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Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben.Interview mit Wolfram Fleischhauer, geführt von Florian Hilleberg am 01. Jan. 2012.Aufgenommen am 24. November 2011, in der Buchhandlung Deuerlich in Göttingen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen, beziehungsweise wann haben Sie das erste Mal ihre Leidenschaft für die Schriftstellerei entdeckt? Schon sehr früh, aber ich hatte nie den passenden Stoff oder das Thema für ein Buch und habe deshalb jahrelang studiert. Was man halt so macht, wenn man eigentlich schreiben will, aber keine Story hat. Der Auslöser war dann dieses Gemälde in Paris von Gabrielle d´Estrées und einer ihrer Schwestern, das ich 1986 gesehen habe. Ursprünglich wollte ich eigentlich nur herausfinden, was dieses Gemälde bedeutet. Ich dachte, das wird im Katalog erklärt sein, was aber nicht der Fall war. Je länger ich über dieses Bild nachgeforscht habe, desto rätselhafter wurde das alles. Schließlich wuchs sich das alles zu einer jahrelangen Recherche aus, die letztendlich Gegenstand des Romans wurde. Das Buch hat sich dann quasi, parallel zur Recherche, selbst geschrieben. Gleichzeitig war es aber auch so eine Art Schreibschule. Da ich ja nicht wusste, wie man einen Roman schreibt habe ich immer wieder versucht die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen. Am Schluss habe ich alle Blickwinkel zusammengenommen und dann wurde dieses Buch daraus. Die Ratlosigkeit angesichts der Stofffülle wurde letztendlich das Thema. Wie auch die Erzähltechnik, denn es gibt in dem Buch sehr viele Textsorten. Da sind Briefe drin, Tagebuchauszüge, sowie auktorial erzählte Kapitel. Ich habe sozusagen aus der Not eine Tugend gemacht, und so mein erstes Buch geschrieben: Die Purpurlinie. Wie ist der Kontakt zum Verlag zustande gekommen? Als ich das Buch fertig hatte, habe ich erst gar nicht an Verlage geschrieben, weil das sinnlos ist. Das ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Buch dort Aufmerksamkeit erregt. Ich habe es mehreren Agenturen geschickt, die teilweise reagiert haben. Und dann habe ich schließlich den Agenten genommen, der am nettesten geantwortet hat, beziehungsweise bei dem ich der Ansicht war, dass es ihn am meisten begeistert hat. Man verkauft ja am besten mit Begeisterung. Und er hat das Buch damals ja schnell bei Weitbrecht platziert, wo es für einen Erstling auch ganz passabel lief. Der damalige Lektor bei Weitbrecht hat sich danach als Agent selbständig gemacht und mich dann quasi mitgenommen. Ihre Themen sind für den konventionellen Unterhaltungsroman nicht immer leichte Kost. Woher nehmen Sie ihre Ideen? Diese Ideen fallen mir ein, weil ich halt bin, wer ich bin. Mir fällt eben das ein, was mich interessiert. Mich interessieren zum einen geisteswissenschaftliche Themen, zum anderen aber auch Kunst und Geschichte. Ich hab nach dem dritten oder vierten Buch mal versucht selber herauszufinden, warum mir gerade solche Geschichten einfallen. Ich habe festgestellt, dass ich immer wieder Hauptfiguren schaffe, die eine Ausdrucksnot haben. Ich glaube Kunst ist eine Sprache für das Unaussprechliche. Es gibt ja diesen Satz von Ludwig Wittgenstein „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“. Und das fand ich schon an der Uni immer unbefriedigend, und deshalb habe ich das Motto: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben.“ Geschichten erzählen ist einfach eine Ausdrucksform darüber hinaus, wo alles andere versagt. Das meiste kommt ja aus der Kunst. Ich glaube, viele Künstler lassen sich von der Kunst inspirieren. Also von anderen Büchern, von Malerei oder auch Tanz. Darüber habe ich ja vier Bücher geschrieben, die alle mehr oder weniger von der Kunst inspiriert sind. Das ist schon eine Konstante bei mir. Nun ist „Torso“ ja ein recht vielschichtiger Roman. Es geht um Politik, um Wirtschaft, um Kunst und nicht zuletzt um Polizeiarbeit. Beworben wird er aber als ihr erster literarischer Thriller. Ist das vom Verlag so gewollt? Das ist im wesentlichen eine Frage des Buchhandels. Das Buch muss schließlich irgendwo platziert werden und der Kunde sucht ja meistens nach bestimmten Richtungen oder Genres. Wenn man da zu vage bleibt, läuft man Gefahr, dass einen keiner findet. Es gibt immer eine Tendenz dazu, die Bücher in irgendein Genre hineinzupressen. Bei mir wurde es am Anfang mit „Historischem Roman“ versucht. Natürlich waren die Themen historisch, aber es waren eben keine historischen Romane im landläufigen Sinn. Und das Genre ist ja eigentlich auch nicht so toll, weil es sich meistens doch eher um historisierende Gegenwartsromane handelt. Beispielsweise irgendeine Liebesgeschichte mit Kostümen. Wenn jemand also einen historischen Roman sucht und meine Bücher liest, wird er sicherlich enttäuscht sein. Und diejenigen, die meine Romane lesen würden, tun dies nicht, weil sie keine historischen Romane lesen wollen. Mit dem Tango-Roman war ich in der Gegenwart geblieben und der war witzigerweise der erfolgreichste meiner Titel. Ich schreibe eigentlich auch keine Thriller oder Krimis, sondern einfach Romane. Aber auf den Tisch der Literatur passen meine Werke auch nicht hin, weil sie dafür zu unterhaltend sind. Meine Bücher passen eigentlich nur auf den Fiction-Stapel. Am besten sollte ich gleich auf Englisch schreiben (lacht). Das ist eben mein Drama. Wird es weitere Thriller aus der Feder von Wolfram Fleischhauer geben? Es wird sicherlich keinen Roman mehr mit irgendwelchen Kommissaren von mir geben, weil mir das einfach zu öde ist. Das gibt es schon zur Genüge, und einen Ermittler zu haben, der aus beruflichen Gründen seinen Job erledigt ist unbefriedigend als Motivation. Da muss man quasi eine ganze Welt dazu erfinden, damit er überhaupt ein wenig Tiefe bekommt. Bei den erfolgreichen Kommissaren geht es ja meistens gar nicht um den Fall. Da geht es um ihre Ehe, um ihre Beziehungsprobleme oder Schicksalsschläge. Mein nächster Roman handelt vom deutschen Wald, im weitesten Sinne. Da wird auch kein Kommissar auftreten, zumindest nicht in der Hauptrolle. Können Sie dazu schon genauere Angaben machen? Geht es in dem Roman um Forstwirtschaft oder dergleichen? Die Hauptfigur ist tatsächlich angehende Forstwirtin, die in einem bestimmten Gebiet in Deutschland ihr Referendariat macht. Dabei widerfährt ihr etwas, was ihr Leben total auf den Kopf stellt. Das hat alles eine lange Vorgeschichte und wenn ich eine Hauptfigur habe die Forstwirtin ist, muss ich ja erst einmal diese Welt erkunden und in Erfahrung bringen wie so jemand lebt. Ihre Recherchen erscheinen laut ihrer Biografie ziemlich aufwendig. Wie gehen Sie dabei vor? Das ist zunächst mal eine Mischung aus Planen und Zufall. Man plant gewisse Begegnungen und Archivbesuche. Dann gibt es zum einen die Personenrecherche, dass heißt man muss sich die Lebenswelt der Figuren vor Augen halten. Natürlich stellt man sich auch die Kausalitätsfrage, ist das überhaupt möglich? Manchmal muss man die Recherche auch zweimal machen. „Die Schule der Lügen“ sollte ursprünglich in den 80er Jahren spielen. Da war ich dann eben in Poona, und als ich zurück kam, habe ich das Exposee geschrieben. Das hat jedoch nirgends so richtig Interesse geweckt. Dann kam die Idee, dass ich die Handlung in die 20er Jahre verlege. Dabei habe ich schnell festgestellt, dass diese Zeit viel interessanter ist. Dadurch haben sich aber auch Schauplätze verschoben und ich musste dann nach Madras, an die andere Ecke von Indien. Ich hatte keine Lust nochmal dahin zu fahren. Ich fand Indien nicht so berauschend als Reiseland. Für die Recherche an „Torso“ haben Sie erwähnt, dass Sie sich an die Autorenberatungsstelle der Polizei gewandt haben. Ist diese in Berlin einzigartig? Das weiß ich nicht. Ich kann mir denken, dass es so etwas auch in München gibt. In den kleineren Städten sicherlich nicht. Aber ich glaube schon, dass da, wo beispielsweise die „Tatorte“ spielen, es zuständige Stellen gibt, an die sich die Leute dort wenden können. Wie sieht ein Arbeitstag im Leben von Wolfram Fleischhauer aus? Ich bringe meine Kinder in die Schule, fahre ins Büro, schalte meinen Computer an und lese mir zunächst was vom Vortag durch. Ich weiß ungefähr was ich am Tag schaffen muss, also was die Figur heute erleben oder machen muss, und dann fange ich an. Ich schreibe durchschnittlich drei Seiten pro Tag, dass kann zwei Stunden dauern, aber auch zehn. Welche Schriftsteller oder Romane bevorzugen Sie privat? Wenn ich was schreibe lese ich natürlich andere Bücher, die ähnlich sind. Einfach, um zu sehen wie die das machen. Das ändert sich im Laufe der Jahre kolossal. Also für die Arbeit lese ich hauptsächlich Sachbücher. Es gibt ein paar Bücher von Eco, die ich ganz toll finde. Ich lese eigentlich gerne Sachen, die irgendwie real sind, und einen Bezug zu zeitgenössischen oder älteren politisch-geschichtlichen Verwicklungen haben. Und über Figuren, die einfach „bigger than life“ sind. Mit unglaublichen Brüchen und Entwicklungen. So wie ich es auch mit meinen Figuren anstrebe. Ich versuche immer etwas Neues zu machen. Ich schreibe ja nicht um Geld zu verdienen, sondern Bücher, die ich selber gerne lesen würde. Ein ganz wichtiges Buch für mich war „Der Magus“ von John Fowles. Was ist dem Menschen Wolfram Fleischhauer wichtig? Wichtig für mich ist einfach Neugier. Oder Wachheit. Es gibt diesen tollen Satz von Walter Benjamin „Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele“. Ich glaube, das ist meine Droge. Niemals erstarren in irgendwelchen Ansichten, sondern offen und wach sein. Vielen Dank für das Interview Gern geschehen. [Zurück zur Übersicht] |
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