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Leseprobe 1
Jetzt lag sie auf einer stinkenden Decke, die Lenny auf den Boden geworfen hatte. Der zur ersten Wache eingeteilte Tom schnarchte noch lauter als Rob und Lenny zusammen. Abgesehen von Rob, schienen die Männer von Mira kaum Notiz zu nehmen. Lediglich ihre von Gier und Hass sprühenden Blicke, die sie ihr vereinzelt zuwarfen, verrieten Mira, dass sie es vermutlich nur Robs Gegenwart zu verdanken hatte, wenn sie dessen Kumpane nicht auf der Stelle vergewaltigten und sobald sie keinen Spaß mehr daran hatten, umbrachten. Allerdings hätte sich Mira ohne Rob gar nicht in dieser Situation befunden, zumindest waren die knappen Wortwechsel der Männer, bevor sie die Wachen eingeteilt und sich schlafen gelegt hatten, durchaus aufschlussreich gewesen. So hatte Mira zum Beispiel erfahren, dass Rob der Kopf der Gruppe war und sie auf eine unbestimmte Anzahl Menschen in Miras Alter angesetzt worden waren, die offenbar ihrem Typ entsprachen. Bedeutete das, es gab mehr Menschen, die so wie sie unbedingt nach Utopia gelangen wollten? Waren diese Menschen ebenfalls wie sie, mit einer Art angeborenem Wissen über Kampfkünste ausgestattet? Das war kaum vorstellbar, aber Mira hatte deutlich gehört, wie Rob wiederholt bekräftigt hatte, dass sie alle Attribute der von ihren Auftraggebern gegebenen Beschreibung der Gesuchten erfüllte. Die Auftraggeber, auch daran bestand für Mira nach diesem Gespräch kein Zweifel, waren tatsächlich Leute aus Utopia. Mehr allerdings erfuhr sie an diesem Abend nicht über die Hintergründe ihrer Entführung. ![]() Wer auch immer die neuen Mitspieler waren, Mira verspürte kein Bedürfnis, diese unverhoffte Bekanntschaft zu vertiefen. Sie zählte fünf Scheinwerfer, dahinter ebenso viele vage Konturen menschlicher Körper. Bevor der Unbekannte weitersprach, sprintete Mira auf den nächsten Scheinwerfer zu, sprang nach drei Sätzen ab und hechtete über die Lichtquelle hinweg. Noch in der Luft stellte sie fest, dass der Scheinwerfer zu einem Motorrad gehörte, sie beschrieb eine Flugrolle und landete mit den Stiefeln voran am Brustkorb eines behelmten Burschen. Durch das Visier des Helmes erblickte Mira weit aufgerissene Augen, die Wucht des Aufpralls stieß die Gestalt nach hinten, mit einem Aufschrei schlug sie hart zu Boden, während Mira, von ihrem Schwung getragen, abrollte und geschmeidig auf die Füße sprang. Keine Ahnung, womit sie so viel Glück verdient hatte, aber wieder einmal war es da, wenn sie es bedurfte. Sie hatte den Mann zuvor mehr erahnt als gesehen, jetzt, nicht mehr von den Scheinwerfern geblendet, erfasste sie die Situation auf einen Blick. Das Motorrad entpuppte sich als Elektrobike, wahrscheinlich hatte sich die Gruppe deshalb unbemerkt dem Lagerplatz nähern können. Trotzdem mussten sie die Maschinen das letzte Stück geschoben haben aber das war im Augenblick nicht relevant. Miras Opfer drehte sich zur Seite, schnappte röchelnd nach Luft. Bevor ihm das gelang, packte Mira den Helm des Mannes mit beiden Händen und riss diesen mit einem kräftigen Ruck nach links. Der Körper erschlaffte und sackte zusammen. An seinem Gürtel war ein Holster befestigt, Mira riss die Waffe heraus, entsicherte und gab vier rasche Schüsse auf die anderen Motorräder ab. Einer der Scheinwerfer implodierte, Flüche ertönten. Rob, der sich bis zu diesem Augenblick nicht gerührt hatte, warf sich flach auf den Boden. Mira feuerte eine weitere Salve auf die Fremden ab, sprang in den Sattel des Elektrobikes, betätigte den Schalter, beugte sich über den Lenker und drehte auf. Die Maschine stob mit einem Satz vorwärts, jagte knapp an Rob vorbei, der es gerade noch schaffte, seine Beine wegzuziehen, dann brach Mira durch den Ring der Fremden. Die ganze Aktion hatte nicht länger als drei Sekunden gedauert, dennoch waren Mira die Uniformen nicht entgangen, welche die Männer trugen. Nicht, dass sie einen Bezug zu ihnen herstellen konnte, aber wenn der militärische Aufzug mit Rangabzeichen und einer Flagge auf den Schultern keine Uniform darstellte, dann saß sie jetzt auch nicht auf dieser beinahe lautlosen Maschine und floh in die Nacht hinaus. Apropos! Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihr zwei Lichter, die sie verfolgten. Mira hatte mit nichts anderem gerechnet und wie sie gehofft hatte, blieb ein Teil der Männer bei Rob. Sicher verfügten diese fremden Soldaten über Nachtsichtgeräte und bestimmt waren sie auch besser bewaffnet, als Mira. Dennoch traute sie sich zu, mit zwei Gegnern fertigzuwerden. Das Gelände wurde schroffer, Felsen thronten auf von Bäumen und dornigem Gestrüpp bewachsenen Hügeln. Mira verringerte die Geschwindigkeit, überprüfte das Magazin, das noch halb voll war, und hielt Ausschau nach einer geeigneten Stelle. Ein hausgroßer Felsblock auf einer Anhöhe in ungefähr hundert Meter Entfernung entsprach ihrer Vorstellung. Sie nahm Kurs darauf und beschleunigte. Drei Minuten später kauerte sie auf einem überhängenden Felsvorsprung, circa sieben Meter über dem Elektrobike, das sie an die Felswand gelehnt hatte. Bevor sie hinter dem Felsen aus den Blicken ihrer Verfolger verschwunden war, hatte sie sich vergewissert, von diesen auch gesehen zu werden. Hinter der Hügelkuppe hatte sie auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, war ein Stück geradeaus gefahren, hatte hinter einer Gruppe dichten Buschwerks gewendet und war in einem Bogen zum Felsen zurückgebrettert. Ihre Glücksträhne hielt noch immer an. Den erhöhten Felsvorsprung hatte sie an genau der Position entdeckt, der für ihren Plan nicht besser geeignet hätte sein können. Sicher war es vermessen, bei ihrer spontanen Aktion, von so etwas Durchdachtem wie einem Plan zu sprechen, was diesen aber nicht daran hinderte, wie am Schnürchen zu funktionieren. Allerdings hätte sich Mira auch keine Sekunde später auf dem Felsvorsprung in Stellung bringen dürfen, soeben erreichten ihre Verfolger die Kuppe des Hügels. Im fahlen Mondlicht, das sich gerade rechtzeitig durch die Wolken schob, war die gerade Linie, die Mira im sandigen Untergrund hinterlassen hatte, gut zu erkennen. Mira zielte auf den ersten Fahrer, die Entfernung betrug gute dreißig Meter, aber es war windstill und Mira vertraute ihren Fähigkeiten. Zielen, ausatmen, durchziehen. Der Knall des Schusses peitschte durch die Stille, der Mann sackte auf dem Bike zusammen, seitlich am Helm war plötzlich ein schwarzes Loch. Der zweite Verfolger reagierte augenblicklich, tief über den Lenker gebeugt, gab er Gas und raste den Hügel abwärts auf eine Baumgruppe zu, von der er sich offensichtlich Deckung versprach. Das hatte Mira erwartet, sie erwischte den Flüchtigen mit einem Schuss in den Rücken. Mann und Motorrad überschlugen sich wenigstens ein Dutzend Mal, bevor sie in sich verschlungen und umhüllt von aufgewirbeltem Staub zum Liegen kamen. Mira überwand die sieben Meter bis zum Boden mit einem Sprung, absorbierte die Aufprallenergie mit einer Rolle, nutzte den Schwung dazu auf die Füße zu kommen und rannte mit weiten Sätzen zu der Stelle, an der ihr heutiges fünftes Opfer mit seinem Bike am Boden lag. Hoffentlich hatte sich der Kerl nicht das Genick gebrochen. Mira bedurfte einiger Antworten auf Fragen, die sie sich zwar nicht gewünscht hatte, die aber trotzdem im Raum hingen. Weitere Leseproben
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