen Gaben zu ergründen. Dabei geht mir zuweilen auf, dass Christen von Anfang an - schon sechshundert Jahre bevor es Muslime gab - den leidenden Chritus verstanden als Aufforderung, den Ungeborenen, den Kranken, den Frauen und den Sklaven beizustehen. Wenn sie auf den leidenden Jesus sahen, ihn nicht als Dekoration oder Bildstock verwenden, dann haben sie gespürt, was es heißt, an einen (mit)leidenden Gott zu glauben. Und langsam, nicht immer linear fortschreitend, haben sie ihr Leben am leidenden Menschen orientiert. Diese Sichtweise entgeht dem islamischen Kritiker Navid Kermani offenbar.Sein Begriff "pornographisch" für künstlerische Darstellung christlicher Motive, die den Gottesbegriff nicht unwesentlich berühren, hat keine Christen zu Brandschatzungen und Morden an Muslimen angeregt. Ein umgekehrtes Szenario bot sich allerdings vor noch nicht allzu langer Zeit wegen der Mohammed-Karikatur in Dänemark.
Die Ausführungen des Herrn Kermani zeigen, dass noch viel  zwischen Christen und Muslimen dialogisiert werden muss. Für Preise ist es noch zu früh. Lehmann hat besonnen reagiert, wie ich meine.