![]() |
![]() | ||||||
Berner Literaturfest 2008: ImpressionenDas zweite Literaturfest vom 20.-24. August in und rund um Bern war ein voller Erfolg. Im Gegenteil zu Petrus scheinen die Berner alles andere als Literaturmuffel zu sein.Nostalgischer EinstiegDer Anlass zur Eröffnung des Berner Literaturfests 2008 war als bescheidenes Podiumsgespräch geplant. Zum Gedenken des 1988 verstorbenen Psychiaters und Schriftstellers Walter Vogt sollten sich Freunde und Bewunderer in einem kleinen Zimmer im schweizerischen Literaturarchiv einfinden. Doch schon nach wenigen Minuten war der Raum bis zum Anschlag gefüllt, so dass die Türen offen gelassen werden mussten, damit auch Überpünktliche einen Blick aufs Podium erhaschen konnten.Geleitet wurde das Podiumsgespräch von Literaturwissenschaftler Daniel Rothenbühler. Unter die Teilnehmer oft solche, die Vogt noch zu Lebzeiten gekannt hatten gesellten sich die Literaturkritikerin Beatrice Eichmann-Leutenegger, Vogts Lehrerin Renate Nagel und Schriftsteller Raphael Urweider. Für eine gelungene Abwechslung sorgte schliesslich Francesco Micieli, der zur Auflockerung aus Vogts Lyriknachlass las. Ebenfalls Erwähnung fand der Kurzroman Der Vogel auf dem Tisch: ein charmantes Beispiel für Vogts Talent und Wortwitz. Hundert Tage eine NachtWie interessant oder aktuell tote Autoren auch sein mögen, lebenden gelingt es häufig besser, Zuhörer in den Saal zu locken. So erging es am Donnerstag auch Lukas Bärfuss im Haberhuus in Köniz. Er las das erste Kapitel aus seinem neuen und politisch brisanten Werk Hundert Tage vor, und beantwortete daraufhin noch einige Fragen des Gesprächsleiters Raphael Urweider.Der ehemalige Dramatiker zeigte sich den Abend über zurückhaltend und nüchtern. Tipps für heranwachsende Autoren gab es keine; denn Tipps, so Bärfuss, seien wohl etwas vom Schlimmsten, was einem Jungen Autoren passieren könne. Als er auf die politische Natur von Hundert Tage angesprochen wurde, setzte Bärfuss zur Rede an die Lesernation an: Dies sei eine Gemeinschaft von (grösstenteils weiblichen) Lesern, welche über die Landesgrenzen hinausreiche und nach Selbstverwirklichung suche. Der politische Gehalt eines Textes mache nicht die Wichtigkeit aus denn oft seien es die Charaktere, die dem Leser ans Herz wachsen und somit dem literarischen Werk einen hohen Stellenwert einräumen. Sprachgewitter und RegenwolkenDer Samstag bildete das eigentliche Highlight: Ganz im Zeichen der Belletristik sollte die Berner Innenstadt in ein wahres Fest der Literatur verwandelt werden. Doch wie schon vor zwei Jahren wollte das Wetter einfach nicht mitspielen. So sah sich die Festleitung gezwungen, die Veranstaltungen von den Gassen und Plätzen in der Berner Altstadt kurzerhand in geschlossene Räume zu verlegen.Doch der Andrang blieb gross. Selbst im rustikalen Kellergeschoss des Schlachthaus Theater blieben die Sitzplätze knapp. Ein grosses Lob hier an die Besucher: Sie zeigten sich flexibel, funktionierten Harassen zu Stühlen um und harrten ebenso geduldig wie konzentriert auf ihren Plätzen. Durch nichts beirren liess sich auch Monique Schwitter: Mit pikanter Stimme entführte sie die Hörer für eine halbe Stunde in die Welt ihres ersten Romans Ohren haben keine Lider. Es ist die Welt einer jungen, verstörten Protagonistin, deren Geschichte in einer Mischung aus Komik, Prägnanz und erzählerischer Fülle geschildert wurde. Schwitters Lesung machte Lust auf mehr. Der Kern des Literaturfests fand sich schliesslich im Kornhausforum ein, welches Platz für die Auftritte von Hugo Lötscher, Endo Anaconda, Verena Stefan und viele weitere renommierte Autoren bot. Besonders hervorzuheben ist der herzliche Auftritt von Urs Widmer, der den randvollen Stadtsaal mit Witz und sprachlicher Finesse begeistern konnte. Auch wenn ein gewisser Schweizer Akzent nicht zu überhören war, amüsierte er die Zuhörer mit einer Auslese an humoristischen Stücken. Die sind allesamt in C-Dur komponiert, lachte er. Widmers Figuren scheinen einfach gestrickt wie auch in seiner Erzählung über Risotto, Grappa und den/das Tessin , und dennoch schaffte er es, ihnen durch eine Metapher und eine masslose Übertreibung Charme zu verleihen. "Bern ist überall"Zum Abschluss des Tages lud das Schweizer Radio DRS zum Gespräch mit Urs Widmer und Robert Schindel ein. Zu guter Letzt unterhielt die Autorengruppe Bern ist überall mit einer ausgeklügelten Performance, die für einmal den Lesetext an sich in den Hintergrund rückte.Wenn auch nur Ausweichschauplatz, so bot das Kornhausforum dennoch eine herzliche Atmosphäre: Den schlendernden Besucher erwarteten gesprächige Autoren, eine Vielzahl an Bücherständen und das vertraute Gefühl, den Nachbarn doch schon an einer früheren Lesung erspäht zu haben. Auch der Festivalleiter Hans Ruprecht zeigte sich zufrieden. Das Fest habe gezeigt, dass Bern ein gutes Pflaster für Literatur ist und Lesungen ein breites Publikum begeistern können. Die Zahlen können dies bestätigen: Mehr als 3'500 Literaturbegeisterte frequentierten die 38 Veranstaltungen in und rund um Bern. Das entspricht einem Besucherzuwachs um 20% gegenüber der Premiere im Jahre 2006. Laut Ruprecht ist für 2010 bereits das 3. Berner Literaturfestival geplant. Und wer weiss vielleicht kann bis dahin auch der gute Petrus bekehrt werden. Quellen: Berner Literaturfest, Berner Zeitung BZ, Der Bund |
| ||||||
Home |
Impressum |
News-Archiv |
RSS-Feeds ![]() ![]() Copyright © 2007 - 2018 literra.info |