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In meinen Romanen wird Sherlock Holmes niemals ein seniler Schwachkopf sein

Interview mit Wolfgang Schüler, geführt von Florian Hilleberg am 25. Sep. 2012.


Dieses Interview ist Teil der Kolumne:

KBV
P. Merkel
27 Beiträge / 1 Interview vorhanden
Wolfgang Schüler Wolfgang Schüler
Lieber Herr Schüler, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen.

Sie haben als Rechtsanwalt und Journalist gearbeitet, ja, waren sogar zehn Jahre lang Bürgermeister. Was hat Sie zur Schriftstellerei gebracht, beziehungsweise daran so sehr fasziniert?


Ich komme aus einem Elternhaus, in dem die Literatur zum Alltag gehörte. Bereits seit frühester Jugend habe ich viel gelesen. Aus der Liebe zu den Büchern ist mein Berufswunsch entstanden: Ich wollte Schriftsteller werden. Zum Glück hatte ich eine Begabung dafür. Im Deutschunterricht musste ich häufig meine Aufsätze vorlesen. Eine ehemalige Mitschülerin hat mir nach 40 Jahren bei einem Klassentreffen gesagt, dass diese Momente für sie die Höhepunkte im Schulalltag gewesen wären. Sie konnte sich sogar noch an ein Aufsatzthema von damals erinnern!
Das Ziel, Schriftsteller zu werden, habe ich seit der Oberschulzeit eisern verfolgt, allen Widrigkeiten und Rückschlägen zum Trotz.



Wie ist der Kontakt mit dem KBV-Verlag zustande gekommen?

Im Jahr 2009 ist eine Kriminalgeschichte von mir in einem KBV-Sammelband mit Kurzkrimis aus Ostwestfalen-Lippe erschienen. Seitdem gehöre ich mit zum festen Autorenstamm vom KBV-Verlag.


Bevor Sie für den KBV-Verlag Sherlock Holmes-Romane schrieben haben Sie bereits eine Edgar-Wallace-Biografie und das Handbuch zur Kriminalliteratur „Im Banne des Grauens“ veröffentlicht. Mittlerweile ist „Das Gesicht des Täters – Authentische Kriminalfälle“ erschienen. Woher rührt Ihr Interesse an Krimis?

Krimis haben mich schon immer begeistert. Außerdem liegt mir dieses Genre. Die ersten Geschichten, die von mir veröffentlicht wurden, waren Kriminalerzählungen.


http://www.kbv-verlag.de/ © http://www.kbv-verlag.de/
Sherlock Holmes, der berühmteste Detektiv der Welt, feiert dieses Jahr sein 125jähriges Jubiläum. Wie kam es dazu, dass Sie ausgerechnet einen Sherlock Holmes-Roman schrieben?

Während der Leipziger Buchmesse vor drei Jahren traf ich zufällig Ralf Kramp, den Verlagsleiter vom KBV-Verlag. Er hat mir von seinem neuen Projekt berichtet, der Sherlock-Holmes-Reihe. Ich erzählte ihm, dass Arthur Conan Doyle nach wie vor zu meinen Lieblingsautoren gehört, und wir erörterten einige spezifische Fachfragen. Als Ralf Kramp merkte, dass ich fest im Stoff stehe, hat er mich spontan gefragt, ob ich mich an der Reihe beteiligen möchte. Ich sagte ebenso spontan zu. Einige Wochen später habe ich das Exposé abgeliefert. Auf diese Weise kam der Vertrag zu „Sherlock Holmes in Leipzig“ zu Stande.


Was ist Ihnen persönlich an einer Holmes-Geschichte wichtig? Was ist zwingend notwendig, und was darf überhaupt nicht darin vorkommen?

Sherlock-Holmes-Geschichten müssen authentisch, plausibel und vorstellbar sein. Der berühmte Detektiv ist sehr klug und er verfügt über die vielfältigsten Begabungen, aber er ist kein Superheld, und manchmal irrt er sich auch. In meinen beiden bislang erschienenen Romanen bin ich sehr nah an der Wirklichkeit geblieben. Die Rahmenhandlungen haben sich in der Realität ganz genauso abgespielt, wie sie von mir geschildert wurden. Lediglich die Kriminalfälle sind ausgedacht. Aber sie hätten sich durchaus so ereignen können.
Die Hauptfiguren – also Sherlock Holmes, Dr. Watson, Mycroft Holmes und Professor Moriarty – habe ich in ihrem Äußeren und von ihren Charaktereigenschaften her so übernommen, wie sie von Arthur Conan Doyle geschildert wurden. Alles andere wäre für mich ausgeschlossen. In meinen Romanen wird Sherlock Holmes niemals ein seniler Schwachkopf sein, der sich von Inspektor Lestrade die gesamte Arbeit machen lässt und anschließend den Ruhm einheimst.



Was halten Sie von Pastiches, in denen Sherlock Holmes und Dr. Watson mit phantastischen und übersinnlichen Phänomenen konfrontiert werden, die sie eben nicht rational erklären können?

Pastiches sind Sherlock-Holmes-Geschichten, die dem so genannten Kanon folgen, sich also in dem engen Rahmen bewegen, der von Arthur Conan Doyle vorgegeben wurde. In einem Pastiche können und dürfen demzufolge weder Außerirdische, noch Hexenmeister oder Bewohner von Zwischenwelten vorkommen. In einem Pastiche vermag sich niemand unsichtbar zu machen, zu fliegen oder Wände zu durchdringen. Für alles gibt es eine logische Erklärung. Übersinnliche Erscheinungen sind bestenfalls eine Sinnestäuschung.
Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Romane und Erzählungen außerhalb des Kanons, in denen es vor phantastischen Elementen nur so wimmelt. Isaac Asimov, der berühmteste Science-Fiction-Autor der Welt, hatte beispielsweise eine Sammlung von solchen Geschichten herausgegeben. Einige davon habe ich mit größtem Vergnügen gelesen.



Für Ihre Werke „Sherlock Holmes in Leipzig“ und „Sherlock Holmes in Berlin“ haben Sie sich zwei deutsche Städte als Schauplätze ausgesucht. Warum ausgerechnet diese beiden?

Franziska Franke hatte die Sherlock-Holmes-Reihe im KBV-Verlag mit einem Roman beginnen lassen, der im Jahr 1891 in Italien spielt. Mein erster Titel sollte sich räumlich und zeitlich davon unterscheiden. Die Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte, passte gut zu Leipzig. Deshalb spielt mein erster Sherlock-Holmes-Roman im Jahr 1910 in der Messestadt. Berlin war dann die logische Fortsetzung.


Reizt es Sie, einen klassischen Holmes-Fall in London zu schildern?

Ich schreibe im Moment an einer Sherlock-Holmes-Geschichte, die in London spielt. Irgendwann wird ein kompletter Roman folgen, soviel ist gewiss.


Die Romane sind aufwändig recherchiert und glänzen nicht nur durch ihre enorme Informationsfülle, sondern auch durch angemessenes Lokalkolorit und einen entsprechenden Zeitgeist. Wie lange hat die Recherche für die Romane gedauert und wie sind Sie vorgegangen?

Ich habe sowohl in Leipzig, als auch in Berlin einige Jahre gelebt. Insofern kenne ich die beiden Städte sehr gut. Georges Simenon, der Altmeister des französischen Krimis hat einmal gesagt: „Um einen Kriminalroman schreiben zu können, benötigt man drei Dinge: Eine Schreibmaschine, einen Stadtplan und ein Telefonbuch.“
Ich habe dieses Rezept um Fotografien von historischen Stadtansichten, alte Zeitungen und Illustrierte sowie diverse Nachschlagewerke wie z.B. das Brockhaus Konversations Lexikon ergänzt. Nach einiger Zeit des intensiven Studiums konnte ich mich im Leipzig und Berlin jener Zeit völlig frei bewegen. Und ich war überrascht, was für eine extrem schöne Stadt Leipzig vor dem Krieg gewesen ist.
Diese Vorarbeiten haben jeweils etwa ein Vierteljahr in Anspruch genommen. Danach konnte ich mich dann hinsetzen und mit dem Schreiben beginnen.



Wie bereiten Sie sich auf das Schreiben eines Holmes-Romans vor? Immerhin muss man einige Dinge beachten, um den Holmesianern nicht vor den Kopf zu stoßen.

Die Grundlage bilden vier Werke: William S. Baring-Gould „Sherlock Holmes: Die Biographie des großen Detektivs aus der Baker Street“, Zeus Weinstein (Hg.) „Sherlock Holmes Handbuch“, Nick Rennison „Sherlock Holmes, Die unautorisierte Biografie“ und Heiko Postema „»Exzellent!« rief ich. »Elementar«, sagte er.“ Eine große Hilfe ist auch das ausgezeichnete Sherlock Holmes Magazin, das vierteljährlich von Jens Arne Klingsöhr herausgegeben wird.
Darüber hinaus besitze ich mehrere Sherlock-Holmes-Gesamtausgaben in unterschiedlichen Übersetzungen. In ihnen lese ich häufig und gern, um mich auf das Schreiben einzustimmen.



Während sich Ihre Kollegin Frau Franke den verlorenen Jahren nach dem vermeintlichen Tod von Holmes und vor seiner überraschenden Rückkehr widmet, haben Sie sich entschlossen Holmes aus dem Ruhestand zu holen. Warum haben Sie sich für diese Variante entschieden?

Dafür gibt es einen guten Grund: Lt. Arthur Conan Doyle wurde Dr. Watson 1852 und Sherlock Holmes 1854 geboren. Meine Romane spielen 1910 und 1913. Ich kam 1952 zur Welt. Jetzt schreibt man das Jahr 2012. Die beiden Protagonisten sind mir also vom Alter her fast gleich und daher in ihren Ideen und Ansichten sehr nah.


Was halten Sie persönlich von aktuellen Modernisierungen von Holmes und Watson, wie sie beispielsweise in den Kinofilmen von Guy Ritchie (mit Robert Downey Junior und Jude Law) oder in der BBC-Serie SHERLOCK (mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman) vorgenommen wurden?

Es gibt einige gute und sehr viel schlechte Sherlock-Holmes-Adaptionen. Sowohl die Kinofilme von Guy Ritchie, als auch die BBC-Serie zähle ich zu der ersten Kategorie, auch wenn sie sich nicht an den Kanon halten und sehr frei mit dem Stoff umgehen.


Gibt es Schriftsteller, die Sie persönlich oder in Ihrer Tätigkeit als Autor besonders beeinflusst haben?

Ich kenne bzw. kannte einige berühmte Schriftsteller persönlich, wie z.B. Franz Josef Degenhardt und Stuart Kaminsky. Weiterhin haben mich Arthur Conan Doyle und Edgar Wallace stark beeinflusst, auch wenn sie weit vor meiner Zeit gelebt haben.
Darüber hinaus bin ich seit langen Jahren Mitglied im Syndikat, der Vereinigung deutschsprachiger Kriminalschriftsteller aus der BRD, Österreich und der Schweiz. Dort finden regelmäßige Zusammenkünfte und ein reger Erfahrungsaustausch statt, und im Laufe der Zeit sind feste Freundschaften zu einigen Autoren entstanden.



http://www.kbv-verlag.de/ © http://www.kbv-verlag.de/
Wie sieht ein Tag im Leben des Schriftstellers Wolfgang Schüler aus? Gibt es bestimmte Tageszeiten, an denen Sie besonders kreativ sind?

Von 1984 bis 1989 war ich freiberuflich als Schriftsteller tätig und konnte gut davon leben. Dann kam die Wende. Mir erging es so, wie den meisten ostdeutschen Autoren: Alle meine Verträge wurden gekündigt, bereits lektorierte Bücher nicht mehr gedruckt. Ich fiel in ein tiefes schwarzes Loch und musste mich beruflich völlig neu orientieren. Seit 1990 bin ich als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei tätig. Es hat dann sieben lange Jahre gedauert, ehe wieder ein Buch von mir erschienen ist.
Inzwischen bin ich zwar - mit rund zwanzig eigenen Büchern und darüber hinaus mit Veröffentlichungen in Dutzenden von Anthologien - von den Kleinen ein Großer, gehöre trotzdem immer noch zu den 97 Prozent aller Autoren, die von ihrer Kunst allein nicht existieren können. Deshalb muss ich weiterhin als Anwalt arbeiten. Doch nach einem harten Tag am Gericht und in der Kanzlei kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Um Bücher schreiben zu können, brauche ich viel Zeit und absolute Ruhe. Deshalb nehme ich mir regelmäßig einige Tage frei und fahre in mein Ferienhaus, wo ich ohne jede Störung und mit freiem Kopf in längst vergangenen Zeiten unterwegs sein kann.



Auf was für ein Holmes-Abenteuer dürfen sich die Leser als nächstes freuen? Dass es weitergeht setze ich mal voraus.

Das nächste Buch heißt „Sherlock Holmes in Dresden“. Ein Viertel davon ist bereits fertig.


Was ist dem Menschen Wolfgang Schüler wichtig?

Das Ungleichgewicht in Deutschland und Europa nimmt ständig zu: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Politik handelt als Interessenvertreter der Banken und der Großaktionäre. Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert. Ich hoffe, das irgendwann in naher Zukunft ein Umdenken stattfindet und die drohende Katastrophe noch abgewendet werden kann.
Für mich persönlich bedeutet dies, dass ich global denke und lokal handele. In meinem Wohnort war ich vierzehn Jahre lang als Gemeindevertreter und zehn Jahre lang als ehrenamtlicher Bürgermeister tätig. Zur Zeit engagiere ich mich in mehreren Vereinen, u.a. in einem örtlichen Kulturverein. Außerdem bin ich für die Märkische Oderzeitung als Ombudsmann tätig. Ich versuche Lesern außerhalb der Gerichte zu ihrem Recht zu verhelfen und unterstütze sie bei der Lösung von Konflikten.



Lieber Herr Schüler. Vielen Dank für das interessante Interview und viel Erfolg für die Zukunft.
Autor in Uniform
Autor in Uniform
© Wolfgang Schüler


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