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Phantastik ist vielseitig und zeitlos, das Genre verändert sich ständig.

Interview mit Carsten Polzin, geführt von Alisha Bionda am 10. Jan. 2011.


Carsten Polzin Carsten Polzin
Alisha Bionda führte ein Interview mit CARSTEN POLZIN, der sich als Nachfolger von Friedel Wahren seit dem 1. Januar 2006 für die Fantasy-Programmplanung des PIPER-Verlag verantwortlich zeichnet.

A.B.: Lieber Carsten Polzin, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses ausführliche Interview via Mail nehmen. Es wäre sehr nett, wenn Sie zu Anfang etwas über sich verraten würden. Wenn Sie sich mit fünf Worten beschreiben sollten, welche wären das?
C.P.: Ich bin kein Serienkiller. Ehrlich.

A.B.: Was ist Ihnen im Umgang mit Menschen wichtig – auf beiden Seiten?
C.P.: Mit jedem Menschen die geeignete und angemessene Form der Kommunikation zu finden.

A.B.: Wie war Ihr beruflicher Werdegang. Wie sind Sie schlussendlich zu PIPER gekommen – auf Ihrem Weg über die Schweiz und Kambodscha?
C.P.: Das Interesse an diesem Beruf entwickelte sich bereits während des Jurastudiums. Weil mich Fantasy- und Science-Fiction-Literatur seit jeher begeisterte, arbeitete ich neben dem Studium als freier Mitarbeiter für mehrere Verlage. Das bot nicht nur eine willkommene Abwechslung zu Kommunalverfassungsstreitigkeiten und Sicherungsabtretungen, sondern es machte auch viel Spaß, sich „beruflich“ mit einem Bereich zu beschäftigen, der einen als Leser begeistert. Ich machte dann noch einige Praktika in Verlagen und Agenturen und hatte einen Nebenjob in einer Buchhandlung. Ins Lektorat zu gehen, kristallisierte sich bald als Ziel heraus und ich ergriff die Chance, als mir ein Job bei Piper angeboten wurde. Zu der Zeit lebte ich in der Schweiz und war gerade für einige Monate als Rechtsreferendar bei der Deutschen Botschaft in Phnom Penh „stationiert“. Nach meiner Rückkehr machte ich mein zweites Staatsexamen und stieg im April 2004 bei Piper ein. Da Rechtskenntnisse im Verlagsbereich äußerst hilfreich sind, haben beide Wege gut zusammengeführt.

A.B.: Was beinhaltet Ihre Arbeit alles? Was hat sich der Leser darunter vorzustellen?
C.P.: Im Lektorat begleitet man einen Roman von seinem Entstehen, oftmals von der Idee an, bis zur Veröffentlichung und darüber hinaus durch alle Stadien. Vertragsverhandlungen gehören ebenso dazu wie Coverbriefings, das Verfassen von Texten und Finden des hoffentlich zündenden Titels bis zur Arbeit am Manuskript. Als Lektor fungiert man außerdem als Schaltstelle und Bindeglied zwischen den Autoren und den einzelnen Abteilungen im Haus, wie Presse, Marketing und Verkauf. Viele Fäden laufen im Lektorat zusammen. Im Alltag bedeutet das also vor allem viel Verwaltungsarbeit, Emails, Telefonate und Konferenzen. Aber natürlich gibt es auch die Momente, in denen man bei einem Kaffee oder Wein (denn meistens liest man abends) über dem nächsten großen Fantasy-Roman sitzt und sich darauf freut, dass er bald das Licht der Öffentlichkeit erblicken und die Leserinnen und Leser hoffentlich begeistern wird.

A.B.: Wie intensiv ist Ihr Kontakt mit den Autoren?
C.P.: Grundsätzlich ist mir ein intensiver Kontakt mit Autoren sehr wichtig, denn nur eine solche Zusammenarbeit führt zu Vertrauen, zu guten Ideen und den richtigen Strategien. Die deutschen Autoren trifft man naturgemäß häufiger, aber auch mit vielen internationalen Autoren ist der Austausch rege, sei es über das konkrete Manuskript, zu neuen Projekten oder auch zu privaten Dingen. Da entstehen über die Jahre Freundschaften.
A.B.: Was liest der private Carsten Polzin? Bevorzugen Sie ein bestimmtes Genre, oder lesen Sie querbeet? Wer zählt zu Ihren bevorzugten Autoren?
C.P.: Ich habe schon immer Fantasy, Science Fiction und Horror gelesen, und das tue ich heute noch, auch in der Freizeit. Aber daneben stehen allerlei andere Bücher im Regal, Lee Child, Paul Auster und Karl-Heinz Ott neben Graphic Novels von Adrian Tomine und einem Haufen Sachbüchern. Zum Spaß zu lesen, ist ja für Verlagsmitarbeiter der reinste Luxus. Völlig befreit von seinen Gewohnheiten ist man allerdings nicht, immer wieder ertappt man sich dabei, zu analysieren, warum in einem Roman diese Szene so gut funktioniert oder jener Protagonist anders hätte gezeichnet werden sollen, ob das Cover taugt und der Umschlagtext passt.

A.B.: PIPER bietet ein umfangreiches Phantastikprogramm (Fantasy, Düstere Phantastik...) an. Was können die Leser da in Zukunft erwarten? Plaudern Sie doch bitte mal ein wenig aus dem Nähkästchen.
C.P.: 2011 kommen einige Highlights auf die Fantasy-Fans zu: Wolfgang Hohlbein hat mit „Infinity“ einen der außergewöhnlichsten Romane seines Schaffens geschrieben, basierend auf einer Idee, die ihn über zwanzig Jahre nicht losgelassen hat und die er jetzt endlich umgesetzt hat. Ein Roman, der die Grenzen zwischen Fantasy, Science Fiction und Abenteuer sprengt. Dann freue ich mich besonders auf „Das Wörterbuch des Viktor Vau“ von Gerd Ruebenstrunk – ein moderner, verzwickter und hochspannender Phantastik-Thriller um die Macht der Worte und der Bücher. Für alle Fans russischer Fantasy schließt Alexey Pehov mit „Schattentänzer“ seine „Chroniken von Siala“ ab. Die Romance-Fans bekommen mit „Dragon Touch“ endlich Nachschub der Drachenwandler-Reihe von G.A. Aiken. Und mit Thomas Elbel und seinem Dark-Future-Roman „Asylon“ haben wir einen hervorragenden neuen Autor im Programm, der über die letzte Stadt in einer zerstörten Welt schreibt – ein Leckerbissen für alle Leser von „Metro 2033“.

A.B.: Welche Phantastik-Autoren sind bei PIPER die meist verkauften – über Markus Heitz hinaus.
C.P.: Erfreulicherweise sind viele deutschsprachige Autoren erfolgreich: Wolfgang Hohlbein, Michael Peinkofer, Tobias O. Meißner und Ralf Isau. Und Richard Schwartz, dessen Fangemeinde von Buch zu Buch wächst und der – so bin ich sicher – kurz vor seinem ganz großen Durchbruch steht. Von den aktuell angesagten ausländischen Autoren seien exemplarisch nur Alexey Pehov, Dan Wells und G.A. Aiken genannt – daneben natürlich „Klassiker“ wie Robert Jordan, Terry Pratchett und Ursula K. Le Guin, die nach wie vor eine große Fangemeinde haben.

A.B.: Haben Autoren, die bisher noch nicht mit PIPER zusammengearbeitet haben, eine Chance Aufnahme zu finden? Oder arbeitet der Verlag bevorzugt mit einem festen Autorenstamm zusammen?
C.P.: Wir sind immer auf der Suche nach neuen, vielversprechenden Autoren, und wir lesen auch alle Einsendungen. Man sollte sich aber nichts vormachen: Es ist sehr schwierig, alle Hürden zu nehmen, die die Gesetze der Buchbranche zwischen das Schreiben eines Romans und dessen Veröffentlichung gesetzt haben. Aber ein guter Text schafft das.

A.B.: Was man im PIPER-Verlag (bis auf sehr wenige Ausnahmen – sprich z.B. die von Ihnen herausgegebenen) vermisst, sind schöne (optisch mit ansprechenden Innenillustrationen versehene) Anthologien (eventuell in Richtung Sammlerausgaben). Ist es geplant künftig mehr Kurzgeschichtensammlungen in das Programm aufzunehmen? Denn gerade diese bieten den Lesern ja u.a. die Möglichkeit für sie unbekannte Autoren „anzutesten“ und auch Lesekost für Zwischendurch zu erhalten. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit ist das ja ein wichtiger Aspekt. Auch der Erhalt dieser Literaturgattung, die zu Unrecht ein Schattendasein führt. Da sind ja grade Großverlage gefordert.
C.P.: Es ist leider schwierig mit Anthologien. Kaum ein größerer Verlag wagt sich da heran, da die Grundübereinkunft besteht, dass sich Anthologien nur in Ausnahmefällen gut verkaufen lassen. Was zutrifft. Nicht jeder Leser mag Kurzgeschichten und ihre besonderen Gesetze, zudem ist nicht jeder Roman-Autor der geborene Kurzgeschichten-Könner. Dabei ist es in der Tat so, dass Erzählungssammlungen neuen Talenten die Chance bietet, ein breites Publikum zu erreichen. Kleine Verlage, die gerade im Phantastischen einen guten und sehr wichtigen Beitrag zur Vielfalt des Genres leisten und deren Arbeit unbedingt unterstützenswert ist, verfügen leider meist nicht über die Möglichkeit, ihre Bücher auch angemessen zu vertreiben. Das gilt übrigens nicht nur für den deutschen Markt: In den USA, wo Anthologien traditionell besonders geschätzt wurden, werden zwar Monat für Monat, gerade im phantastischen Genre, noch unzählige Sammlungen auf den Markt geworfen. Aber sonderlich große Erfolge feiert auch dort niemand damit.

A.B.: Ich sprach es eben schon an, Sie haben in den letzten Jahren zu Weihnachten je eine Anthologie herausgegeben. Was positiv ins Auge sticht auf Großverlagsebene. Was hat Sie daran gereizt? Und dürfen sich die Leser 2010 auch wieder auf eine dieser „Das Fest der...“-Anthologien freuen?
C.P.: Das Spannende an Kurzgeschichten ist ja, in kurzer Zeit in ganz verschiedene Welten zu tauchen. Etablierten Schriftstellern kann man neue Aspekte abgewinnen und ihre unbekannten Seiten kennenlernen. Da entpuppt sich der humorvolle Phantast als düsterer Visionär oder die Jugendbuchautorin als träumerische Mystikerin. Und neue Autoren, die gerade ihren ersten Roman veröffentlicht haben, bekommen eine Stimme. Wir haben drei Anthologien mit phantastischen Storys im weihnachtlichen/winterlichen Setting gemacht, und es waren viele tolle Geschichten dabei, aber irgendwann ist jedes Thema ausgereizt. Daher hatten die Elfen, Zwerge und Orks im letzten Jahr Pause und konnten in Ruhe Weihnachten feiern. Verraten kann ich aber, dass es auch in diesem Bereich weitergeht.

A.B.: Wie geht die Programmplanung des Phantastikbereiches vor sich? Und wer fällt letztlich die Entscheidung, über die Aufnahme neuer Titel/Autoren?
C.P.: Als Programmleiter ist man für die Zusammensetzung seines Programms verantwortlich, und so obliegt einem auch die Auswahl der Titel, die erscheinen sollen. Das heißt aber nicht, dass man mit seinen Büchern einsam und allein durch die Verlagsflure wandelt. Wie jeder Programmbereich entscheiden auch wir über neue Projekte im Rahmen unserer Verlagskonferenzen, während der die Titel mit der Geschäftsleitung, den Abteilungen Presse, Marketing und Verkauf besprochen werden. Das ist oft Formsache, aber auch Gelegenheit zur Diskussion und gemeinsamen Strategieentwicklung. In einem schwierigen Markt, der sich immer stärker auf Spitzentitel konzentriert und der allzu oft Gleichförmigkeit fordert statt Vielfalt, wollen und müssen alle Abteilungen eines Verlags an einem Strang ziehen, um einen Roman nach vorne zu bringen.

A.B.: Wie „mutig“ ist der Verlag auch im Verlegen von Ausnahmeautoren, die zwar qualitativ hochwertig schreiben, durch ihren Stil aber unangepasst sind, sprich „Perlen der Phantastik“ jenseits des Mainstream sind/wären.
Ich denke da zum Beispiel an Autoren wie Marc-Alastor E.-E., der einen Stil Richtung Hermann Hesse besitzt und gerade deswegen düstere Phantastik in Perfektion zu schreiben vermag, da gerade sein Sprachbild ein besonders atmosphärisches Szenario vor dem geistigen Auge des Lesers lebendig werden lässt. Ein solcher Autor wäre zwar eine Ausnahmeerscheinung, böte aber düstere Phantastik auf dem Niveau mancher Klassiker. Hat ein solcher Autor eine Chance bei PIPER?

C.P.: Ausgefallenes hat natürlich einen Platz bei uns, denn oft sind es die ungewöhnlichen Stoffe, die erfrischende Akzente setzen und das Genre weiterentwickeln, wie Jonathan Barnes’ „Das Albtraumreich des Edward Moon“ oder Nick Harkaways „Die gelöschte Welt“. Nur anders als der Rest sein zu wollen, reicht aber nicht, die Qualität muss stimmen. Es hängt eben immer vom Stoff ab.

A.B.: Ich selbst habe ja einige Jahre eine Vampirserie (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik) bestritten, die ich ab 2011 fortführe, und bei anderen Verlagen (z.B. Heyne, Knaur oder Lyx) sind Vampirserien oder – reihen im Moment sehr angesagt und finden ein reges Interesse in der Leserschaft. Speziell das Vampirthema bietet ja in der Umsetzung viele Möglichkeiten und wohl zu jeder Zeit seine Leser. Trägt sich PIPER auch mit dem Gedanken, solche Serien und /oder Reihen anzubieten?
C.P.: Wir haben das Vampir-Thema ja in diversen Varianten im Programm, sei es Karen Chances Romance-Fantasy um „Cassie Palmer“, Wolfgang Hohlbeins Thriller „Unheil“ oder auf der Horrorseite David Wellingtons „Der letzte Vampir“. Vampire gab und wird es immer in der phantastischen Literatur geben, vielleicht werden sie nicht noch weitere dreißig Jahre auf die High School gehen, sondern sich auf ihre eigentlichen Stärken besinnen. Aber verschwinden werden sie nicht. Wäre auch schade.

A.B.: Noch etwas Generelles zur Phantastik. Was macht in Ihren Augen die besondere Faszination dieses Genres aus? Wo sehen Sie auch in der Zukunft noch ungenutztes Potential?
C.P.: Phantastik ist vielseitig und zeitlos, das Genre verändert sich ständig. Wir sind als Fans in einer komfortablen Situation: Ob uns der Sinn nach Spannung, Grusel, Historie, Romantik oder Humor steht – wir müssen uns eigentlich nicht aus dem Genre herausbewegen, denn alle Spielarten der Literatur finden wir in Fantasy und Science Fiction wieder. Dieses Privileg, das uns Lesern zukommt, können wir gar nicht hoch genug einschätzen. Potential besteht definitiv noch in der Vermarktung – im Bewusstsein vieler Buchhändler und Leser führt Fantasy trotz aller Erfolge nach wie vor ein Nischendasein. Das müssen wir ändern.

A.B.: Und noch die abschließende Frage: Derzeit werden Crossover-Projekte immer gefragter. Wo eine nicht so starke Genre-Abgrenzung überschritten bzw. eine gewollte Überschneidung umgesetzt wird. Eine sehr reizvolle Entwicklung, wie ich finde, da sie neue Möglichkeiten eröffnet. Wird es solche Projekte künftig bei PIPER auch geben?
C.P.: Aber definitiv!

A.B.: Vielen Dank, für das ausführliche Beantworten aller Fragen – und weiterhin viel Erfolg mit dem Piper-Fantasy-Programm!


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