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Iron Sky

IRON SKY
Regie: Timo Vuorensola

Polyband/24 Bilder
DVD/Blu-ray - Science-Fiction
USA 2012
ca. 93 min.



Mit "Iron Sky" legt der finnische Regisseur Timo Vuorensola nach diversen "Star Trek" Parodien eine bitterböse Science Fiction Serie vor, die optisch trotz eines überschaubaren Budgets von weniger als acht Millionen Euro manchen Hollywoodblockbuster in den Schatten stellt. Bislang haben sich die finnischen Macher der "Star Wreck" Serie auf Amateurschauspieler verlassen. Mit Julia Dietze, Christopher Kirby, Götz Otto und Udo Kier verfügt der Regisseur jetzt über eine gestandene Riege von Schauspielern. Neben diversen Produktionsgesellschaften sowie verschiedenen Filmförderungen konnten sich die Fans durch ein im Internet durchgeführtes Crowdfunding an der Finanzierung des Films beteiligen. Fast fünfzehn Prozent des Budgets kamen auf diese Art und Weise zusammen. Die Fans durften - nicht unbedingt positiv für den Gesamteindruck des Films - Ideen beisteuern, von denen es einige in den fertigen Film geschafft haben.

"Iron Sky" beginnt mit einer offensichtlichen Hommage an "2001", wobei Kubricks fast martialisch zu nennender Einsatz von Musik durch die kitschig verklärten Töne eines eher in die vierziger Jahre denn dieses Jahrtausend passenden Songs "Take me to heavan" ersetzt worden sind. Die USA schicken im Jahre 2018 wieder ein bemanntes Raumschiff auf den Mond. Es wird dort ein in der Science Fiction Literatur mehrfach verwandter Wunderstoff namens "Helium 3" vermutet, welcher insbesondere die Amerikaner unabhängig von der Erdölförderung machen soll. Die Astronauten entdecken auf der Mondoberfläche nicht nur einen gigantischen Tagebau, sondern vor allem überdimensionale Behälter, in denen Helium 3 - gut erkennbar an der Außenbeschriftung - gelagert wird. Sie werden von Soldaten der SS angegriffen, das Mondfahrzeug zerstört und der farbige James Washington - Christopher Kirby - gefangen genommen. In der überdimensionalen, aber auch archaisch erscheinenden Mondbasis wird er verhört. Der Führer der 1945 auf die Erd abgewandte Seite des Mondes geflohenen Nazis Kortzfleisch - Udo Kier - möchte angesichts der Entdeckung die Rückeroberung der Erde umgehend starten. Das bei Washingtons Verhör gefundene Smartphone mit einer die gigantische Anlage der Nazis übertreffenden Rechnerleistung soll ihnen den Weg zur Erde ebnen. Bei Washingtons Flucht begegnet er der Lehrerin Renate - Julia Dietze -, welche eigentlich als Mutter einer neuen Nazigeneration vom SS Offizier Klaus Adler - Götz Otto - vorgesehen gewesen ist. Da das Akku des Smartphones nicht ausreicht, um die "Götterdämmerung" fliegen zu lassen, beschließen Kortzfleisch und seine Helfer, neben dem inzwischen gebleichten Washington auch Klaus Adler und Renate zur Erde zurückzuschicken, um weitere leistungsfähige Computer für die Invasion zu organisieren. Doch Adler hat eigene Vorstellungen von der neuen Machtverteilung.

Wie schon angesprochen zerfällt „Iron Sky“ in unterschiedliche Teile. Zu den Stärken gehört ohne Frage die Optik. Für das Nazireich haben sich Regisseur Vuorensola und seine Mitkämpfer eine Art Steampunk Retrooptik einfallen lassen. Alles ist gigantisch groß und wirkt trotzdem dunkel, archaisch und gefährlich primitiv. Das beginnt bei der gigantischen Halle, in welcher Washington quasi im Vorbeigehen verhört wird und endet schließlich bei der Götterdämmerung, die von gigantischen Kettenrädern und einer an ein Fahrrad erinnernden Umsetzung angetrieben wird. Der Angriff der schon im Zweiten Weltkrieg im Grunde überflüssigen Zeppeline mit ihren kleinen Kampfraumschiffen auf die Erde ist ein weiterer visueller Höhepunkt. Das die Nazifestung auf dem Mond ein gigantisches Hackenkreuz bildet, das interessanterweise die einzelnen auch die Rückseite des Mondes umfliegenden Apollo Missionen nicht bemerkt haben wollen, ist nur das I- Tüpfelchen auf einem der tricktechnisch besten Filme dieses Jahres. Auch wenn nicht jede Computersimulation nachhaltig gelingt – so erscheinen die natürlich nur auf dem politischen Papier unbewaffneten Erdraumschiffe bei ihren Flugmanövern ein wenig zu „eiern“ – ist alleine der Einfaltsreichtum der einzelnen Nazi Maschinen nicht nur einmal sehenswert. Von den großen Raumschiffen geht es schließlich in die Details. Die Anlage auf dem Mond besteht in erster Linie aus dunklen Labyrinthen und einem Forschungslaboratorium, in dem ein äußerlich an Einstein erinnernder Wissenschaftler bestialische und natürliche Menschenverachtende Experimente wie das „Bleichen“ der farbigen Bevölkerung vollzieht.
Natürlich zielt das Drehbuch ganz bewusst auf die absurde wie irrationale Gigantonomie der Nationalsozialisten ab. Eine sich in ihrer Mischung aus Rassenwahn und Rassenhass sowie Größenwahn, Egoismus und Misstrauen selbstzerstörende auf einen Überführer hin geschnittene Kultur, deren Zweck die Erfüllung von fiktiven Idealen auf der Basis gnadenloser Selbstüberschätzung trotz unglaublicher fiktiver und realer mechanischer und logistischer Leistungen ist. Bezeichnend ist, dass die Mondnazis immer noch Hitler glorifizieren, während Kortzfleisch verzweifelt um Anerkennung kämpft und Adler schon seinen Fall plant. Das Kortzfleisch schließlich im Herzen des Kapitalismus – das durch Frankfurt ersetzte New York – förmlich in Anlehnung an die Warhol „Dracula“ bzw. „Frankenstein“ Filme blutig hingerichtet wird – ist vielleicht ein ironischer Seitenhieb zu viel. Oder die zu perfekte Propagandamaschine. Renate zeigt ihren Schüler einen Kurzfilm: Charlie Chaplins „Diktator“, in dem angeblich der größte amerikanische Komiker durch den Tanz mit dem Weltball dem Führer huldigt. Später wird Washington Renate mit dem Besuch einer Langversion des Chaplin Films „aufklären“.
Die Drehbuchautoren haben auch einen Gegenentwurf eingebaut. Der Wutausbruch der amerikanischen Präsidentin erinnert in einer Szene ganz bewusst an das Hitlerdrama „Der Untergang“ und die cholerischen Wutanfälle des im Grunde schon geschlagenen Führers.

Nicht ganz klar herausgearbeitet sind die Motive der Nazis. Natürlich wollen sie die Erde zurückerobern. Aber angesichts der wenigen auf dem Mond lebenden Nazis scheint dieser Plan geradezu absurd. Ein Vergeltungsschlag mit der „Götterdämmerung“ hätte mehr Sinn gemacht. Auch die Auseinandersetzungen innerhalb der Nationalsozialisten sind zu stark konstruiert. Warum Adler sich trotz seines niedrigen Rangs als potentieller neuer Führer sieht, wird zu wenig herausgearbeitet. Alleine das theoretische Argument, dass er der jüngste im Film erscheinende Offizier ist, reicht nicht aus. Auch Kortzfleisch erscheint eher als verschrobene Parodie eines neuen Führers denn als ein ernstzunehmender „Gegner“ auch für die eigenen Reihen. Das Nazibild in aller Breite aber auch grotesker Übertreibung mit den schon angesprochenen sehr guten visuellen Effekten gehört ohne Frage zu den Höhepunkten des Films.

Zieht ein kritischer Zuschauer die subjektive Kamera im Kopf ein wenig zurück, dann fallen hinsichtlich der Haupthandlung eine Reihe von Ungereimtheiten und Plattitüden auf. Bis zur Rückkehr Washingtons – in Begleitung von Renate und Adler – zur Erde handelt es sich um eine bitterböse Parodie auf die Nazis und ihren Größenwahn. Mit dem eigentlichen Angriff der Mondnazis mit ihren gigantischen Zeppelinen auf die Erde beginnen die starken finalen dreißig Minuten des Films. Dazwischen gehören die auf der Erde spielenden Szenen wie in „Star Wreck“ zu den schwächeren und irgendwie belehrend wirkenden Abschnitten des ganzen Films. Das liegt teilweise an dem inzwischen gebleichten Washington, der von seinen ihn nicht erkennenden schwarzen Brüdern in einem klassischen amerikanischen Ghetto verfolgt wird. Der auf der Straße gegen die Nazis auf dem Mond als Bettler zu demonstrieren sucht, dabei wäre es für ihn ein Einfaches, mittels eines begangenen Kapitalverbrechens verhaftet und dank seiner Fingerabdrücke oder genetischen Spuren als amerikanischer Astronaut identifiziert zu werden. Das die Wahlkampfleiterin der amerikanischen Präsidentin den Auftritt der beiden Nazis Adler und Renate in die Kampagnen für die anstehende Wahl integriert, ist ein Stilmittel, das Regisseur Timo Vuorensola schon in „Star Wreck“ für die russischen Propagandastreifen genutzt hat. In „Iron Sky“ wirkt es zu aufdringlich, zu stark auf schwarzen Humor getrimmt um nachhaltig zu überzeugen. Im Grunde sind alle Politiker - egal ob Nazis oder wie die nordkoreanischen Kommunisten, die für alles die Verantwortung übernehmen - Karikaturen. Die verschiedenen Auftritte vor einer Art Wünsch-Dir-was- UNO Sicherheitsrat wirken scheinheilig und artfremd. Es ist eher kindisch komisch, die Politiker am Ende des Films um die potentiellen Helium 3 Vorräte der Nazis streiten zu sehen oder die pure Verzweifelung, mit der die Nationen schließlich gezwungen sind, die Bewaffnung des Weltalls angesichts der Naziangriffe zuzugeben und einen gemeinsamen Gegenschlag zu organisieren. Ganz bewusst muss das Drehbuch die arroganten Amerikaner angeführt von einem Palinverschnitt auf ein lächerliches Niveau reduzieren, damit die Nazis überhaupt eine Chance haben. Das sie sich der amerikanischen APPLE Technik bedienen müssen, um schließlich die „Götterdämmerung“ fliegen zu lassen, schließt den nicht immer überzeugenden plottechnischen Kreis dieses Films.
Mit Zufriedenheit stellt man fest, dass nach Verlassen der Erde die Handlung wieder anzieht, auch wenn der finale Showdown inklusiv der heldenhaften Aktionen Washingtons die Glaubwürdigkeit zu sehr überspannt. Bis dahin hätte ein wenig mehr Politsatire mit realistischer ausgearbeiteten Hintergründen und weniger billige Zotte dem Film als Ganzes auf der Handlungsebene gut getan.

Die Schauspielerleistungen sind uneinheitlich. Udo Kier als Kortfleisch ist ein vertrautes Gesicht. Kier braucht sich schauspielerisch nicht zu überanstrengen. Zu einfach ist seine Rolle als Mondführer angelegt, zu viel Potential wird verschenkt. Anstatt in Kortfleisch einen ebenbürtigen Gegner der amerikanischen Präsidentin mit dem gleichen Machthunger zu etablieren, wird Udo Kier in dem Konflikt mit Adler förmlich zerrieben und am Ende in einer gänzlich überzogenen und wie schon angesprochen an die beiden Warhol Filme erinnernden Sequenz zerschossen. Götz Otto als SS Emporkömmling Adler mit der idealisierten Vorstellung einer arischen blonden und blauäugigen Herrenrasse auf dem Mond wirkt wie ein klassisches Abziehbild des Gardenazis, der seinen Verstand dem Machthunger geopfert hat. In entscheidenden Szenen agiert er dann leider derartig tollpatschig und unbeholfen, dass Ottos charismatische Darstellung im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Publikum zerrinnt. Adler proklamiert und argumentiert zu viel, um als Antiheld wirklich nachhaltig wahrgenommen zu werden. Kein Wunder, dass die Schwarzen seinen Arbeitsplatz als Trittbrettfahrer einer Monddiktatur bedrohen. Zwar stimmt die Chemie zwischen Julia Dietze und Götz Otto absichtlich und zwischen der attraktiven Blondine und Christopher Kirby unabsichtlich nicht, aber Kirbys zu ausdrucksstarke Mimik und sein Hang, eine Art Eddie Murphy der Gegenwart zu verkörpern, lassen ihn als amerikanischen Astronauten, als verzerrtes Sinnbild eines neuen Aufbruchs ins All zu kindisch dümmlich und eindimensional erscheinen. Die sich um ihn rankenden Witze - die gebleichte Haut, der Jüngerkomplex - erscheinen zu platt und als Astronaut muss er irgendwie das Vakuum kennen, um irgendwelche Schotte in der Nazifestung eigensinnig zu öffnen. Julia Dietze als blonde Renate braucht nur gut auszusehen. Mit ihrer Mischung aus dümmlich naiver Jungfernhaltung und purer Entschlossenheit insbesondere in der letzten Hälfte des Films mit zur fließenden Hingabe, als im Gegenlicht ihr Held am Ende zur Rettung die Treppe herunter schreitet sind schauspielerische Kontraste.
Um die wichtigsten Hauptfiguren herum haben Regisseur und Produzent eine Reihe von bislang unbekannten Charakterköpfen platziert, deren Aufgabe es in erster Linie ist, ihre Figuren den Vorlagen gegenüber erkennbar zu machen. Diese Vorgehensweise ist für eine Satire nachvollziehbar, lenkt aber auch mehrmals von der manchmal zu platten Dialogen ab. Gerade wegen der Handvoll bekannter Profis ist „Iron Sky“ der schauspielerisch bislang beste Film des Finnen.

Obwohl die Laufzeit des Streifens mit knapp neunzig Minuten inklusiv Nachspann stellenweise ein wenig gedehnt erscheint, überzeugt „Iron Sky“ weniger als gelungene Persiflage auf die zahllosen First Contact, Invasions oder Nazisstreifen, sondern als freche Mischung aus bizarren Ideen, Ansätzen von Steampunk und einer Idee, die in erster Linie in dem aus einem Satz bestehenden Untertitel „Nazis on the dark side of the Moon“ zusammengefasst werden kann. Der Film leidet wie manche Parodie unter der beschränkt eigenständigen und über die angesprochene Idee kaum hinausgehend originellen Handlung, während die visuellen Effekte insbesondere in den Details absolut sehenswert sind und „Iron Sky“ aus der Masse der gesichtslosen Produktionen nachhaltig herausheben.

Der Film ist insbesondere in England in einer sehr gelungenen DVD Ausgabe erschienen. Die einfache Edition verfügt zwar im Vergleich zur übersättigten Blue Ray über keine Extras, dafür ist die Bildqualität an sich für einen digital aufgenommen Film ausgesprochen gut. Im anamorphen Format 2;35:1 sind die Farben satt und sehr gut angepasst. Während die Naziszenen auf dem Mond absichtlich in eher leicht sepiafarben unterlegten Farben gedreht worden sind, wirken insbesondere die zahllosen Tricksequenzen tadellos und gestochen scharf. Die auf der Erde spielenden Szenen lassen die digitalen Aufnahmemedien ein wenig erahnen, die Bilder sind weniger scharf als die mit Computer gestalteten originellen Raumschlachten. Die bei Kunstlicht gedrehten Sequenzen überzeugen genauso durch ihre Kontraste wie die natürlichen Farben. Die englische Tonspur unterlegt mit absichtlich antiquierter, aber nicht altdeutscher Originalsprache, die sehr gut lesbar untertitelt worden ist, ist in Dolby Digital 5.1. Der absichtlich martialisch und laut gestaltete Soundtrack hebt sich sehr gut von den Dialogen und den teilweise ausgesprochen originellen Hintergrundgeräuschen ab. Auf der technischen Seite eine sehr gute Präsentation eines über weite Strecken originellen, aber nicht ganz befriedigenden, aber zutiefst amüsanten wie provokanten Films.

CINE TRASH & TREASURY
Beitrag Iron Sky von Thomas Harbach
vom 01. Okt. 2012


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