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Startseite > Kolumnen > Elli H. Radinger > WOLFSPUREN > Der Wolf vor der Haustür

Der Wolf vor der Haustür


Ich war gerade dabei, meinen Koffer für den nächsten Forschungsaufenthalt in Yellowstone zu packen, als die Nachricht im Radio kam: „Wolf bei Gießen gesehen.“
Für einen Moment hielt ich inne und überlegte, ob ich die dicken Socken doch lieber auspacke und statt dessen einen Spaziergang im nahen Wald machen soll. So eine Wolfsbeobachtung wäre deutlich billiger als meine geplante Reise. Im Laufe des Tages überschlugen sich die Meldungen in den Medien.
Jede Menge „Experten“ kamen zu Wort – echte, mögliche und Möchtegern-Experten. Jeder hatte etwas zu sagen. Ein Jäger schaute ernst in die Fernsehkamera und war überzeugt: „Das ist ein Lupus Canis!“
Die Polizei, unser Freund und Helfer, blieb erstaunlich gelassen: „Es war ein Hund.“
Andere machten sich mit ihren Hunden auf Spurensuche. Dabei marschierten „wichtige“ Menschen und Hunde kreuz und quer über das feuchte Feld, sodass anschließend der einzigen vom NABU für solche Fälle ausgebildete Fachfrau, die mit Zollstock und Fragebogen angereist war, nichts anderes übrig blieb, als bekannt zu geben, dass sie dazu nichts sagen könne.
Die Frage, die nur wenig angezweifelt wurde, war: Ist es überhaupt ein Wolf? Wölfe sind von manchen Hundearten oder Wolf-Hund-Mischlingen selbst für Experten nur schwer zu unterscheiden. Ein Foto zeigte ein wolfsähnliches Tier von hinten, das vor zwei Autos vorbeilief. Für einen „wilden“ Wolf sah es eigentlich zu gut gefüttert aus.
Das Tier war offensichtlich verletzt. Vermutungen gab es viele: „Mehrfach zertrümmertes Bein.“ „Vermutlich innere Verletzungen.“ Am nächsten Tag meldete sich eine Frau, die angeblich einen Wolf angefahren hatte.
Aus Aufregung wurde Mitleid: „Das aaaaaarme Tier“, schrieben besorgte Bürger Leserbriefe. „Da muss man doch helfen.“
Einige waren der Auffassung, es sei wohl besser, den Wolf gleich zu erschießen, damit er nicht unnötig leide.
Um es gleich zu sagen: Auf keinen Fall muss ein wilder Wolf mit einem gebrochenen Bein „erlöst“ werden. Das ist völliger Blödsinn. Ich habe in 20 Jahren Beobachtungen von frei lebenden Wölfen immer wieder gesehen, dass die Tiere sich sehr schnell von schwersten Verletzungen erholen. Er muss auch nicht eingefangen und versorgt werden. Der Stress wäre für das Tier deutlich schlimmer als die Verletzung, da diese ja offensichtlich keine allzu große Behinderung war, wenn das verängstigte Tier sehr schnell vor den Menschen geflüchtet ist. Wölfe stehen übrigens unter strengstem Artenschutz. Auch verletzte Wölfe dürfen nicht erschossen werden. Dies hat ein Gericht erst kürzlich bestätigt.
Was immer es war oder ist, der „Wolf“ vor meiner Haustür hat einige Aufregung verursacht. Was mich unglaublich freut, ist, dass die Menschen durchweg positiv gestimmt waren. Kein Rotkäppchensyndrom. Stattdessen viele Aussagen, dass Wölfe nicht gefährlich seien.
Wir sind weit gekommen, und unsere Aufklärung scheint sich langsam auszuzahlen. Die Menschen lernen wieder, mit Wölfen zu leben. Zwar polarisiert der Wolf immer noch: Man liebt ihn oder man hasst ihn. Aber es gibt heute wieder sehr viel Menschen, die ihn lieben.
Über den „Wolf“ bei Gießen gab es bis zu meiner Abreise keine neuen Informationen. Ich wünsche dem Tier, dass es in Ruhe gelassen wird und irgendwo zurückgezogen seine Verletzung ausheilen kann. Was immer die Menschen glauben gesehen zu haben, sie alle haben etwas ganz Besonderes erlebt und werden von diesem Erlebnis ihren Kindern und Enkeln weitererzählen – mit einem Lächeln im Herzen.
Mehr kann ich mir als Wolfsschützerin nicht wünschen.

Live-Berichte von meinen Yellowstone-Wolfsbeobachtungen gibt es ab 20. Januar online hier: http://yellowstone-wolf.blogspot.com

WOLFSPUREN
Beitrag Der Wolf vor der Haustür von Elli H. Radinger
vom 15. Jan. 2011


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