Mutmaßungen über Büchner
Jochen Bertheau untersucht französische Textquellen des Dichters
Von Marcel Krings
Studien zu literarischen, medizinischen und historischen Quellen des Büchner’schen Werks haben eine lange Tradition. So intensiv hatte der Dichter seine Werke zuweilen an Vorlagen gekoppelt, dass mancher Zeitgenosse schon Plagiate witterte oder dramatisierte Historie argwöhnte. Auch Büchners Verleger Karl Gutzkow hatte den Grund für den Misserfolg des „Danton“ darin gesehen, dass Büchner „die Geschichte nicht betrogen“ hatte. Doch in des Dichters Interesse an der Geschichte manifestierte sich kein schöpferisches Unvermögen, sondern eine neue Ästhetik. Bewusst wollte sie dem schönen Schein der Dichtung die authentische Wirklichkeit entgegensetzen, den „sogenannten Idealdichtern“ der Klassik und Romantik die – literarisch ignorierte – soziale, obszöne und bedürftige Realität. Sie fand Büchner in den Quellen, die er für seine Geschichtsdramen nutzte. Es lag also für die Literaturwissenschaft nahe, die Vorlagen zu bestimmen und das Verhältnis von Literatur und Überlieferung zu erörtern. Gerade, was Büchners Lektüre für „Danton’s Tod“ betrifft, ist die Forschung dabei extensiv verfahren: Dass der Dichter vor allem Thiers und den Band „Unsere Zeit“ las, auch Mercier, Nodier und Vilate, findet sich heute als communis opinio in jedem besseren Kommentar.
Umso neugieriger ist man, wenn wie durch Jochen Bertheaus Buch „Auf fremdem Boden“ die Identifizierung „bisher nicht bekannter“ französischer Quellen versprochen wird. Der Autor, pensionierter Gymnasiallehrer, konzentriert sich hauptsächlich auf „Danton’s Tod“, bedeutend kürzere Kapitel sind „Leonce und Lena“, „Woyzeck“ und „Lenz“ gewidmet. Argumentiert wird, Büchner habe aufgrund seiner französischen Bildung – er sprach Französisch und lebte bekanntlich mehrere Jahre in Straßburg – nicht nur historische, sondern auch literarische Vorlagen in größerem Maße aus Frankreich bezogen als bisher angenommen.
Anmerkung der Redaktion: Der folgende Teil der Rezension wurde im Einvernehmen mit dem Rezensenten am 16.12.2015 aus dem Netz genommen.