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Antike – Ideenspeicher für fantastische Literatur und KunstEigentlich wollte ich auf der Suche nach fantastischer Literatur irgendwo in der Mitte der Literaturgschichte anfangen. Gedacht hatte ich an die Faust-Gestalt. Aber ich habe mich anders entschlossen und will nun doch fast 'von vorne' anfangen, nämlich in der Antike. Die griechischen und römischen Vorstellungen sind bei genauerem Hinsehen ein Ideenspeicher für Fantastik , der auch für das 21. Jh. durchaus interessant sein könnte. Es wimmelt nur so von Hexen, Drachen, Zauberern, Sphinxen, Nixen, Vampiren in der antiken Vorstellungswelt. Ander(s)welten kommen vor, Utopien, Ansätze von Science fiction : Eigentlich braucht der moderne Fantastik-Autor nur noch den Link zur antiken Vorratskammer zu öffnen, um bei seiner Suche nach geeigneten Stoffen bis ans Lebensende ausgesorgt zu haben. Nicht anders sind Goethe, Schiller, Hebbel, Heine ... auch vorgegangen. Sie haben sich immer wieder aus dieser Vorratskammer bedient. So können als Vorstufen für die Loreley beispielsweise die Sirenen angesehen werden, Mischwesen aus Vogel- und Mädchenleibern. Sie lockten die Schiffer mit ihren Gesängen an, um sie zu töten. Oder ein Beispiel aus Goethes Werken. Bei ihm wird aus der 'Braut von Amphipolis' (Phlegon von Tralleis 2. Jh. n.Chr.) die 'Braut von Korinth'. Ein anderes Beipiel: Aus der Geschichte um den ägyptischen Zauberer Pankrates (Lukian 2.Jh. n. Chr.) wird der 'Zauberlehrling'. Es lohnt sich, die entsprechende Vorlage kennen zu lernen. Pankrates schafft sich eine Vorstufe des Haushaltsroboters, indem er einem Gegenstand, einer Vogelscheuche vergleichbar, Kleider anlegt. Nach einer Zauberformel bewegen diese Dinge sich von selbst und erledigen automatisch alle Arbeit für den Menschen. Als der Schüler eines Tages allein zu Hause bleibt, will er das Kunststück selbst ausprobieren. Doch es klappt nicht mehr mit der Rückverwandlung in ganz normale Gegenstände. Die Vogelscheuche, die Wasser holen ging, schleppte immer wieder neues Wasser herbei, bis schließlich das ganze Haus überschwemmt war. Die Geister, die er rief, wurde der 'Zauberlehrling' schon bei Lukian nicht los. Nur gut, dass die Haushaltsroboter unserer Nachfahren nicht zurückverwandelt werden müssen. Aber vielleicht erledigen auch sie nicht genau das, was sie eigentlich tun sollen. Man wird sehen. Wie es scheint, hat sich Hebbel in 'Gyges und sein Ring' nicht so genau an das Vorbild gehalten wie Goethe. Herr des Ringes war der Sage nach der Grieche Gyges, der einen König in Kleinasien mit Hilfe des unsichtbar machenden Ringes besiegt und selbst die Herrschaft übernommen hat.( Platon: Politeia) Hebbel macht daraus einen fairen Zweikampf zwischen Gyges und dem König. Sieger ist - ganz ohne Ring - der Grieche Gyges. Aber der unsichtbar machende Ring kommt auch in Hebbels Fassung zum Einsatz. Gyges verwendet ihn, als er die wunderschöne Frau des Königs im Schlafzimmer besucht. Es ist aber nicht so, wie man jetzt vielleicht denkt. Die Frau freut sich keineswegs über den Besuch, sondern verlangt von ihrem Mann eine harte Bestrafung für das Delikt. Es sei schließlich bekannt, dass sie sich nur ihrem Gatten und sonst keinem anderen zeigen würde und wolle. Die Frau - nicht der König, der die Schönheit seiner Frau gern vorführen will - fühlt sich also entehrt - . Die Frau, die sich um keinen Preis einem anderen als dem angetrauten Mann zeigen will, ist im 19. Jh. schwer zu verstehen. Die Antike jedoch hatte mehr Verständnis für eine Frau, die mimosenhaft und unnachsichtig war. Als beispielsweise der Jäger Aktäon die Göttin zufällig zu Gesicht bekommt, rächt sich Diana dafür, indem sie Aktäon in einen Hirsch verwandelt und diesen von ihren Hunden zu Tode hetzen lässt.(illustriert wird die Szene der Umwandlung beispielsweise von Jean Jean Mignon, Mitte 16.Jh.) Die Rezeption von antiken Motiven in Kunst und Literatur ist ein weites Feld.. Immer wieder haben sich Autoren und Maler aus dem Fantastikpool der Antike bedient. Wenn man sich die Vorstellungen, die in der antiken Welt entwickelt wurden, ansieht, ist das kein Wunder. Einige Beispiele sollen als Beleg dafür angeführt werden. Zauberei war in der Antike nicht nur eine Sache von 'weisen Frauen', alias Hexen. Gezaubert wurde in den höchsten Kreisen. Selbst Götter haben gern und oft Gebrauch von ihr gemacht. Aphrodite besaß einen Zaubergürtel, mit dem sie Götter und Menschen berückt hat. Hermes war im Besitz des Zauberkrautes Moly. Wenn sich Götter, meist handelte es sich um den Göttervater, einer schönen Menschenfrau näherten, dann verwandelten sie sich mit Vorliebe in Tiere. Leda und der Schwan(Jupiter/Zeus) ist wohl die bekannteste Variante. Auch die Verwandlung in einen 'Sterblichen' war kein Problem. Da fällt uns natürlich Heinrich von Kleist ein. Jupiter- Zeus verwandelt sich in 'Amphitryon', den Gatten der Frau, die er verführen will. Was macht nun die Frau, wenn der Schwindel aufgedeckt wird??? In diesem Zusammenhang sollte auch Hekate, Herrin alles Spukwesens, erwähnt werden. Sie 'trägt' Schlangen als Haarschmuck, wird von heulenden Hunden begleitet, bewegt sich mit Vorliebe nachts durch die Lüfte. Von ihr, die man im Pantheon der Olympier, vergeblich sucht- sie wird eher von der 'unteren' Bevölkerungsschicht verehrt- ist bekannt, dass ihr ein sozialer Ausgleich vorgeschwebt .hat. Ihrer Tochter gab sie den Auftrag: "Du wirst sie- die Hexen- lehren, Den Geist der Unterdrücker mit Zauberkraft zu bannen, Und wo immer sich ein reicher, geiziger Bauer findet, Wirst du die Hexen, deine Schüler, lehren Seine Ernte mit schrecklichen Stürmen zu verwüsten, Mit Blitz, Donner, Hagel und Regen." (Nebenbei: So wissen wir nun, wer eigentlich für die Klimakatastrophe zuständig ist. Übrigens: Ein Zeitgenosse Dürers, Hans Baldung Grien, hat mit Vorliebe in seinen Bildern Wetterhexen dargestellt. ) Auch das folgende ist von Hekate überliefert: "Denn ich bin gekommen, Die schlechten Menschen zu vernichten, Und ich werde sie vernichten! Ihr aber, die ihr unter Armut und Hunger leidet, Die ihr leidet unter schlechter Arbeit und Gefangenschaft, Ihr habt eine Seele, eine bessere Seele..." (Aus: 'Hexen' Katalog zur Ausstellung im Hamburger Museum für Völkerkunde 1979) Man muss allerdings sagen, dass Hexen auch ganz egoistische Vorgehensweisen haben, wenn es um Ziele wie eine Liebesnacht mit dem geliebten Mann geht. Der Liebeszauber war vorwiegend in Thessalien beheimatet. Apuleius ( 2.Jh.n.Chr) berichtet in seinen 'Metamorphosen' von einer Hexe mit Namen Pamphile, die sich einige Haare ihres Ausersehenen besorgt- nicht um sie gentechnisch zu untersuchen, sondern um durch das Verbrennen der Haare einen Zauber herauf zu beschwören. Als der Zauber nicht funktioniert, macht sich Pamphile 'unter schrecklichem Geheul' in der Gestalt einer Eule zu ihrem Liebsten auf. Nicht nur Hexen, auch andre Wesen wie beispielsweise die Sirenen, von denen bereits die Rede war, hatten bestimmte Methoden, sich dem männlichen Geschlecht zu nähern oder es zu verführen,. So berichtet der Schriftsteller Lukian von wunderlichen Reben, die ihm auf einer Reise begegnet waren. Der Stamm am Boden bestand aus dickem festem Holz. Weiter aufwärts kamen aber wunderschöne Frauen heraus. Die ließen sich nur zu gern verführen. Aber als zwei Reisende das Angebot annahmen, wuchsen sie in der peinlichsten Stellung mit den geliebten Wesen zusammen. Die Finger liefen in Zweige aus. Schließlich war es nur noch eine Frage der Zeit, bis an ihnen Trauben wachsen würden.. Es konnte schon einiges auf Reisen passieren. Wenn einem Reisenden unterwegs ein schönes begehrenswertes Mädchen begegnete, dann war es durchaus möglich, dass es sich um einen weiblichen Dämon, eine Empuse, handelte. Empusen verwandelten sich u.a. in schöne Mädchen, die nachts das Lager der Männer zu teilen wollten. Ganz so übrigens wie die Vampirinnen des 21. Jh.'s saugten sie ihnen ihnen die Lebenskraft aus... Bereits die erwähnte 'Braut von Amphipolis', die Vorläuferin der 'Braut von Korinth', enthält eine Vampirgeschichte. Die verstorbene junge Frau erscheint dem Mann ihrer Wahl nachts, als der im Haus ihrer Eltern übernachtet. Es kommt wie es kommen musste. Beide lieben sich jede Nacht, aber nur so lange, bis die Eltern merkten, dass es in dem Gastzimmer nicht mit rechten Dingen zuging. Die Geschichte, die von Phlegon von Tralleis(2.Jh.n.Chr) recht detailliert beschrieben wird, endet für den jungen Mann tödlich. Von Anderswelten, Utopien, SF war noch nicht die Rede. So kann ich sagen: Fortsetzung folgt. Literatur: Erich Ackermann: Von mythischen Figuren und Zauberdingen. Die Wurzeln der Fantastik in der Antike. in: Phantastische Welten, Märchen, Mythen, Fantasy, Erich Röth Verlag, Regensburg 1994 ![]() PHANTASTIK UND KLASSIK - eine Spurensuche
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ManuskripteBITTE KEINE MANUSKRIPTE EINSENDEN!
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