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Ich habe mich nie in eine Schablone pressen lassen

Interview mit Elli H. Radinger, geführt von Tanya Carpenter am 09. Jan. 2010.


Elli H. Radinger Elli H. Radinger
Die Wolfsexpertin Elli H. Radinger führt jedes Jahr viele Interessierte durch den Yellowstone Nationalpark, um dort Wölfe in Freiheit zu beobachten. Neben etlichen veröffentlichen Sachbüchern zum Thema Wolf oder Hund hält Elli Radinger auch Seminare und Vorträge.

Tanya Carpenter führte via E-Mail ein Interview mit der sympathischen Wolfsfrau aus Wetzlar.

T.C.: Vielen Dank, Elli, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst.

E.R.: Aber gerne, jederzeit!

T.C.: Was gibt es über Dich als Mensch zu sagen?

E.R.: Oh je. Wie fasst man fast 60 Jahre Leben zusammen? Ich habe ein ziemlich abenteuerliches Leben gehabt (mit kurzen „normalen“ Abschnitten und einem Jura-Studium) und bin sehr dankbar, dass ich meinen Traum leben darf und dafür im Leben nicht allzu viele Kompromisse eingehen musste.

T.C.: Was zeichnet Dich in Deinen Augen aus? Was würdest Du selbst als Deine Fehler oder Schwächen bezeichnen?

E.R.: Ich habe mich nie in eine Schablone pressen lassen und bin immer meinem Herzen gefolgt. Das kann sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche sein und kommt auf den Standpunkt an. Ich denke, ich bin offen für neue Dinge, tolerant anders Denkenden gegenüber und ich bin zur Empathie fähig. Meine Schwächen sind meine Ungeduld und manchmal zu hohe Erwartungen an mich und andere.

T.C.: Was kam bei Dir zuerst, die Bücher über Wölfe oder hautnahe Erfahrungen mit diesen faszinierenden Tieren?

E.R.: Ich schreibe, seit ich denken kann. Aber bevor ich Büchern veröffentlichte, hatte ich meine erste hautnahe Begegnung mit einem Gehege-Wolf. Die Begegnung mit wilden Wölfen kam kurze Zeit später.

T.C.: Wie kam es zu dieser Liebe zwischen Dir und den Wölfen?

E.R.: Ich bin mit Hunden aufgewachsen und habe nie an das Märchen vom Rotkäppchen geglaubt. Mich haben wilde Wölfe schon immer fasziniert. Nach meiner Scheidung nutzte ich dann die neu gewonnene Freiheit, um endlich diese Tiere näher kennenzulernen und machte ein Ethologie-Praktikum in einem Wolfsforschungsgehege. Dort hat mich der erste Wolf geküsst – und schon war es um mich geschehen.

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T.C.: Du bringst ja auch anderen Menschen die Wölfe in freier Wildbahn nahe, indem du sie zu deinen Reisen in den Yellowstone-Nationalpark mitnimmst, worüber du auch auf der eigenen Webpräsens yellowstone-wolf berichtest. Wie darf man sich diese Wolfs-Reisen vorstellen?

E.R.: Ich arbeite als freiwillige Helferin im Yellowstone-Wolfsprojekt mit. Das bedeutet, dass ich ein Mitglied des Wolfsteams bin. Immer im Winter, während der Paarungszeit, nehme ich maximal vier ausgesuchte Interessierte mit zu meinen Wolfsstudien. 10 Tage lang dürfen diese Wolfsbegeisterten dann mit mir „arbeiten“. Wir sind den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs und suchen die Wölfe. Als Mitarbeiterin habe ich ein Funkgerät und Kontakt zu den Biologen. So erfahre ich immer, wo die Wölfe sind. Dann können wir gezielt dorthin fahren und die Tiere beobachten. Ich habe eine sehr gute Ausrüstung (die Firma Zeiss sponsert meine Spektive und Ferngläser), die den Teilnehmern zur Verfügung steht. Da ich seit über 30 Jahren intensiv und mehrmals im Jahr in den Yellowstone-Park fahre und seit über 15 Jahren die Wölfe dort beobachte, gelte ich als die einzige deutsche Spezialistin für die Yellowstone-Wölfe. Von dieser Erfahrung profitieren natürlich meine Reiseteilnehmer.

T.C.: Neben den Wölfen ist auch das Schreiben als solches ein großes Thema in Deinem Leben. Über beides bietest Du auch Seminare und Dia-Vorträge an. Erzähl uns doch ein wenig davon.

E.R.: Zum Thema Wolf habe ich eine sehr große Live-Diashow über die Wölfe von Yellowstone und wie ihre Rückkehr das Ökosystem verändert hat. Mit spektakulären Bildern ist dies immer ein besonderes Erlebnis für die Zuschauer. Dann halte ich verschiedene Vorträge über Wölfe und mein Leben mit ihnen. Mein Schreibseminar „Wege zum eigenen Tierbuch“ richtet sich eher an Anfänger, die schon ein Buch im Kopf oder in der „Schublade“ haben, aber nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Als Herausgeberin des Wolf Magazins kenne ich auch die Seite des Verlages und kann so den Teilnehmern einige nützliche Tipps geben, wie sie einen Verlag finden, oder auch wie sie ihr eigenes Buch herstellen und vermarkten.

T.C.: Ein Buch was mich persönlich neben deinen Wolfsbüchern berührt hat, ist „Der Verlust eines Hundes“, in dem Du ja eine sehr persönliche Erfahrung verarbeitet hast. Magst Du uns dazu näheres erzählen?

E.R.: Als absehbar war, dass mein alter Hund bald sterben würde, habe ich mich sehr alleine gefühlt und in der Literatur Hilfe gesucht, wie ich damit umgehen sollte. Ich habe nichts gefunden und darum das Buch geschrieben, das ich damals gebraucht hätte. Dieses Buch ist übrigens gerade in zweiter Auflage bei der „edition tieger“ im Autorenhaus-Verlag erschienen. Eine erweiterte und völlig überarbeiteten Neuauflage erscheint im Frühjahr 2011 unter dem Titel „Der Verlust eines Tieres“ ebenfalls bei der edition tieger. Ich werde die Neuauflage auch auf andere Tiere erweitern, beispielsweise auf den Verlust von Pferden oder Nutztieren. Es hat mich betroffen gemacht, zu erfahren, dass zum Beispiel Bäuerinnen, die über den Abtransport ihrer Kühe trauern, überhaupt nicht ernst genommen werden und gar keinen Ansprechpartner haben.

T.C.: Dein neuestes Werk ist „Wölfisch für Hundehalter“, das Du gemeinsam mit Günther Bloch geschrieben hast. Worum geht es in dem Buch und wen soll es ansprechen?

E.R.: Günther und ich erforschen beide seit fast 20 Jahren das Verhalten wilder Wölfe und schreiben hierzu Bücher oder halten Seminare. Dort werden wir immer wieder von verunsicherten Hundehaltern angesprochen. Irgendwelche Hundetrainer haben ihnen erzählt, was sie mit ihrem Tier machen müssen, weil dies „wilde Wölfe auch so machen“. Diese Aussagen sind oft katastrophal und die Hundehalter haben zu Recht ein schlechtes Gefühl dabei. In unseren 20jährigen Freilandforschungen haben wir aus dem Verhalten wilder Wölfe viel gelernt, vor allem dass sich wilde Wölfe im sozialen Bereich ganz anders verhalten als Gehegewölfe, deren Studien auch heute immer noch als das ultimative „Wolfswissen“ zitiert werden. Wir wissen heute, dass es in frei lebenden Wolfsfamilien weder „den Alphawolf“ noch eine Dominanz von oben nach unten gibt. Wölfe leben in engen Familienverbänden und könnten uns in vielen Dingen als Beispiel dienen. Darum geht es im Buch „Wölfisch für Hundehalter“. Wir nehmen uns die einzelnen Klischees vor, sagen dem Leser, wie sich tatsächlich wilde Wölfe verhalten und geben Tipps, wie er diese Erkenntnisse bei der Erziehung seines Hundes anwenden kann. Zu jedem Kapitel erzählen wir dann auch eine Geschichten aus unseren Freilandstudien in Yellowstone und im Banff-Nationalpark.

T.C.: Vor einigen Jahren hast Du das Wolf Magazin als Herausgeberin ins Leben gerufen, das dreimal jährlich erscheint. Wie setzt sich dieses zusammen und wo kann man es erwerben?

E.R.: Das "Wolf Magazin" ist seit nunmehr 20 Jahren die einzige deutschsprachige Fachzeitschrift über Wölfe und andere wilde Kaniden. Bisher war es nur im Abonnement dreimal jährlich erhältlich. Seit 2010 aber erscheint es zwei Mal im Jahr als Buch bei der „edition tieger“, ist also dann also sowohl im Abonnement als auch im Buchhandel erhältlich. In jeder Ausgabe gibt es aktuelle Berichte über Wölfe, Kojoten, Füchse und andere Hundeartige. Wir haben meist ein Schwerpunktthema, das beispielsweise in der nächsten Ausgabe „Leben mit Wölfen“ ist. Aktuelle Nachrichten über Wölfe aus Deutschland und der Welt informieren die Leser. Buchbesprechungen zu Wolfs-, Natur- und Hundebüchern geben Lesetipps. Und spannende und interessante Kurzgeschichten sorgen dafür, dass sowohl der wissenschaftlich interessierte als auch der „normale Hundehalter“ gut unterhalten wird.

T.C.: Auch privat lebst Du ja mit einem „kleinen Wolf“ zusammen, nämlich deiner Hündin Shira. Was bedeutet für Dich ein Leben mit Hunden bzw. warum könntest Du nicht ohne sein?

E.R.: Es gibt ein wunderbares Buch, das ich als Antwort zu diesem Thema empfehlen möchte:
„111 Gründe, Hunde zu lieben“ von Hauke Brost (Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf). Jeder Hundehalter kann noch tausende Gründe dazu finden.

T.C.: Im Herbst 2010 soll im Mariposa-Verlag eine Wolfsanthologie unter Deiner Herausgabe erscheinen. Kannst Du uns schon ein wenig darüber berichten?

E.R.: Ich hatte in das Wolf Magazin eine Ausschreibung zum Thema Wolf gestellt und aus über 100 Einsendungen schließlich die besten 23 Geschichten und Gedichte von 20 wunderbaren Autoren ausgewählt. Was die Anthologie von anderen unterscheidet ist, dass ich als Wolfsexpertin besonderen Wert darauf gelegt habe, dass die Geschichten so weit wie möglich „wölfisch-politisch“ korrekt sind. Es wird hier also keinen Alphawolf geben, der kleine Kinder frisst. „Wölfen auf der Spur“ ist also eine sehr unterhaltende und kurzweilige Lektüre für jedes Alter.

T.C.: Welche Pläne hast Du für 2010? Was dürfen wir in der Zukunft von Dir erwarten?

E.R.: Ich werde versuchen, mein „zu-viele-Bücher-zu-wenig-Zeit-Syndrom“ in den Griff zu bekommen. Zwei Buchausgaben des Wolf Magazins, die Neuauflage vom „Verlust eines Tieres“, einige Magazin-Artikel, mehrere Seminare und Vorträge und natürlich drei längere Yellowstone-Aufenthalte lassen da nur noch wenig Zeit übrig.

T.C.: Könntest Du dir vorstellen, auch in der Belletristik zu schreiben? Und wenn ja, wo genau liegen dort deine Interessen?

E.R.: Nein, ich denke nicht. Ich bewundere immer alle Autoren, die es schaffen einen dicken Roman zu schreiben. Meine Stärke liegt eher im populären Sachbuch. Ich möchte fachliche Informationen auf unterhaltende und spannende Weise an den Leser bringen.

T.C.: Liest Du selbst ebenfalls gerne? Und wenn ja, was bevorzugt?

E.R.: Ja natürlich lese ich gerne. Ich lese meist mehrere Bücher gleichzeitig und vor allem Querbeet. Im Urlaub hab ich immer mal einen Dean Koontz in der Tasche, weil ich seinen Stil mag und mich zur Abwechslung auch mal gerne grusele. Auch John Crisham hab ich lange Zeit gerne gelesen. Als ehemalige Juristin kenne ich so viele seiner Handlungen aus der Realität. Ich mag sehr gerne die Tatsachenberichte von Jon Krakauer; „In die Wildnis“ hat mich an meine Zeit in Alaska erinnert. Wenn ich ein wenig Schreib-Inspiration brauche, lese ich Natalie Goldberg oder Anne Lamott. Überhaupt bevorzuge ich überwiegend englische Bücher im Original. Im Bereich Naturbuch sind meine Lieblingsautoren Henry D. Thoreau (Walden), Aldo Leopold, Edward Abbey und um einen Neuzeitautor zu nennen: Gary Ferguson.

T.C.: Hast Du irgendwelche Idole oder Vorbilder?

E.R.: Als Vorbild eindeutig Jesus Christus! Ein „Idol“ hat meiner Meinung nach eine zeitlich befristete Funktion – man braucht es für eine bestimmte Zeit im Leben. Entwickelt man sich weiter, ändern sich auch die Idole.
Für mich ist jeder ein Vorbild, der etwas zum Positiven verändert. Und außerdem jeder, der nicht perfekt ist, der stürzt, aber nicht liegen bleibt, sondern sich aufrappelt und wieder von vorn anfängt. Solche Menschen bewundere ich mehr als alle Möchtegern-Persönlichkeiten.

T.C.: Gibt es Menschen, die Dich bei Deinem schriftstellerischen Werdegang unterstützt haben? Freunde, Familie, Kollegen? In Deinen Anfängen und jetzt?

E.R.: Schriftstellerisch bin ich eine „Einzelkämpferin“. Niemand in meiner Familie hat verstanden, wie man den Beruf einer Rechtsanwältin an den Nagel hängen kann, um als arme Schriftstellerin zu leben. Manchmal hatte ich besondere Lehrer, die zur rechten Zeit das Richtige gesagt haben, um mich, wenn ich am Aufgeben war, bei der Stange beziehungsweise am Schreiben zu halten. Und es gab auch die, die mir die „vergeudete Zeit“ vorgehalten haben und mir klar machen wollten, dass das alles doch keinen Sinn mache. Ihnen bin ich besonders dankbar, weil ich dran geblieben bin, gerade um es ihnen zu zeigen. Man lebt als Schriftsteller in einem „normalen“ Freundeskreis ein ziemlich einsames Leben. Selten wird Schreiben auch als eine sehr zeitintensive Arbeit angesehen. Schön ist es dann, wenn man Kollegen findet, die diese Leidenschaft verstehen. Erst in letzter Zeit habe ich mir ein solches Netzwerk in Foren, auf Seminaren und bei Autorentreffen aufgebaut.

T.C.: Wie schaltest Du ab, bzw. tankst Du auf?

E.R.: Meine Hündin ist mein Entspannungsfaktor Nummer Eins: Lange Spaziergängen in möglichst einsamer Natur, Spielen und Kuscheln, gemeinsam auf der Couch liegen und ein schönes Buch lesen. Mehr brauche ich nicht.

T.C.: Vielen Dank für das geduldige Beantworten meiner Fragen.

E.R.: War mir ein Vergnügen. Danke!

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