Leserbriefe zur Rezension
Das 'Prinzip Schlüssel'
Matthias N. Lorenz entdeckt antisemitische Ressentiments in Martin Walsers Gesamtwerk
Von Andrea Geier
Astrid Schwabe, Universität Flensburg schrieb uns am 12.10.2005 Egal wie man zu den Thesen von Lorenz stehen mag (ich will nicht verheimlichen, dass ich dazu anders stehe als die Rezensentin): es verwundert schon, dass in dieser „Debatte“ kaum noch Zwischentöne zu vernehmen sind. So bedenkenswert auch mir mancher Hinweis erscheint, den Geier gibt – warum muss sie das in diesem Furor tun, der jeden zweiten ihrer Sätze durchzieht? Sollten wir diese Echauffiertheit nicht den Niederungen des Feuilletons überlassen, die besagte Arbeit bisher oft unterkomplex verhandelt haben? Man wird Lorenz zugestehen müssen, dass sein Buch sehr sorgfältig gearbeitet ist, und man sollte ihm eher anrechnen als ankreiden, dass er gerade die streitbaren Passagen seiner Argumentation selbst als solche ausweist. Auch sei daran erinnert, dass Lorenz in seiner Arbeit an keiner Stelle Walser als Antisemiten bezeichnet hat. Nach wie vor gilt, was Wolfgang Benz in seinem Vorwort zu diesem Buch festgestellt hat: „Die Arbeit von Matthias Lorenz folgt nicht Bedürfnissen nach Gesinnungsprüfung oder moralischer Verurteilung, sondern ausschließlich wissenschaftlichem Anspruch unter der Maxime, Walser als einen der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren zu akzeptieren und gleichzeitig sein Werk einer kritischen Retrospektive zu unterziehen.“ Ich denke, man muss sich, egal ob Walser-Fan oder -Verächter, nicht verbiegen, wenn man anerkennt, dass dieses Buch einige allzu bequeme Annahmen (wie etwa, Walser habe sich vom Links- zum Rechtsradikalen gewandelt) mit Recht in Frage stellt. Und was schließlich die Täter-Opfer-Nivellierung in Walsers Gesamtwerk angeht, die nachzuweisen ja das Hauptanliegen dieser Dissertation ist: Sollte man nicht, egal wo man in dieser Debatte steht, zumindest in der Lage sein, sich durch Lorenz’ Befunde verunsichern zu lassen? Denn an unbestreitbaren Belegen für diese Täter-Opfer-Nivellierung in Walsers Gesamtwerk mangelt es in Lorenz’ Arbeit nun wirklich nicht. |