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Das Tagebuch der Prinzessin Leia


Carrie Fishers früher und im Grunde tragischer Tod sowie das bekannt Werden ihrer kurzzeitigen Affäre - Carrie Fisher nennt es im Grunde einen emotionalen „One Night Stand“ – mit Harrison Ford während der Dreharbeiten zum ersten oder vierten „Star Wars“ Film, haben ein Schlaglicht auf diese Tagebuchaufzeichnungen entstanden während der Dreharbeiten geworfen, das nicht unbedingt gerechtfertigt ist. Sie nehmen knapp sechzig Seiten – fast ein Viertel des Buches – ein. Viel wichtiger ist es, Carrie Fishers Einleitung bzw. ihr Nachwort zu lesen.

Dabei sollte dieses Buch weniger als eine kommerzielle Möglichkeit angesehen werden, noch einmal mit sensationellen Nachrichten Geld zu verdienen – auch wenn dieser Aspekt niemals außer acht gelassen werden darf- , sondern als Ergänzung der nur vordergründig fiktiven Romane, die Carrie Fisher im Anschluss an ihre Schauspielzeit geschrieben hat. In ihnen hat sie sich als ironische, aber unterhaltsame Gesprächspartnerin dem Leser gegenüber erwiesen, die sich nicht zu schade ist, verklausuliert und hinter ihren dreidimensionalen Protagonisten versteckt ein Leben zu zeigen, dass nicht immer dem Glamour der Schauspielerei entspricht. Insbesondere „Bankett im Schnee“ – 1987 verfasst – ist als ideale Ergänzung der hier gesammelten Anmerkungen zu verstehen. Im Mittelpunkt steht eine junge Schauspielerin, die nach den letzten Misserfolgen ihrer Filme erkennen muss, dass das Leben in Hollywood im Grunde nur eine Parade von falschen Eitelkeiten ist. Im Roman wird ihr Charakter nach einer Überdosis Percodan in eine Entzugsklinik eingeliefert.

Wer noch mehr über Carrie Fisher an sich und nicht ihre autobiographischen, aber fiktiven Figuren lesen möchte, der sollte auf „Vom Erwachen der Nacht: Mein verrücktes Leben zwischen Drogen, Depressionen und einem schwulen Ehemann“ aus dem Jahr 2016 zurückgreifen. Hier geht Carrie Fisher noch schonungsloser mit sich selbst und ihrem Leben um.

Carrie Fisher deutet in „Das Tagebuch der Prinzessin Leia“ auch an, dass sie nicht unbedingt an die Zeiten erinnert werden möchte, in denen es ihr schlecht gegangen ist, geht aber nicht so sehr in die Details wie in dem ohne Pathos oder Kitsch mit einer stark selbstironischen Note geschriebenen Roman darauf ein. Von den anderen Biographien ganz zu schweigen.

Kritiker könnten aber auch davon sprechen, dass Carrie Fisher aus ihrem nicht einfachen Leben durch die verschiedenen Bücher – es gibt noch „Wishfull Drinking“ und „Shockaholic“ – auch das kommerzielle Optimum über den Schockfaktor hinaus herausgeholt hat. Es ist eben ein schmaler Grat, auf dem sich ein „One Role Star“ zu bewegen hat.

Daher sind die anderen Arbeiten entlarvender, aber vor allem auf der emotionalen Ebene auch deutlich zugänglicher als das vorliegende Tagebuch der Prinzessin Leia, das kommerziell wahrscheinlich die höchste Auflage erreichen wird.

Reine „Star Wars“ Fans müssen zu Beginn stark sein. Die 40 Jahre alten Tagebuchaufzeichnungen geben keinen Blick hinter die Kulissen frei. Es finden sich in der Einleitung - sie umfasst fast die Hälfte des Romans – ausreichend Hinweise, wie diese Low Budget Produktion in London auf die in erster Linie jungen und wenig erfolgreichen Schauspieler Mark Hamill, Carrie Fisher und schließlich auch Harrison Ford wirkte, aber die intimen Augenzeugenberichte in den Tagebüchern konzentrieren sich auf die Affäre mit Harrison Ford aus der Sicht einer jungen schmachtenden Frau. Ihre Wünsche, ihre Hoffnungen, ihre Träume. Wie es sich für Tagebuchaufzeichnungen gehört, sind sie zwar chronologisch, aber wirken sprunghaft. Carrie Fisher hat die Gedanken so zu Papier gebracht, wie sie durch ihren Kopf geschossen sind. Positiv wie negativ. Ohne die einleitenden und die abschließenden Worte wären sie verwirrend bis verstörend gewesen.

Auch in einer anderen Hinsicht müssen die Fans Abstand von zahlreichen „Star Wars“ Mythen nehmen. Für Carrie Fisher ist Prinzessin Leia trotz der abschreckenden Figur immer ihre wichtigste Rolle gewesen und sie hat sich ehrlich gefreut, dank J.J. Abrams siebten Teil wieder aktiv zu diesem Universum zu gehören. Es fehlt aber jeglicher Hinweis sowohl auf Harrison Ford als auch die Dreharbeiten zu „Das Imperium schlägt zurück“ wie auch „Die Rückkehr der Jedi- Ritter“. Interessanter ist, dass sie die Rolle zwar geliebt habt, sie aber diese Fortsetzung auch Chance gesehen hat, wieder zu Geld und damit in Hollywood auch wieder zu ein wenig Ansehen zu kommen. In eine ähnliche Richtung zielen die abschließenden Kommentare der kommerziellen „Star Wars“ oder „Comic Cons“, auf denen es Autogramme nur gegen Bares gegeben hat. Alleine die Masse der Fans hat sie beeindruckt, während sie unmittelbar nach dem Abschluss der Dreharbeiten zu „Star Wars“ vom Medienphänomen genauso erschlagen worden ist wie der Tatsache, dass Prinzessin Leia der feuchte Traum vieler Männer und Jugendlicher gewesen ist. Oder die zahlreichen Ausreden, zu denen sich Fans verführen ließen, um möglichst schnell mittels rührseliger Geschichten das ersehnte Autogramm zu erhalten.

Viel interessanter ist die Vorgeschichte. Beginnend mit einem Hinweis auf das Jahr 1976 beschreibt sie das Leben vor Leia als junge Schauspielerin und vor allem auch Tochter von Debbie Reynolds. Debbie Reynolds gehörte zu einer kleinen Gruppe etablierter Schauspieler, die allerdings niemals den Status der Superstars erreicht haben. Mit zunehmenden Alter wurden regelmäßige Rollen seltener. Hinzu kam die Trennung von ihrem Mann, der sie mit zwei Kindern für Elizabeth Taylor hat sitzen lassen. Ihre ersten Schritte zur Schauspielerin beginnend mit Warren Beattys „Shampoo“ werden ausführlich beschrieben, wobei inklusiv des Besuchs der Schauspielschule in London Carrie Fisher inzwischen aus der Position einer gewissen Altersweisheit auf ihre Jugend zurückblickt. Von der ersten Liebe über das erste zaghafte Fummeln allerdings unter der Aufsicht ihrer Mutter; über das Casting von „Star Wars“ bis zu den ersten Drehtagen in London erzählt sie sehr frei und vor allem nicht zu ernst von ihren Erlebnissen.

Es sind wie die Tagebuchaufzeichnungen Anekdoten, entstanden aus Erinnerungsfetzen. Aber sie zeigen das fröhliche anfängliche Bild einer Low Budget Produktion, die drehbuchtechnisch sich positiv entwickelt hat und schließlich zu dem Märchen für alle Generationen geworden ist. Exemplarisch ist die Szene, in welcher Chewbacca die mit gelben Augen versehene, kopfüber hängende Prinzessin befreien und auf seinen Armen wegtragen sollte. Da der Schauspieler aufgrund seiner Größe und seiner Statur dazu gar nicht in der Lage gewesen ist, musste das Drehbuch geändert werden. Andere Informationsfetzen sind das gemeinsame Casting von Brian de Palma für „Carrie“ und eben George Lucas für „Star Wars“, wobei vor allem de Palma die Schauspieler befragte, während sich George Lucas zurückhielt. Von seiner Arbeitsweise finden sich einige Fragmente in diesen Aufzeichnungen. So gibt er Carrie Fisher nur wenige, dann aber pointierte Anweisungen. Belustigend berichtet Carrie Fisher von ihrer schrägen futuristischen Frisur und den alltäglichen Qualen, sie stundenlang jeden Tag angepasst zu bekommen. Lange vor Drehbeginn im Studio zu sein.

Ein anderer Aspekt sind die abendlichen Veranstaltungen der isolierten Schauspielercrew. Während die Techniker abends zu ihren Familien heim gefahren sind, lebten die Schauspieler entweder in billigen Hotels oder Wohnungen von Freunden. Aus einer „Entführung“ Carrie Fishers während der Geburtstagfeier für George Lucas und ihrer ersten Begegnung mit ein wenig mehr Alkohol folgte schließlich der Beginn der Affäre mit dem verheirateten Harrison Ford eher aus dem Nichts heraus, obwohl sie ihn schon auf dem Set wegen seiner Erfahrung und seiner Lockerheit bewundert hat. Ob es wirklich von seiner Seite sich um eine Liebesgeschichte gehandelt hat oder eher eine Methode, um die Set weit weg von seiner Familie mit einem unerfahrenen, aber auch charakterlich interessanten Menschen “tot“ zu schlagen, bleibt ungeklärt. Harrison Ford hat relativ schnell deutlich gemacht, dass er keine echte länger andauernde Beziehung haben wollte und hat Carrie Fisher sehr zu ihrer Verunsicherung abschließend kühler, distanzierter, aber auch höflich behandelt. Vieles bleibt ungesagt und die Autorin konzentriert sich vor allem in der Einführung zu den Tagebuchaufzeichnungen auf Zwischentöne, die ambivalent zu interpretieren sind. Trotzdem wirken diese Erlebnisse aus den siebziger Jahren auch fast surrealistisch. Insbesondere im Vergleich zu den glatten Produktionsbedingungen des 21. Jahrhunderts. Reine „Star Wars“ werden enttäuscht sein, dass die schreibende Prinzessin in vielen Punkten oberflächlich bleibt, aber ihr gelingt es vor allem in ihrer langen, geläuterten, die Qualität ihrer empfehlenswerten Romane erreichenden Einleitung sehr überzeugend, die Atmosphäre vor allem abseits der Sets in einem erzkonservativen Großbritannien, unvorbereitet auf junge amerikanische Schauspieler zu beschreiben. Dabei vergibt man gerne, dass die Details der eigentlichen Dreharbeiten verwischen.
Sehr viel kritischer geht sie im abschließenden dritten Teil des Buches „40 Jahre später“ mit einigen Fakten um. Zum einen sind alle von der Erfolgswelle überrascht worden, die „Star Wars“ auslöste. Sie vernichtete im Grunde vor allem die Karrieren von Mark Hamill und Carrie Fisher. Während Hamill noch in einigen Filmen oder der Fernsehserie „The Flash“ mitspielte oder in Animationsfilmen vielen bekannten Figuren seine Stimme lieh, ging Carrie Fishers Karriere bis auf einen von ihr eher despektierlich abqualifizierten Auftritt in „Blues Brothers“ den Bach herunter. Sie geht in ihrer Abrechnung weniger auf die eigenen Fehler ein oder die Flutwelle des Ruhms, die über sie alle hereingebrochen ist und die sie seit fast vierzig Jahren mit unterschiedlicher Intensität weiter trägt. Ihr geht es um die kleinen Details. Um den Sexismus mit „Leias Lapdance“ mit der Art, wie das berühmte Wachsfigurenkabinett in London ausgerechnet sie im Sklavenkostüm mit Jabba, the Hut im Hintergrund portraitiert hat. Oder die Ausreden, mit denen Prinzessin Leia von der Öffentlichkeit verallgemeinert und beschlagnahmt worden, während Carrie Fisher als Mensch durch das Raster gefallen ist.
In dieser Abrechnung agiert die Autorin nicht zynisch. Sie regt zum Nachdenken an und zeigt die Schattenseiten nicht nur des Phänomens „Star Wars“, sondern vor allem auch jeglicher Popularität, die über Mensch hereinbricht, ohne das sie geplant ist oder planbar erscheint. Natürlich freut sie sich auch über den Erfolg, der sie aus der Masse der Schauspieler auf ein Level erhoben hat, das ihre Mutter auch nach Jahren harter Arbeit niemals erreicht hat. Aber sie kann es inzwischen mit einem gehörigen Abstand besser einschätzen.
Während eine Reihe anderer Biographien – siehe sowohl „Skywalking“ als auch die empfehlenswerte Monographie, „Wie Star Wars das Universum eroberte“ – sich kaum den Schattenseiten näherten und kritische Stimmen höchstens am Werk, aber nicht an einzelnen Menschen oder Persönlichkeiten zuließen, schenkt Carrie Fishers nachdenklich stimmende, aber niemals depressive oder fatalistische Selbsteinschätzung dem Phänomen eine menschliche, eine fehlerhafte Seite.
Es sind weniger die Tagebuchaufzeichnungen, weniger die Sensation um die Affäre, sondern vor allem Carrie Fishers liebenswerter, lebendiger Autorenton mit dem langen Rückblick auf die siebziger Jahre und anschließend der Reflektion eines Lebens, das nach den Erfolgsfolgen von „Star Wars“ ausgerichtet worden ist, welche diese vielleicht in den Details als zu leicht einzuschätzende Autobiographie eines kleinen Lebensabschnitt mit weitreichenden Folgen lesenswert machen. Es ist kein kommerziell Stabhochsprung nach Autorenehren. Das hat Carrie Fisher nach drei sehr guten, erfolgreich verfilmten Romanen mit sehr vielen autobiographischen Bezügen auch nicht mehr nötig. Es ist ein zwischen den Zeilen ruhiges Buch, das sowohl der ängstlichen Teenangern – mit zwanzig ist man in den Siebzigern noch Teenager gewesen – als auch der reifen, vom Leben auch gezeichneten Frau gerecht wird, wobei diese beiden „Carrie Fishers“ niemals den Respekt vor Prinzessin Leia verlieren, welche ihnen dieses Leben geschenkt hat.

CINE TRASH & TREASURY
Beitrag Das Tagebuch der Prinzessin Leia von Thomas Harbach
vom 08. Mai. 2017


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