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Meine Charaktere haben keinen "Waschzettel"Interview mit Olga A. Krouk, geführt von Tanya Carpenter am 23. Jan. 2010.Olga A. Krouk wurde 1981 in Russland geboren, studierte später in Berlin und Hamburg und lebt heute mit Mann und Sohn in Schleswig-Holstein. Aktuell ist ihr Roman Schattenseelen erschienen, dem im Juli Nachtseelen folgen soll. Tanya Carpenter führte via E-mail ein Interview mit der weit gereisten Autorin. T.C.:Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. O.K.: Ich freue mich über das Interesse! T.C.: Was gibt es über Dich als Mensch zu sagen? O.K.: Solche Fragen verunsichern mich immer, denn die Antworten klingen dann entweder übertrieben bescheiden, unwillkürlich reißerisch oder nichtssagend. Müssten es nicht eher die anderen sein, die mich als Mensch beurteilen sollten? Eins kann ich sagen: Meine Roman sind sicherlich interessanter und spannender als ich, auch wenn in meinem Leben durchaus ein paar aufregende Sachen und überraschende Wendungen ohne vorheriges Plotten passiert sind. ;) T.C.: Du bist in deinem Leben ja weit gereist. Wie kam es dazu und welchen Einfluss hatte dies auf deine Entwicklung auch als Autorin? O.K.: Als Kind musste ich mit meiner Familie oft umziehen, was nicht immer leicht für mich war. Eine neue Umgebung, neue Menschen man fing jedes Mal bei Null an. Doch vielleicht gerade deshalb habe ich keine Angst, einen Schlussstrich zu ziehen und einen Neubeginn zu wagen. Ich denke, durch diese Menge an Umzügen konnte ich viele Menschen und Lebensarten kennenlernen, die Unterschiede zwischen einer Groß- oder Kleinstadt sehen, und das ist schon eine große Bereicherung. Das hat meine Weltanschauung um einiges erweitert, was für eine Autorin sicherlich nicht hinderlich ist. T.C.: Wolltest Du immer schon Schriftstellerin werden oder war es eher eine Folge Deiner persönlichen Entwicklung? O.K.: Ich wollte schon immer schreiben und war von Anfang an sehr ehrgeizig, sprich, ich wollte veröffentlichen. Auch wenn die Ziele im Pubertätsalter nicht sonderlich realistisch waren. Denn es ist schon äußerst unwahrscheinlich, mit den geistigen Ergüssen einer Vierzehnjährigen Weltliteratur schreiben und in die Schulbücher eingehen zu wollen. Später habe ich verstanden, dass Schreiben kein Vergnügen ist, sondern eine harte Arbeit. Dass man viel lernen und viele Hindernisse überwinden muss, auch später, wenn man bereits veröffentlicht hat. Aber das konnte mich nie wirklich abschrecken. T.C.: Mit Staub zu Staub hattest du 2007 im Sieben-Verlag dein Romandebüt. Magst du uns einen kurzen Einblick in diesen Roman geben? O.K.: Es ist ein Mystery-Thriller mit fantastischen Elementen. Es geht um die Geheimnisse der Kabbala und der Bibel, um eine ominöse Glaubensgemeinschaft, die die Offenbarung Johannes auf ihre eigene Weise deutet und dadurch den Tod eines wundersamen Jungen bestrebt. Staub zu Staub ist ein Roman mit viel Action, einer komplizierten Liebesgeschichte, ein wenig humorvoll und stellenweise sehr blutig. Schon in diesem Roman war mir wichtig, Gut und Böse nicht in ihre Schubladen zu stecken, sondern alles zu vermischen, so dass der Leser selbst entscheiden kann, wem er glaubt oder nicht, wen er mag oder hasst. T.C.: Würdest Du sagen, dass Dir der Roman Wege geebnet hat? O.K.: Auf jeden Fall! Ohne diese Veröffentlichung wäre mein Start um einiges schwieriger gewesen. Zum einen habe ich dadurch sehr viel gelernt und mir erstmal bewiesen, dass ich einen Roman zu Ende schreiben kann. Zum anderen habe ich so meine Agentin gefunden, die das Buch gelesen und ihr Interesse an mir als Autorin bekundet hat. Nun werde ich von der Agentur Schmidt und Abrahams vertreten und muss sagen, besser hätte es für mich kaum kommen können. Ich fühle mich in der Agentur wohl und sehr gut betreut. T.C.: Welchen engeren Bezug hast du heute noch zu diesem Werk? O.K.: Inzwischen habe ich natürlich einen Abstand zum Roman gewonnen. Dennoch werde ich an Staub zu Staub immer hängen, vor allem, weil ich mich da zum ersten Mal ein wenig in den Helden verliebt habe. Er hat mich einfach fasziniert. Inzwischen schlägt mein untreues Autorenherz natürlich für einen anderen Protagonisten, aber die erste große Liebe vergisst man eben nicht so leicht. T.C.: Dein neuester Roman heißt Schattenseelen und ist aktuell bei Heyne erschienen. Was erwartet den Leser in diesem Roman? O.K.: Es ist ein düsterer und actionreicher Urban-Fantasy-Thriller mit einer Liebesgeschichte. Hier dürfen die Leser allerdings keine typische Romanze erwarten, denn die Beziehungen der Figuren sind sehr verwickelt. Evelyn wird aus ihrem Krankenschwesternalltag herausgerissen und erfährt von mystischen Wesen: Nachzehrern, den von Hexen Verfluchten; und Metamorphen, die an ihrer Seite ihr Seelentier haben, mit dem sie sich geistig verbinden können. Sie gerät nicht nur zwischen zwei Fronten, sondern auch zwischen zwei Männer. Wird sie ihre wahre Liebe finden? Tja. Das magische Band, das Evelyn und den Nachzehrer Adrián verbindet, oder der Duft, der den Metamorphen Kilian an Evelyn fesselt, stehen symbolisch für eine rein körperliche Zuneigung. Es ist, als würden sich zwei in einer Disco treffen, einander ganz nett finden und in der Kiste landen. Aber Sex beweist noch lange nicht das Vorhandensein von Gefühlen. Diese müssen sich zuerst entfalten. Mit anderen Worten: Kein Band und kein Duft können die ewige, wahre Liebe garantieren. Und ob Evelyn ihre Liebe findet das verrate ich an dieser Stelle nicht. T.C.: Wie bist Du auf die Geschichte gekommen? O.K.: Es fing alles mit einer Szene an: Eine Entführung, ein Sprung aus dem Fenster des 8. Stockes Ich habe es so klar vor Augen gesehen und war so ergriffen von diesem Bild, dass ich unbedingt eine Story drum herum weben wollte. Natürlich spukten mir zuerst Vampire und Gestaltwandler im Kopf, doch dann begriff ich, dass so eine Lösung für diesen Roman zu einfach ist. Ich habe die Suche nach anderen Wesen begonnen und habe es keine Sekunde bereut. Denn die Nachzehrer und Metamorphe geben der Geschichte meiner Meinung nach das gewisse Etwas und bereichern sie ungemein. T.C.: Im Juli soll der Roman Nachtseelen folgen. Schon die Titelwahl legt nahe, dass es sich um eine Serie oder Reihe handelt. Kannst du uns schon einen kurzen Einblick dahingehend geben? O.K.: Nachtseelen ist die Fortsetzung von Schattenseelen, auch wenn man den ersten Band als abgeschlossen betrachten könnte. Im 2. Teil übernehmen andere Figuren die Hauptrollen, die Fäden aus dem 1. Teil werden allerdings aufgegriffen und weitergesponnen. So erfährt man mehr über die Figuren, über die Gefahr, die der Welt droht und über andere Verwicklungen. Einen besonderen Reiz stellte für mich die Tatsache dar, dass durch die Verschiebung des Blickwinkels die Figuren und Situationen anders präsentiert werden. Dadurch erfährt man, dass nicht alle in Schattenseelen ehrlich waren. T.C.: Wie entwickelst Du Deine Charaktere? Und bist Du ihnen beim Schreiben sehr nah oder wahrst Du eher die Distanz? O.K.: Ich bin meinen Charakteren immer sehr nah. Vorher plane ich sie aber nicht, denn wenn ich mit aller Gewalt versuche, ihnen bestimmte Eigenschaften auf den Weg zu geben, wirken sie hölzern und unecht. Die Figuren entwickeln sich bei mir während des Schreibens, aus den Situationen heraus. Und natürlich zeigen sie nicht sofort ihre wahre Natur, ich wollte ihnen keine Waschzettel a la der gute Kerl, der böse Kerl verpassen. Ihre Entwicklung erleben sie während der gesamten Trilogie weiter. T.C.: Welche Charaktere deiner Romane stehen Dir besonders nahe? Und welche haben sich selbst für Dich überraschend entwickelt? O.K.: Überraschend fand ich Conrad. Anfangs wusste ich nicht, welche Rolle er im Ganzen spielt, ob er sich zum Bösen oder zum Guten wendet. Da hat er sich irgendwie selbst entschieden. Auch Finn war eine Überraschung anfangs nur als Statist geplant (ich wollte ihn kurzerhand im 1. Band töten, doch meine Autorenkollegin Brigitte Melzer hat mich überredet und ihm somit das Leben gerettet), ist er doch zur Hauptfigur des 2. Bandes gemausert. Ansonsten standen mir alle Figuren nahe, ich habe sie geliebt und gehasst, mich mit ihnen gefreut oder gelitten. Ich schreibe die Geschichten nicht, ich erlebe sie. T.C.: Hast Du eine fest strukturierte Methode, wie Du ein Projekt angehst? Oder gehst Du eher spontan und intuitiv an ein Werk heran? O.K.: Bevor ich zu schreiben anfange, plotte ich sehr intensiv. Zuerst kommt ein Figurendiagramm: Ich zeichne, welches Personal ich für den Roman brauche und in welcher Beziehung es zueinander steht. Dadurch bekomme ich schon ein Grundkonstrukt. Danach geht es an die Handlung und es entsteht ein Plot/Exposé. Schließlich gibt es einen Kapitelplan, der die Handlung genauer splittet und die Übergänge zwischen den Schwerpunkten der Geschichte aufzeigt. Obwohl ich sehr genau plane, gibt es während des Schreibens oft Wendungen, die mich überraschen. Dank dem Plan fällt mir dann die Entscheidung leichter, ob ich diese Wendung jetzt annehmen soll, oder ob sie mich zu weit ins Abseits führt. Ich sehe klarer, was sich dadurch verändert und auf welche Weise. Somit laufe ich nicht die Gefahr, mich zu verzetteln. T.C.: Schreibst Du gerne zu einer bestimmten Zeit? Lieber tagsüber, lieber abends/nachts? Wie sieht Dein Tagesablauf aus? O.K.: Ich schreibe immer, wenn mir das möglich ist. Ich kann nicht wählerisch sein, weil diese Zeit sehr begrenzt ist. Erst wenn mein kleiner Sohn schläft, habe ich die nötige Ruhe, um mich auf meine Romane zu konzentrieren. T.C.: Bevorzugst Du eine bestimmte Atmosphäre oder benötigst Du besondere Ruhe wenn Du schreibst? O.K.: Es muss ruhig sein keine Musik, kein Fernseher -, aber eine bestimmte Atmosphäre ist nicht notwendig. Am liebsten schreibe ich an meinem Tisch, aber wenn es nicht anders geht, dann wandere ich mit dem Laptop woanders hin. So habe ich Disziplin gelernt und meine Kreativität darauf trainiert, sofort anzuspringen, wenn ich den Text öffne. Auch wenn es natürlich trotzdem Tage gibt, an denen das Schreiben stockt und nicht fließen will. Da muss man einfach durch. T.C.: Schreibst Du an mehreren Projekten gleichzeitig oder trennst Du das strikt? O.K.: An mehreren Projekten gleichzeitig zu schreiben könnte ich mir gar nicht leisten, weil ich eben sehr wenig PC-Zeit zur Verfügung habe. Sie reicht im Moment gerade so für nur 2 Bücher im Jahr. Mehr ist einfach nicht drin. Ob ich an mehreren Projekten gleichzeitig schreiben kann, habe ich noch nicht ausprobieren können. Ich schätze, einfach ist das nicht. T.C.: Könntest Du dir vorstellen, auch in anderen Genres zu schreiben und wenn ja, in welchen? O.K.: Vorstellen könnte ich es mir schon. Als ich in meiner Anfangszeit Kurzgeschichten geschrieben habe, habe ich mich in vielen Genres ausgetobt, was mir durchaus Spaß gemacht hat. Bei so einem Fremd-Ausflug hängt alles von der Idee ab, ob sie mich genügend begeistern kann. Denn ich möchte nichts schreiben, wovon ich nicht 100% überzeugt bin. T.C.: Liest Du regelmäßig? Wenn ja, was bevorzugt? O.K.: Ich versuche regelmäßig zu lesen, aber mit einem Kleinkind ist das schwierig, denn es fordert immer mehr Aufmerksamkeit und kann überhaupt nicht leiden, wenn ich mich mit einem Buch hinsetze. Ein richtiges Abtauchen in einen Roman gibt es dementsprechend selten. Zum Glück rezensiere ich für die Zeitschrift Nautilus Abenteuer und Phantastik, da muss ich einfach immer wieder zu Büchern greifen. Wofür ich sehr dankbar bin. T.C.: Hast Du irgendwelche Idole oder Vorbilder? Generell oder als Autorin? O.K.: Ich habe keine Vorbilder, weder generell, noch als Autorin. Ich versuche immer, dazuzulernen und aus anderen Büchern etwas für mich mitzunehmen. Meinen Stil verbessern, meine Charakterzeichnungen oder den Spannungsaufbau. Aber ich finde, es bringt nichts, jemandem nachzueifern. Denn wer will schon einen zweiten Stephen King, wenn es das Original gibt? Da bleibe ich lieber die Original-Krouk. T.C.: Gibt es Menschen, die Dich bei Deinem schriftstellerischen Werdegang unterstützt haben? Freunde, Familie, Kollegen? In Deinen Anfängen und jetzt? O.K.: Meine Familie hat mich immer unterstützt. In Russland hat mein Vater meine Schreibversuche sehr ernst genommen. Das hat mich immer in meinem Wunsch zu schreiben bestärkt. Und nun ist mein Mann für mich da, der mir oft den Kleinen abnimmt, damit ich arbeiten kann. Ohne ihn würde ich meine Termine gar nicht schaffen. T.C.: Wäre es für Dich denkbar, mit einem anderen Autor gemeinsam an einem Roman zu schreiben? Und wenn ja, welche Voraussetzungen sollten da gegeben sein? O.K.: Nein, dazu bin ich zu einzelgängerisch. Während des Schreibens kommen mir oft unerwartete Ideen, wie ich den Plot verbessern könnte. Ich hätte vermutlich nicht die Geduld, meinen Partner jedes Mal überzeugen zu müssen. Was meins ist, muss einfach meins bleiben. Wobei ich natürlich sehr gerne mit anderen Kollegen brainstorme und auf die Anmerkungen meiner Testleser höre. T.C.: Wie wichtig ist Dir der Kontakt zu den Lesern? O.K.: Er ist natürlich sehr wichtig, denn auch daraus kann man sich immer weiter entwickeln. Auch ist es spannend, z. B. bei den Leserunden oder Lesungen mitzuverfolgen, wie der Text auf die anderen wirkt. Beides mache ich sehr gerne. Oft bringen mich die Rückmeldungen auf neue Ideen oder ich beschäftige mich noch intensiver mit dem Text, um herauszufinden, warum ich etwas so gemacht habe, wie ich es eben gemacht habe. T.C.: Du hat ja auch anfangs viele Kurzgeschichten geschrieben und warst in Anthologien vertreten. Ist das immer noch ein Thema für Dich? Und wenn ja, was muss eine Antho bieten, damit Du dafür schreiben willst? O.K.: Ich habe schon lange keine Kurzgeschichten geschrieben. Die letzten waren Kinderstorys für Unser Sandmännchen: 365 Gutenachtgeschichten (Lingen-Verlag) im Jahr 2008. Ich habe einfach nicht die Zeit, eine KG zu schreiben, die dann in einer Mini-Anthologie erscheint und nur von den Mit-Autoren und ihren Freunden/Bekannten gelesen wird. Denn auch in einen kurzen Text investiere ich sehr viel Energie und Herzblut. Was die Antho mir bieten muss: Einen seriösen Verlag, ein professionelles Lektorat, einen Herausgeber, dem das Projekt am Herzen liegt und der sich bemühen wird, das Buch publik zu machen Aber vor allem natürlich ein Thema, das mich begeistern kann und zu dem mir etwas einfällt. T.C.: Wie schaltest Du ab, bzw. tankst Du auf? O.K.: Spazierengehen mit dem Kleinen, Abtauchen in einem schönen Buch, manchmal sogar der Haushalt eben alles, was nicht mit dem Schreiben zu tun hat. Obwohl meine Romane mich in Gedanken auch dann beschäftigen, ganz frei bin ich von ihnen nie. Doch gerade so gelingt es mir oft, eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. Die besten Ideen fallen mir dann ein, wenn ich sie nicht erwarte und vor allem nicht erzwinge. T.C.: Noch eine abschließende Frage, die Deine Leser sicher brennend interessiert. Welche Pläne hast Du für die Zukunft? O.K.: Weiter schreiben und veröffentlichen. Im Moment arbeite ich an dem abschließenden Band der Trilogie, in dem ein geheimnisvoller Nachzehrer, der sich Erlöser nennt, die Massen gegen meine Protagonisten aufhetzt und sie immer weiter in die Ecke drängt. Ein Exposé für einen eigenständigen Roman liegt meiner Lektorin bereits vor, was daraus wird, bleibt abzuwarten. Ich hoffe natürlich, dass ich diese Geschichte schreiben darf, denn ich mag sie bereits jetzt schon sehr. T.C.: Vielen Dank für das geduldige Beantworten meiner Fragen. O.K.: Danke für die interessanten Fragen! [Zurück zur Übersicht] |
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