Main Logo
LITERRA - Die Welt der Literatur
Home Autoren und ihre Werke Künstler und ihre Werke Hörbücher / Hörspiele Neuerscheinungen Vorschau Musik Filme Kurzgeschichten Magazine Verlage Specials Rezensionen Interviews Kolumnen Artikel Partner Das Team
PDF
Startseite > Artikel > Marlies Eifert > Essay > Hexen
emperor-miniature

Hexen

Hexen sind Frauen, denen man mehr oder weniger ernsthaft zugetraut hat, über mehr Macht zu verfügen als normale Sterbliche.
Macht ordnet man zunächst einmal den exponierten Gestalten männlichen Geschlechtes zu.
Beispielsweise haben sie die Macht zu herrschen. Sie nennen sich dann Könige, Feldherren u. ä.
In den Geschichtsbüchern ist ausführlich über ihre Taten zu lesen.
Von der Macht der Frauen erfährt man demgegenüber in den Geschichtsbüchern kaum etwas. Man weiß zwar von Priesterinnen, Sibyllen und eben Hexen. Ihre Taten jedoch sind selten überliefert. Allenfalls ihre Namen- aus den Gerichtsakten der Hexenprozesse.
Welches sind nun die Machtbefugnisse, die man den besonderen Frauen, also Hexen, Sibyllen, Priesterinnen, Kräuterfrauen zugetraut hat? Folgen wir dem zeitlichen Ablauf, beginnen in der Antike.
Hekate, Mondgöttin, Fruchbarkeitsgöttin und außerdem Patronin der Hexen, war zuständig für Zauberei, half auch bei Geburten und Kindererziehung. Von Kirke,- wir sind immer noch im Bereich der Antike-weiß man, dass sie Männer des Odysseus in Schweine verwandelt hat.
Diana, die uns als Göttin der Jagd bekannt ist, aber auch häufig mit der Zaubergöttin Hekate gleichgesetzt wird, gab ihrer Tochter den folgenden Auftrag:

„Du wirst sie – die Hexen- lehren,
den Geist der Unterdrücker mit Zauberkraft zu bannen;
und wo immer sich ein reicher geiziger Bauer findet,
wirst du die Hexen, deine Schüler, lehren,
seine Ernte mit schrecklichen Stürmen zu verwüsten,
mit Blitz, Donner und Regen.“


So wissen wir nun, wer eigentlich für die Klimakatastrophe verantwortlich gemacht werden kann...
Dass Hexen Wetter machen können, glaubten die Germanen auch. Bei ihnen gab es ebenso die Kräuterfrauen, die die verdächtige Fähigkeit der Unterscheidung zwischen giftigen und heilenden Kräutern hatten.
All dies- nämlich die Fähigkeit, Wetter zu machen, zu zaubern, bei Geburten zu helfen, Kräuter unterscheiden zu können- in den abgelegenen Gebieten waren damit ärztliche Funktionen verbunden- traute die mittelalterliche Bevölkerung den Hexen auch zu. Übrigens: Erst im 16. Jh. fasste man diese Frauen unter dem Sammelbegriff Hexen zusammen.
Fest steht jedoch: Ihre Kenntnisse verhalfen ihnen nicht zu Ruhm und Ehre, sondern zu Verfolgungen in einem nicht vorstellbaren Ausmaß.
Nebenbei: In den oberen Schichten war sogar den Frauen das Denken und Forschen erlaubt. Man denke an Hildegard von Bingen, Naturwissenschaftlerin und Mystikerin.
Vergleicht man nun die Macht, die diese Frauen in den verschiedenen Jahrhunderten hatten, mit der Macht der Männer, so fällt zunächst in beiden Fällen die Ambivalenz der Macht auf.
Es gibt wohlwollende Herrscher, aber auch andere. Es gibt die wohlwollende 'weise' Frau, aber auch die, die, wie man glaubte, den Menschen Schaden zufügen konnte. Dann spricht man davon, dass jemand oder etwas 'verhext' ist. Es ist leicht zu erkennen, wie wenig eine Frau- im Unterschied zum Mann - selbst entscheiden konnte, ob sie nun als gute oder als 'böse' Frau in Erscheinung treten würde. Die Entscheidung besorgte im Fall der Hexen Frau allemal die Umwelt. Wenn bei der Geburt ein Kind tot geboren wurde, oder ein Kranker durch das 'Kraut' nicht gesund wurde, dann verwandelten sich Hebammen und Kräuterfrauen schnell und leicht in (böse) Hexen. Frauen also, die , wie man im Mittelalter glaubte, in einem besonderen Verhältnis zum Teufel standen. Allerdings hatten sie kaum die Möglichkeit, mit Hilfe von Besenstiel oder Ziegenbock der Verfolgung durch die Lüfte zu entkommen...
So sieht man also, dass die Macht der Frauen von ganz anderer Beschaffenheit war, als die der Männer.
Genau besehen, ist die weise Frau machtlos, denn sie steht nicht 'oben' bei den Herrschenden, sondern 'unten' bei den einfachen Leuten. Dies gilt bereits für Hekate, die bei der unteren Bevölkerungsschicht verehrt wurde und deren 'Sitz' man nicht bei den Olympiern zu suchen hatte.
Hekate verkündet ihrer Tochter nämlich folgendes:
„Denn ich bin gekommen, die schlechten Menschen zu vernichten,
Und ich werde sie vernichten!
Ihr aber, die ihr unter Armut und Hunger leidet,
die ihr leidet unter unter schlechter Arbeit und Gefangenschaft,
Ihr habt eine Seele, eine bessere Seele.“
Auch im Mittelalter waren Kräuterfrauen, Hebammen für die Bevölkerungskreise zuständig, für die sich Ärzte und Gelehrte nicht sonderlich interessierten,
weil sie weder über Ansehen noch über Geldmittel verfügten. 'Schlechte' Arbeit, Armut, Hunger galt in mehr oder weniger großem Ausmaß auch für die Klientel der mittelalterlichen Kräuterfrauen.
Es kann also gesagt werden: Macht der 'weisen' Frauen bedeutet also nicht Macht über Menschen im Sinn von Herrschaft.
Man sucht Hexen nicht in der großen Politik. In den Geschichtsbüchern treten sie allenfalls nur als Verfolgte in Form von – sehr ungenauen – Zahlen auf (zwischen 100 000 und 3 bis 9 Millionen) auf. Es ist keine laute Überlegenheit, sondern eher eine leise, eine Überlegenheit, die sich auf die Nähe zur Natur gründet, und die mehr oder weniger
bewusst, einen Gegenpol zur Welt des Mannes und seinen Hierarchien darstellt.
In der modernen Frauenbewegung versucht man nun, das durch die Hexenverfolgung verschüttete Wissen wiederherzustellen.
Die neuen 'Hexen' richten sich u.a. gegen die Methoden der gynäkologischen Behandlung, gegen die Praktiken der Krankenhausgeburt und gegen die vorschnelle Verordnung von Medikamenten, die einen hohen Grad von Nebenwirkungen aufweisen.

Literatur: 'Hexen' Katalog zur Ausstellung im Hamburgischen Museum für Völkerkunde 1979
Haag, Herbert: Teufelsglaube, Tübingen 1974

Erstveröffentlichung in "Elfenschrift"


18. Jan. 2008 - Marlies Eifert
Genre: Essay

[Zurück zur Übersicht]

Manuskripte

BITTE KEINE MANUS­KRIP­TE EIN­SENDEN!
Auf unverlangt ein­ge­sandte Texte erfolgt keine Antwort.

Über LITERRA

News-Archiv

Special Info

Batmans ewiger Kampf gegen den Joker erreicht eine neue Dimension. Gezeichnet im düsteren Noir-Stil erzählt Enrico Marini in cineastischen Bildern eine Geschichte voller Action und Dramatik. BATMAN: DER DUNKLE PRINZ ist ein Muss für alle Fans des Dunklen Ritters.

Heutige Updates

LITERRA - Die Welt der Literatur Facebook-Profil
Signierte Bücher
Die neueste Rattus Libri-Ausgabe
Home | Impressum | News-Archiv | RSS-Feeds Alle RSS-Feeds | Facebook-Seite Facebook LITERRA Literaturportal
Copyright © 2007 - 2018 literra.info