Dr. Bernd Dammann schrieb uns am 10.09.2012
Thema: Joachim Seng: Es bleibt das Geschriebene
Die enthusiastische und hymnische Besprechung von F.-R. Hausmanns voluminösem Werk durch Joachim Seng in allen Ehren. Die Summe des sehr beachtlichen Lebenswerkes einer anerkannten Forscherpersönlichkeit auf dem Gebiet der Fachgeschichtsschreibung darf Respekt und Anerkennung erwarten. Das ist keine Frage, auch wenn, wie mir scheint, der Rezensent diese Erwartung nicht nur beherzigt, sondern sogar übererfüllt hat. Denn bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Und hier wäre die eine oder andere kritische Anmerkung des Rezensenten durchaus angebracht gewesen.
Dazu ein Beispiel: SENG wählt für seine Eloge die ‚Neugermanistik‘ aus (S. 541-560) und hebt in diesem Zusammenhang den von Hausmann als „Paradebeispiel“ (Seng) zu Recht aufgeführten Berliner Nazi-Germanisten Franz Koch (1888-1969) hervor, der – so SENG – „nach dem Krieg rehabilitiert in Tübingen lehrte.“ Hausmann liefert ihm für diese biographisch unzutreffende Feststellung die Steilvorlage, indem er in seine biographische Anmerkung zu Koch eingetragen hat: „ …; LA Erlangen 52, Tübingen 52-69; … .“ (S. 556 – Anm. 449) Die von Hausmann aufgeführten Gewährspersonen zu Kochs Biographie beziehen sich ausnahmslos auf den verstorbenen Berliner Wissenschaftshistoriker Wolfgang Höppner (1950-2008), der als der Experte zu Leben und Werk Franz Kochs schlechthin gelten kann.
In dem von Höppner verfassten Eintrag über Franz Koch im ‚Internationalen Germanistenlexikon‘ (Band 2, 2003, S. 966-968) steht allerdings zu lesen: „1952 Vortragstätigkeit an der Univ. Erlangen; 1952-1969 wiss. Tätigkeit (ohne Lehramt) in Tübingen.“ (S. 966) Entgegen den Behauptungen von Hausmann und Seng ist also zutreffend, dass Franz Koch in Erlangen keinen LA (=Lehrauftrag) hatte (mehrere ‚Gast’vorträge ergeben nach Quantität und Qualität keine hinreichende Grundlage, von der Ausübung eines förmlichen und dienstrechtlich genehmigten Lehrauftrags zu sprechen) und sich dann in Tübingen mit dem Gegenteil dessen bescheiden musste, was der Rezensent Seng aus dem Hausmann-Eintrag dann auch noch zusätzlich folgert.
Gesichert und deswegen zutreffend ist: der unbelehrbare Nazi-Germanist Franz Koch führte in Tübingen das bescheidene Leben eines sozial weitgehend isolierten und in Fachkreisen als ‚Sündenbock‘ stigmatisierten Privatgelehrten (ohne Lehramt!). Seine akademische und dienstrechtliche Emeritierung an der Universität Tübingen erfolgte Ende Februar 1960 erst, nachdem Koch von sich aus und rechtlich bindend auf die Ausübung seiner damit eigentlich wieder zuzu-sprechenden akademischen Rechte und Pflichten eines Universitätsprofessors ausdrücklich ver-zichtet hatte. Ich verweise dazu auf die Veröffentlichungen von Bernd Dammann/Jörg Schönert, in: ZfGerm, 2011; FHEH.org (2012); Geschichte der Germanistik, Doppelheft 41/42, 2012 (i.E.).
In unseren Veröffentlichungen zu Franz Koch tragen wir der von Hausmann (2011) formulierten Erwartung Rechnung, dass auf „Seriosität“ (S. 26) bedachte Arbeiten zum Thema ‚Hochschule und Wissenschaft im NS-Staat‘ „der Natur der Sache nach einem genauen Beweiszwang“ unterliegen und deswegen „nicht ohne präzise Dokumentation der benutzten Quellen“ auskommen. (S. 11) Das gilt selbstverständlich zuerst für den Autor ebenso wie auch für seinen Rezensenten.
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