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Leseprobe 1

FLASCHENKIND
FLASCHENKIND

Lothar Nietsch
Roman / Dystopie

Arunya-Verlag
Covergrafik: Shikomo
Covergestaltung: Shikomo
Innengrafiken: Shikomo

DYSTONIA: Band 2
Taschenbuch, 150 Seiten
ISBN: 978-3-95810-020

Apr. 2018, 6.95 EUR
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Jetzt lag sie auf einer stinkenden Decke, die Lenny auf den Boden geworfen hatte. Der zur ersten Wache ein­geteilte Tom schnarchte noch lauter als Rob und Lenny zusammen. Abgesehen von Rob, schienen die Männer von Mira kaum Notiz zu nehmen. Lediglich ihre von Gier und Hass sprühenden Blicke, die sie ihr vereinzelt zuwarfen, verrieten Mira, dass sie es vermutlich nur Robs Gegenwart zu verdanken hatte, wenn sie dessen Kumpane nicht auf der Stelle vergewaltigten und sobald sie keinen Spaß mehr daran hatten, umbrachten. Allerdings hätte sich Mira ohne Rob gar nicht in dieser Situation befunden, zumindest waren die knappen Wortwechsel der Männer, bevor sie die Wachen ein­geteilt und sich schlafen gelegt hatten, durchaus auf­schlussreich gewesen. So hatte Mira zum Beispiel erfahren, dass Rob der Kopf der Gruppe war und sie auf eine unbestimmte Anzahl Menschen in Miras Alter angesetzt worden waren, die offenbar ihrem Typ entsprachen. Bedeutete das, es gab mehr Menschen, die so wie sie unbedingt nach Utopia gelangen wollten? Waren diese Menschen ebenfalls wie sie, mit einer Art angeborenem Wissen über Kampfkünste ausgestattet? Das war kaum vorstellbar, aber Mira hatte deutlich gehört, wie Rob wiederholt bekräftigt hatte, dass sie alle Attribute der von ihren Auftraggebern gegebenen Beschreibung der Gesuchten erfüllte. Die Auftraggeber, auch daran bestand für Mira nach diesem Gespräch kein Zweifel, waren tatsächlich Leute aus Utopia. Mehr allerdings erfuhr sie an diesem Abend nicht über die Hintergründe ihrer Entführung.
Sie selbst hatte erst vor einigen Monaten von Utopia erfahren, und bis sie auf Rob gestoßen war, hatte ihr gegenüber kaum jemand bestätigt, dass die Stadt wirklich existierte. Wie konnte es dann sein, dass man Kopfgeldjäger beauftragt hatte, sie zu finden? War das der eigentliche Grund, weshalb sich Robs Kumpane nicht an ihr vergriffen? Musste die Ware unbeschädigt übergeben werden?
Mira brachte sich in eine andere Position, die es ihrem Blutkreislauf wieder erlaubte, den linken Arm zu versorgen. Kein leichtes Unterfangen, aber irgendwie schaffte sie es nach einigen Versuchen eine halbwegs bequeme Lage einzunehmen. Mit der Bewegung hatte Mira unbeabsichtigt die unter ihr liegende Decke verrutscht und ihre tauben Finger wühlten sich in den sandigen Boden. Eben als sich Mira entspannend zu­rücklehnen wollte, ertasten ihre Fingerspitzen etwas Scharf­kantiges. Miras Pulsschlag beschleunigte, eine Scherbe oder ein abgeschlagener Stein, das vermochte sie nicht zu unterscheiden, aber das war auch egal. Auf Zug hielt so ein Panzerband unglaublichen Lasten stand, einem scharfen Gegenstand jedoch bot es keinen nen­nens­werten Widerstand. Keine drei Minuten später hatte Mira das Klebeband, das ihre Handgelenke fixierte, durchtrennt und wartete anschließend, bis das nun un­ge­stört zirkulierende Blut die Taubheit ihrer Gliedmaßen einigermaßen vertrieben hatte.
Gerade als sie im Begriff stand, den letzten Streifen Klebeband zwischen ihren Fußgelenken zu durch­tren­nen, rollte sich Tom auf die Seite, öffnete die Augen und starrte sie an. Für einen Augenblick lag ein verwirrter Ausdruck in seinem Blick, dann setzte sich das Begreifen durch und mit einem gehässigen Grinsen setzte er sich auf und zog sein Messer. Sichtlich darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, kroch er auf Mira zu. Ihr war sofort klar, was der Kerl beabsichtigte und das war für sie auf jeden Fall besser, als wenn er die anderen geweckt hätte. Sie hielt ihre Hände hinter dem Rücken, in der rechten Hand die Scherbe.
„Keinen Mucks, kleine Schlampe!“, zischte Tom, als er nur eine Armeslänge von ihr entfernt war. Als er bei ihr war, hielt er mit einer Hand die Klinge seines Messers an Miras Kehle, während die andere ihre Brust fand und sie zu kneten begann, wie ein Stück Brotteig. Der Kerl war das grobe Arschloch, mit dem Feingefühl einer Pla­nierraupe, für das ihn Mira eingeschätzt hatte. Die Hand rutschte von ihrer Brust abwärts zu ihrem Gürtel, ungeduldig fingerte Tom am Verschluss. Endlich hatte er Miras Hose so weit geöffnet, dass er seine Hand unter den Saum schieben konnte. Der gierige Glanz in seinen Augen verstärkte sich, die Klinge an ihrem Hals gewann etwas Abstand, derweil sich der Typ darum bemühte, Miras Hosenbund über ihre Hüftknochen nach unten zu zerren. Das Klebeband zwischen ihren Füßen behinderte das Unterfangen und schließlich durchschnitt es Tom mit seinem Messer. Auf diesen Augenblick hatte Mira ge­wartet. Tom, dessen ganzes Wesen von fortpflan­zungs­gesteuerten Hormonen bestimmt wurde, achtete nicht auf Miras Arme, für ihn existierten in diesen Sekunden nur ihre Möse und ihre Brüste und sein ganzes Bestreben galt Miras Schoß freizulegen.
Mira holte aus und hieb die Scherbe Tom seitlich in den Hals, zog nach vorne durch, durchtrennte die Halsschlagader, anschließend den Kehlkopf und röchelnd brach der nach Schweiß und Urin stinkende Widersacher über ihrem Schenkel zusammen. Noch im Todeskampf entwand ihm Mira das Messer und stieß den zuckenden Körper zur Seite. Das Ganze war nicht so lautlos vonstattengegangen, wie sie sich das gewünscht hätte. Rob schnappte nach Luft und drehte sich schmatz­end auf den Rücken, ohne jedoch die Augen zu öffnen. Lenny hingegen, der sein Lager zwischen Miras und Robs aufgeschlagen hatte, schnarchte unvermindert weiter.
Gut so! Mira entfernte die letzten Reste Klebeband, die sie behinderten, und kroch lautlos zu Lenny. Der Schnitt durch seine Kehle riss ihn aus dem Schlaf. Ein gurgelnder Laut drang über seine Lippen, den zugleich fragenden und entsetzten Blick aus seinen Augen quittierte Mira mit einem freudlosen Lächeln. Lenny starb, ehe er richtig begriff, was geschah.
Ob es an den Geräuschen lag oder daran, dass Lennys Schnarchen plötzlich verstummt war, Rob fuhr mit einer ruckhaften Bewegung hoch, verwundert schaute er Mira ins Gesicht. Als Nächstes erblickte er Lenny neben sich, die klaffende Schnittwunde an seinem Hals, dann Tom. Das war der Moment, in dem Mira mit erhobenem Messer zum Sprung ansetzte. Robs Reflexe, das musste sie neidlos anerkennen, waren ihren wenigstens eben­bürtig. In einer jähen Bewegung gelang es ihm sich zur Seite zu rollen und dabei die Automatik aus dem Holster zu ziehen, aber bevor er die Waffe auf Mira richten konnte, prallte sie gegen ihn und warf ihn zurück in den Staub. Miras Messerattacke parierte Rob mit seiner Pis­tole, die er gerade noch rechtzeitig hochriss, mit der anderen Hand griff er Miras Jacke, nahe beim Hals­an­satz, hob das rechte Knie und mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht, katapultierte er Mira hinter sich. Katzengleich rollte sich Mira ab, sprang auf die Füße. Ihre Arme und Beine waren nach der stundenlangen Fixierung noch immer taub und reagierten nur widerwillig auf ihre Befehle, andernfalls wäre es Rob niemals gelungen, ihren Angriff abzuwehren. In­zwi­schen stand der junge Mann ebenfalls auf den Füßen, allerdings schien er noch immer nicht glauben zu wollen, was ihm seine Augen zeigten. Die reglosen Gestalten seiner Kumpane und eine von ihren Fesseln befreite und auch noch bewaffnete Mira.
In diesem Moment flammten aus allen Himmels­rich­tungen Scheinwerfer auf und tauchten das zum Kampf­platz gewordene Nachtlager in gleißende Helligkeit.
„Na, wenn das keine Überraschung ist“, knurrte eine tiefe Männerstimme. „Rob, das verdammte Wiesel und eine Wildkatze!“

Szenentrenner


Wer auch immer die neuen Mitspieler waren, Mira verspürte kein Bedürfnis, diese unverhoffte Bekannt­schaft zu vertiefen. Sie zählte fünf Scheinwerfer, da­hinter ebenso viele vage Konturen menschlicher Körper. Bevor der Unbekannte weitersprach, sprintete Mira auf den nächsten Scheinwerfer zu, sprang nach drei Sätzen ab und hechtete über die Lichtquelle hinweg. Noch in der Luft stellte sie fest, dass der Scheinwerfer zu einem Motorrad gehörte, sie beschrieb eine Flugrolle und landete mit den Stiefeln voran am Brustkorb eines behelmten Burschen. Durch das Visier des Helmes erblickte Mira weit aufgerissene Augen, die Wucht des Aufpralls stieß die Gestalt nach hinten, mit einem Aufschrei schlug sie hart zu Boden, während Mira, von ihrem Schwung getragen, abrollte und geschmeidig auf die Füße sprang. Keine Ahnung, womit sie so viel Glück verdient hatte, aber wieder einmal war es da, wenn sie es bedurfte. Sie hatte den Mann zuvor mehr erahnt als gesehen, jetzt, nicht mehr von den Scheinwerfern geblendet, erfasste sie die Situation auf einen Blick. Das Motorrad entpuppte sich als Elektrobike, wahrscheinlich hatte sich die Gruppe deshalb unbemerkt dem Lagerplatz nähern können. Trotzdem mussten sie die Maschinen das letzte Stück geschoben haben – aber das war im Augenblick nicht relevant.
Miras Opfer drehte sich zur Seite, schnappte röchelnd nach Luft. Bevor ihm das gelang, packte Mira den Helm des Mannes mit beiden Händen und riss diesen mit einem kräftigen Ruck nach links. Der Körper erschlaffte und sackte zusammen. An seinem Gürtel war ein Holster befestigt, Mira riss die Waffe heraus, entsicherte und gab vier rasche Schüsse auf die anderen Motorräder ab. Einer der Scheinwerfer implodierte, Flüche ertönten. Rob, der sich bis zu diesem Augenblick nicht gerührt hatte, warf sich flach auf den Boden. Mira feuerte eine weitere Salve auf die Fremden ab, sprang in den Sattel des Elektrobikes, betätigte den Schalter, beugte sich über den Lenker und drehte auf. Die Maschine stob mit einem Satz vorwärts, jagte knapp an Rob vorbei, der es gerade noch schaffte, seine Beine wegzuziehen, dann brach Mira durch den Ring der Fremden.
Die ganze Aktion hatte nicht länger als drei Sekunden gedauert, dennoch waren Mira die Uniformen nicht entgangen, welche die Männer trugen. Nicht, dass sie einen Bezug zu ihnen herstellen konnte, aber wenn der militärische Aufzug mit Rangabzeichen und einer Flagge auf den Schultern keine Uniform darstellte, dann saß sie jetzt auch nicht auf dieser beinahe lautlosen Maschine und floh in die Nacht hinaus. Apropos! Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihr zwei Lichter, die sie verfolgten. Mira hatte mit nichts anderem gerechnet und wie sie gehofft hatte, blieb ein Teil der Männer bei Rob. Sicher verfügten diese fremden Soldaten über Nachtsichtgeräte und bestimmt waren sie auch besser bewaffnet, als Mira. Dennoch traute sie sich zu, mit zwei Gegnern fertigzuwerden.

Das Gelände wurde schroffer, Felsen thronten auf von Bäumen und dornigem Gestrüpp bewachsenen Hügeln. Mira verringerte die Geschwindigkeit, überprüfte das Magazin, das noch halb voll war, und hielt Ausschau nach einer geeigneten Stelle. Ein hausgroßer Felsblock auf einer Anhöhe in ungefähr hundert Meter Entfernung entsprach ihrer Vorstellung. Sie nahm Kurs darauf und beschleunigte.
Drei Minuten später kauerte sie auf einem über­hän­genden Felsvorsprung, circa sieben Meter über dem Elektrobike, das sie an die Felswand gelehnt hatte. Bevor sie hinter dem Felsen aus den Blicken ihrer Verfolger verschwunden war, hatte sie sich vergewissert, von diesen auch gesehen zu werden. Hinter der Hügelkuppe hatte sie auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, war ein Stück geradeaus gefahren, hatte hinter einer Gruppe dichten Buschwerks gewendet und war in einem Bogen zum Felsen zurückgebrettert. Ihre Glücksträhne hielt noch immer an. Den erhöhten Felsvorsprung hatte sie an genau der Position entdeckt, der für ihren Plan nicht besser geeignet hätte sein können. Sicher war es vermessen, bei ihrer spontanen Aktion, von so etwas Durchdachtem wie einem Plan zu sprechen, was diesen aber nicht daran hinderte, wie am Schnürchen zu funktionieren. Allerdings hätte sich Mira auch keine Sekunde später auf dem Felsvorsprung in Stellung bringen dürfen, soeben erreichten ihre Verfolger die Kuppe des Hügels. Im fahlen Mondlicht, das sich gerade rechtzeitig durch die Wolken schob, war die gerade Linie, die Mira im sandigen Untergrund hinterlassen hatte, gut zu erkennen.
Mira zielte auf den ersten Fahrer, die Entfernung betrug gute dreißig Meter, aber es war windstill und Mira vertraute ihren Fähigkeiten. Zielen, ausatmen, durch­ziehen. Der Knall des Schusses peitschte durch die Stille, der Mann sackte auf dem Bike zusammen, seitlich am Helm war plötzlich ein schwarzes Loch. Der zweite Verfolger reagierte augenblicklich, tief über den Lenker gebeugt, gab er Gas und raste den Hügel abwärts auf eine Baumgruppe zu, von der er sich offensichtlich Deckung versprach. Das hatte Mira erwartet, sie erwischte den Flüchtigen mit einem Schuss in den Rücken. Mann und Motorrad überschlugen sich wenigstens ein Dutzend Mal, bevor sie in sich verschlungen und umhüllt von aufgewirbeltem Staub zum Liegen kamen.
Mira überwand die sieben Meter bis zum Boden mit einem Sprung, absorbierte die Aufprallenergie mit einer Rolle, nutzte den Schwung dazu auf die Füße zu kommen und rannte mit weiten Sätzen zu der Stelle, an der ihr heutiges fünftes Opfer mit seinem Bike am Boden lag.
Hoffentlich hatte sich der Kerl nicht das Genick gebrochen.
Mira bedurfte einiger Antworten auf Fragen, die sie sich zwar nicht gewünscht hatte, die aber trotzdem im Raum hingen.

Shikomo
Shikomo
© http://www.shikomo.de

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