Roland Girtler schrieb uns am 17.11.2013
Thema: Dirk Kaesler: Wenig Max Weber, sehr viel Roland Girtler
Replik auf Dirk Käslers Kritik an meinem Buch „Max Weber in Wien“- Lit-Verlag
Auch Herr Käsler irrt sich !
Dirk Käsler ist ein Kollege, mit dem mich seit unserer gemeinsamen Arbeit am Institut für Soziologie der Universität München freundschaftliche Beziehungen verbinden.
Herr Käsler, der Max Weber-Spezialist, bezeichnet in seiner Kritik mein Buch u.a. als „Machwerk“. Dazu gestatte ich mir ein paar Bemerkungen:
1. In meinem Buch versuche ich, den Aufenthalt Max Webers in Wien im Sommersemester 1918 zu beschreiben. Er wohnte in dieser Zeit in der Pension Baltic im 8. Bezirk Wiens in der Skodagasse, die in die Alserstraße einmündet. Max Weber schwärmt von dieser Pension und von der Gegend, in der er wohnt.
2. Schräg gegenüber dieser Pension stand früher das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ (Alserstraße 33). Dieses Gasthaus wurde um 1970 umgebaut, aus ihm wurde das Institut für Soziologie, es blieb dort bis 2002, ehe es übersiedelt wurde.
3. Ich glaube, es gibt so etwas wie einen „Genius Loci“ , also einen „Geist“, der typisch für Wien und vor allem für den 8. Bezirk Wiens ist, der an das Universitätsviertel anschließt. Ich fand es daher sehr spannend, dem Leben des Soziologen Max Webers in Wien im Jahre 1918 nachzuspüren und ebenso das Leben am früheren Institut für Soziologie einige Jahrzehnte danach zu beschreiben, und beides miteinander zu verquicken.
4. Herr Käsler meint, in meinem Buch wäre nicht viel Neues über Max Weber in Wien zu lesen. Er hätte sehen müssen, dass ich einige neue Perspektiven für die Weber-Forschung einbringe. So ist neu in meinem Buch u.a. die genaue (!) Beschreibung der Pension Baltic, in der Max Weber gewohnt hat. Ich suchte die Pension auf, ließ mir einige Zimmer zeigen, die dem Zimmer, das Max Weber beschrieben hat, gleichen. Ich machte Fotos vom Garten, in den Max Weber mit Freude gesehen hat, und u.a. auch vom Stiegenhaus der Pension, das sich seit 1919 nicht verändert haben dürfte.
5. Auch habe ich Dokumente, die sich auf Max Weber beziehen und die in meinem Buch wiedergegeben werden, als erster im Staatsarchiv aufgefunden und ausgehoben.
6. Das Wirtshaus „Zum Goldenen Hirschen“, an dessen Stelle später das Institut für Soziologie wurde, war zur Zeit Max Webers ein beliebtes Gasthaus. In diesem Wirtshaus waren bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts oft Studenten, darunter ich, zu Gast. Ich bin mir sicher, dass auch Max Weber – er besuchte gerne mit Studenten Gasthäuser, wie seine Frau schreibt - manchmal im „Goldenen Hirschen“ sein Bier mit Studenten getrunken hat, zumal er gegenüber wohnte. Herr Käsler widerspricht dem und meint, es wäre ein anderes Gasthaus gewesen, nämlich das zum „Silbernen Brunnen“. Ich habe nie bestritten, dass Weber auch dieses Gasthaus aufgesucht hat. Ich glaube lediglich, dass er ebenso im „Goldenen Hirschen“ war. Freilich hat Herr Käsler recht, wenn er meint, der „Goldene Hirsch“ sei nicht das Gasthaus „Silberner Brunnen“. Ich werde in einer allfälligen Neuauflage des Buches dies klar stellen.
7. Herr Käsler irrt, wenn er meint, das Haus Bergasse 5 mit dem Gasthaus zum „Silbernen Brunnen“ gehöre wie die Pension Baltic zur Josefstadt, dem 8. Wiener Gemeindebezirk. Tatsächlich gehört die Berggasse nicht zum 8., sondern zum 9. Bezirk, dem „Alsergrund“.
8. Schließlich gehe ich mit dem Hinweis auf Webers Freude am Biergenuss auf alte studentische Bierrituale ein, die Max Weber, er war Heidelberger Burschenschafter, geübt hat. So weit ich weiß, sind diese noch von keinem Max Weber-Spezialisten analysiert worden, zumindest nicht genau. Ein Ritual, das Max Weber großen Spaß gemacht haben dürfte, ist des „Brummen eines Bierjungen“, eine Aktion, die zu einem „Bierduell“ führt. Max Weber hat einige dieser Bierduelle gewonnen.
9. Auch die Verwendung des Wortes „Hundsfott“ bei Max Weber wird in der diversen Literatur über Max Weber nicht interpretiert. Ich habe versucht, darzutun , dass das Wort „Hundsfott“ im so genannten „Landesvater“, wie er in Studentenverbindungen „gestochen wird“, vorkommt. Es heißt da: „Solange wir uns kennen, wollen wir uns Bruder nennen, ein Hundsfott, der dich schimpfen sollt“.
10. Ebenso habe ich Max Webers Beziehung zum Duell etwas näher beleuchtet, als es sonst in der Literatur über Max Weber, einen Duellanhänger, üblich ist. Auch ich habe einen Studenten, der mich beleidigt hat, zu einem Duell gefordert, nämlich auf eines mit Fahrrädern.
11. In aller Bescheidenheit meine ich, dass mir mit meinem Büchlein eine interessante Verbindung zwischen Max Weber, dem alten Gasthaus und dem früheren Institut für Soziologie gelungen ist.
In Verehrung
Roland Girtler
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