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Zur Hölle mit Weihnachten von Andreas Gruber
Crossvalley Smith © http://www.crossvalley-design.de Und die Nacht fiel herein, und der Himmel wurde schwarz. Vom zerklüfteten Felsthron stieg Luzifer. Donnernd stampfte er mit dem Pferdefuß auf, das Vulkangestein der Hölle erzitterte. Es roch nach Schwefel. Magma tropfte von der Decke, dampfte und brannte sich um ihn in den Boden.
Es ist soweit. Er hielt sich mit der Klaue das linke Nasenloch zu, zog den Rotz geräuschvoll auf und spuckte den Schleim auf den Boden. Zischend verdunstete die Spucke. Zurück blieb ein eingetrockneter grüner Rand.
Der Höllenfürst blickte sich um. Verflixt! Keines seiner Teufelchen hatte die grausige Demonstration gesehen. Macht nichts! Sein Personal, dieses stockfaule Lumpenpack, lungerte wahrscheinlich in der Folterkammer auf einem heißen Stein und vertrieb sich die Zeit mit Kesselspielen. Meist artete die Beschäftigung so aus, dass sie in hohem Bogen in die Kupferkessel pinkelten. In den Bottichen saß noch immer jene Fuhre Bischöfe, die er vor Monaten bekommen hatte und solange behalten wollte, bis Gott endlich in einen Gefangenenaustausch einwilligte. Der alte Knacker mit dem weißen Bart sollte ihm endlich die Steuerhinterzieher aushändigen, die irrtümlich im Himmel gelandet waren. Luzifer rieb sich die Hände. Schon seit Monaten spitzte er auf diesen Austausch. Steuerhinterzieher zu quälen war viel amüsanter als Bischöfe zu sekkieren, denn die schrien nicht, sondern beteten die ganze Zeit über. Wie langweilig!
Egal! Luzifer scharrte mit dem Huf auf dem Boden. Heute stand ohnehin etwas anderes auf dem Programm. Etwas viel besseres!
Mit den Klauen fuhr er sich durch das verfilzte, struppige Fell, kraulte sich den Bauch, ringelte den Schweif ein und stapfte weiter durch die Hölle. Am Ende des Tunnels stand ein vertrockneter Adventkranz mit vier schmächtigen Kerzen auf einem Steinsockel.
Ho, ho, ho!, rief er in seiner tiefsten Stimme. Die Adventzeit ist vorüber! Heute ist fröhliche Weihnacht!
Mit einem Feuerstoß versengte er den Kranz. Im Nu schmolzen die Kerzen zu einem Klumpen Wachs, die Fichtennadeln verkohlten, der Holzschmuck knackte und ging in einer Stichflamme auf. Zurück blieb ein Häuflein Ruß.
Gibt nicht viel her, grunzte er. Von einem Haken an der Wand griff er sich eine rote Stoffjacke, schlüpfte hinein und knöpfte sie vor dem Wanst zu. Umständlich schlüpfte er in die dazupassende rote Hose. Dabei entwich ihm ein garstiger Darmwind, der donnernd an den Tunnelwänden widerhallte. Seine Nasenhaare rollten sich ein.
Donnerwetter! Er wedelte sich mit der Klaue vor der Nase herum.
Als er schließlich ganz in der Hose steckte, war ihm sein langer Schweif im Weg. Er ringelte ihn zusammen und klemmte ihn sich vorne zwischen die Beine.
Meine Güte!, rief er, als er die Ausbeulung sah.
Dann schlug er mit den Klauen die linke Hosenstulpe um. Niemand durfte seinen Pferdefuß sehen. Die Tarnung sollte perfekt sein. Wenn auch nur eines seiner Teufelchen blöd grinste, würde er es mit einem Feuerstoß grillen. Da kannte der Höllenfürst keinen Spaß.
Zuletzt zog sich Luzifer eine rote Zipfelmütze mit weißer Quaste über den Kopf. Die beiden Hörner zerrissen dabei den Stoff und ragten wie Stahlstifte aus der Mütze.
Gut! Zufrieden betrachtete er sein Spiegelbild in einem an der Felswand erstarrten Magmafluss. Er leckte sich die Klaue und strich sich damit eitel über den Ziegenbart am Kinn. Er wandte sich um, stieß einen Pfiff aus und rief: Flitzer, Donner, Tänzer, Rudolf! Los!
Mit wildem Geheul trabten vier zottelige, stinkend sabbernde Höllenhunde um die Ecke. Wild stemmten sich die Bestien ins Geschirr und zerrten einen Schlitten über das Felsgestein. Funken stoben von den Kufen davon und verglühten an den Wänden.
So ist´s brav! Luzifer zauberte sich ein Stück rohes Fleisch in die Hand. Gierig rissen es ihm die Höllenhunde aus der Klaue, schmatzend schlangen sie die Brocken hinunter. Von mehrmaligem Kauen hatten die Viecher noch nie etwas gehört.
Luzifer wollte sich auf den Kutschbock des Schlittens werfen, als sein Blick auf das Nummernschild fiel.
Oha! Seine buschigen Augenbrauen hüpften in die Höhe. Er lief um den Schlitten herum, stolperte über die eigene Hosenstulpe, stieß einen nicht gerade jugendfreien Fluch aus und kniete sich vor der Nummerntafel nieder. Mit der Klaue verbog er die Eisenstreben und stellte das Schild auf den Kopf. Jetzt hieß es 999H. Er grinste zufrieden und bleckte die Zähne. Die gespaltete Zunge flitzte ihm dabei aus dem Mund und züngelte über das Kinn. Er würde jene Ausnahme nur an diesem einen besonderen Tag machen, wo er als Weichnachtsmann auftreten wollte.
Immer mehr Menschen wünschten sich Weihnachten zur Hölle. Wenn dieser Stress doch bloß zu Ende wäre! hörte er sie jammern. Gut! Kein Problem, hatte er amüsiert gedacht. Ihnen kann geholfen werden. Und wie! Weihnachten war jetzt zu seinem Fest geworden. Dieses Jahr hatte er zum ersten Mal eine Gegenveranstaltung angekündigt. Alle seine Hexen, Dämonen, Teufelchen und Folterknechte waren im wahrsten Sinne des Wortes Feuer und Flamme gewesen. Seit vier Wochen liefen die Vorbereitungen. Heute, am vierundzwanzigsten Dezember, war die Uraufführung.
Sozusagen, als Satan Claus! Er hielt sich vor Lachen den Bauch. Sonst war niemand da, der sich über den ausgelutschten Witz erheitern konnte. Mit einem Boing sprang einer der Jackenknöpfe davon und zischte als Querschläger durch die Gänge der Hölle. Die Hunde kläfften wild, schüttelten ihr Fell, trieften und sabberten aufgebracht und hinterließen eine riesige Lache auf dem Boden.
Brave Hündchen. Luzifer streichelte die Köpfe mit den werwolfartigen Fängen. Er warf sich auf den Kutschbock, ließ die Peitsche aus Ziegenleder knallen und raste auf dem Schlitten quer durch die Tunnel.
Ho, ho, ho! Mit einer Klaue hielt er sich die Mütze fest. Die weiße Quaste flog im Fahrtwind hinterher.
Der Schlitten scharrte auf einer Kufe funkensprühend um die Kurve. Es ging hinauf und hinunter, bergauf und über endlose Serpentinen bergab. Nach einem Looping zwischen den Steinsäulen beruhigte sich die rasante Talfahrt. Luzifer steuerte den Schlitten in eine mächtige Höhle. Eine Nasenlänge vor ihm begann das Fest. Er riss an den Zügeln, die Höllenhunde jaulten auf und bremsten sich ein.
Luzifer grinste. Seine Teufelchen hatten ganze Arbeit geleistet. Der große Veranstaltungssaal der Hölle war fein herausgeputzt, mit Punschhütten waren künstliche Straßen errichtet, gar ein ganzes Dorf nachgeahmt worden. An den Stalaktiten hing eine grell blinkende Straßenbeleuchtung mit ... hoppla, was war das? Eigentlich schwebten ihm für das Fest andere Motive vor, diabolische Muster und düstere Symbole. Die Schneeflocken, Tannenzweige und leuchtenden Sterne verwirrten ihn. Aber so übel war es auch nicht. Man sollte ihm nicht nachsagen, er wäre intolerant. Zumindest würde diese Beleuchtung auf Erden fehlen, in irgendeiner Straße eines lausigen Bauernkaffs. Gut gemacht! Ho, ho, ho!
Wie man wusste, war es in der Hölle zu heiß für Schnee. Bei diesen Temperaturen würde der Schnee Blasen werfen und im Nu verdampft sein, wie bei einem Saunaaufguss. Selbst Kunstschnee wäre innerhalb eines Augenblicks verpufft. Deshalb lagen haufenweise Styroporfussel herum. Die Straße war mit einer zentimeterdicken Schicht bedeckt, an den Vulkanfelsen hingen mannshohe Wechten und eine Windmaschine wirbelt die Kügelchen in weiten Bögen durch die Höhle. Luzifer kniff die Augen zusammen. Die weißen Styroporkügelchen hingen in seinem Gesicht, verklebten ihm den Bart und die Augenbrauen. Irgendein Idiot hatte die Sache mit dem Schnee gut gemeint und übertrieben. Ein Trupp Teufelchen mit Schippen und Kübeln wuselte von einer Straßenecke zur nächsten und verstreute tonnenweise Salz. Der Schlitten würde eine Unterbodenwäsche brauchen. Authentizität war eine Sache, den Bogen zu überspannen eine andere!
Luzifer putzte sich das Styropor aus dem Gesicht, er spuckte die Kugeln in alle Richtungen. Ein kleines Teufelchen lief an seinem Schlitten vorbei. Es trug einen Wollschal um den Hals und hatte ein Paar Eislaufschuhe über die Schulter geworfen. Fröhlich grinsend winkte es Luzifer zu. Frohe Weihnacht.
Du mich auch! Luzifer bleckte die Zähne.
Erschrocken vertrollte sich das Teufelchen in eine Schneewechte.
Luzifer knallte mit der Peitsche und lenkte den Schlitten mitten ins Schneetreiben. Am Straßenrand türmten sich Schneemänner auf, mit zerfledderten Zylindern und Karotten als Nasen. Rodeln, Schibobs und Snowboards steckten im Schnee. So wie das hier aussah, hatten seine Teufelchen das gesamte Accessoire einer Schipiste mitgehen lassen. Ein Wunder, dass sie hier keinen Schlepplift aufgebaut hatten, dachte er. Da schlug ihm von hinten ein Bügel an den Kopf. Er blickte auf. Über ihm spannten sich die Drahtseile einer Sesselliftanlage. Eine Horde Teufelchen, mit Mütze, Anoraks, Schi und Schistecken, winkte von den Dreisitzern.
Als mir Gott sagte, ihr seid gefallene Engel, vergaß er zu erwähnen, dass ihr auf den Kopf gefallen seid!, fluchte Luzifer. Zornig drohte er mit der Klaue. Ich sagte, ihr sollt für weihnachtliche Stimmung sorgen, aber keinen Schiort aus dem Boden stampfen!
Luzifer rieb sich den Schädel. Mit einem kräftigen Peitschenhieb trieb er die Hunde weiter. Fehlte noch, dass irgendwo eine Schneelawine runterging. Kaum war der Satz zu Ende gedacht, klatschte eine fette Schneewechte in den Schlitten und begrub ihn bis zum Bauch. Seufzend schaufelte er den künstlichen Schnee aus dem Schlitten und putzte sich die Jacke ab. Wenn man sich nicht um alles selber kümmert, dachte er bitter.
Vor einem Punsch-Stand hielt er die Höllenhunde an.
Frohe Weihnacht! Ein Teufelchen reichte ihm einen Becher Glühwein.
Was soll daran froh sein?, schnauzte Luzifer. Sein hirnverbranntes Personal übertrieb es in jeder Hinsicht. An den Fenstern des Holzschuppens klebten bunte Window-Colours mit Schneemann- und Tannenbaum-Motiven, und auf der Theke standen brodelnde Ölduftlampen und Bienenwachskerzen, die rasch zerschmolzen. Strohsterne baumelten vom Dach, die allerdings nicht lange hielten und zischend in Flammen aufgingen. Ekelhaft! Kein Wunder, dass sich die Menschen Weihnachten zur Hölle wünschten. Aus dem Inneren des Stands drangen Klänge weihnachtlicher Musik. Zu diesem einschläfernden Takt würde sein Pferdefuß nicht in Tausend Jahren wippen. Die Heilige Jungfrau Maria hätte den Text von Oh, du Fröhliche nicht besser singen können. Luzifers Magen stülpte sich um.
Hastig kippte er den Glühwein in einem Zug hinunter. Yahooo! Der Stoff brannte wie Feuer. So war es richtig! Mit einem Feuerstoß schmolz er den CD-Player an die Wand. Das Teufelchen starrte verdutzt auf den stinkenden Klumpen aus Plastik und Metall. So schlecht war es gar nicht.
Hundertmal habe ich dir gesagt, was für eine Musik ich möchte! Nennst du diesen Schmus etwa eine punkige Black-Metal-Version?
Das Teufelchen zuckte mit den Achseln und deutete auf eine Schüssel mit selbstgebackenen Keksen. Luzifer betrachtete die Motive. Beim Anblick der Pentagramme lachte sein Herz. Wenigsten das hatten sie ordentlich hinbekommen. Schon war er wieder einigermaßen versöhnt, als sein Blick auf mehrere Tafeln fiel, die neben dem Punsch-Stand im Schnee steckten. Oha! Irgendein Idiot hatte mit Kreide Weihnachtsabverkauf minus 50 Prozent auf das Schild gekritzelt. Dahinter fanden sich weitere Tafeln: Günstige Christbaumkugeln, daneben Adventmarkt: Krippenspiele, Hinterglasmalerei, Strohsternbasteln für Fortgeschrittene, Heiligenscheinbasteln aus Eicheln und Moos.
Ein Teufelchen kam mit einer Pfanne durch den Schnee gestapft. Zwölf Maroni zum Preis von zehn!, brüllte es.
Ein anderes Teufelchen stolzierte mit einem Bauchladen über die Straße. Bratäpfel, Schokobrezel, Zuckerwatte, kandierte Früchte!
Ein weiteres Teufelchen zerrte eine Krims-Krams-Bude mitten auf die Straße. Trickfilme, Weihnachtsvideos!
Eine Horde Teufelchen rasselte mit Geldbüchsen.
Spendet für Licht ins Dunkel!
Spendet für den Stephansdom!
Spendet für Nachbar in Not!
Schnauze! Luzifer blähte die Nüstern.
Na warte! Die Burschen würde er sich vorknöpfen. Wo waren wir hier? Etwa auf dem Wiener Naschmarkt oder auf der Mariahilferstraße beim Christmas-Shopping?
Frohe Weihnacht, rief das Teufelchen nochmals aus dem Stand. Mittlerweile hatte es sich die rote Zipfelmütze über den Kopf gezogen und so viel Punsch getrunken, dass es nicht mehr aufrecht stehen konnte. Bevor es stockbesoffen umfiel, kotzte es quer über den Tresen, danach fiel es krachend auf den Holzboden des Stands.
Angewidert putzte sich Luzifer die Jacke ab. Wenigstens hatte sich das Teufelchen zu Tode gesoffen und kein Weihnachtslied gesungen. Ein Funke von Hoffnung schien noch da zu sein. Aus dem Inneren des Stands drang ein Rülpser, plötzlich gurgelte das Teufelchen die Melodie von Oh, du Fröhliche.
Luzifer verdrehte die Augen. Er knallte mit der Peitsche.
Aus dem Weg!
Er trieb den Schlitten zwischen den Buden hindurch, in das Schneegestöber. Endlich gelangte er auf den Hauptplatz. Wie befohlen, hatten seine Teufelchen mitten unter der höchsten Kuppel der Hölle einen riesigen Baum errichtet, den sie gewiss vom Hauptplatz irgendeines Bauerndorfs gestohlen hatten. Die Tanne war aufgeputzt allerdings nicht mit Pentagrammen und verkehrten Kreuzen, wie er es angeordnet hatte, sondern mit Kerzen, Lametta, Weihnachtskugeln, Christbaumschmuck und ... aaahhh ... tonnenweise Engelshaar! Luzifer wurde übel. Die Tannenzweige bogen sich zu Boden. Darunter lagen Holzkrippen und Tausende Geschenke, eingewickelt in Packpapier mit bunten Schleifen. Wo war der Kessel mit dem blubbernden Pech? Konnten seine Teufelchen nichts richtig machen?
Er hoffe, bei den Paketen handelte es sich um Attrappen. Oder waren seine kleinen Teufelchen so weit gegangen, echte Geschenke von der Erde mitgehen zu lassen? Aus den Verstecken der Menschen, aus den versperrten Schränken, Kästen und Kellerabteilen? Fehlte noch, dass sie sich mit Scootern, Pokémons, GameBoys, TechnicLego und PlayStations beschenkten. Zuzutrauen wäre es ihnen!
Ho, ho, ho! Luzifer bimmelte mit einem Glöckchen, das er aus der Tasche kramte.
Wie auf Kommando stürzten ein paar Dutzend Teufelchen herbei, umringten den Weihnachtsbaum und ... hoppla, was war das? Waren die noch bei Trost? Luzifer fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Auf den Rücken der Teufelchen klebten Engelsflügel aus Pappkarton und auf den Köpfen thronten Drahtgestelle mit Heiligenscheinen. Gemeinsam grölten sie eine etwas heftig geratene, ordinäre Rapp-Version von Ihr Kinderlein kommet. Wenigstens das war in Ordnung, dachte Luzifer einsichtig. Solange die Bande keine Kaufhausmusik trällerte, gab er sich mit jedem Song zufrieden. Er atmete tief durch und ließ die Schultern sinken. Plötzlich versteifte sich sein Rückgrat. Aus dem Schneegestöber senkte sich ein gewaltiger Schatten, der wirkte, wie ein enormer
wie ein riesiger
wie ein unglaublich großer ...
Nein! Noch bevor Luzifer die Klauen hochreißen konnte, tönte schallende Kaufhausmusik aus dem Lautsprecher. Die Teufelchen tanzten fröhlich um den Baum.
Luzifer nahm Reißaus. Er hielt sich die Ohren zu, preschte mit dem Schlitten am Tannenbaum vorbei, bis er sich vor einer Reihe Tische einbremste. Darauf hatte sein Höllenpersonal ein mehrgängiges Weihnachtsbuffet errichtet. Sein Blick schweifte über Pfeffernüsse, Gänsebraten, Spekulatius, Plumpudding, Dresdner Christstollen und einen ... war das Brikett etwa ein verkohlter Truthahn? Aber wo waren die gebratenen Käfer und Spinnen, die er so gern mochte? Wo blieb die schillernd grüne Dämonengrütze? Seine Belegschaft hatte nur die garstigen Dinge aus den entlegensten Ländern der Erde zusammengetragen. Irgendwo würde das jetzt fehlen. Immerhin! Man konnte nicht alles haben. Elende Dilettanten!
Luzifer brüllte ein derbes Tischgebet, seine Teufelchen setzten der Reihe nach ein, gemeinsam rezitierten sie eine dämonisch abgewandelte Form des Vater Unsers. Wenigstens das konnten sie!
Als Luzifer fertig war, sah er sich in der Runde um und blickte in die Fischaugen eines fetten, speckigen Weihnachtskarpfens mit geblähtem, schillernden Bauch und einer Zitrone im Maul. Ihn würgte. Er ließ einen garstigen Rülpser los. Seine Teufelchen rümpften die Nase und kniffen die Augen zusammen. Unwillkürlich war Luzifer ein Feuerstoß entfahren. Mit einem spektakulären Fluscher versengte er den aufgeputzten Christbaum, der sich binnen Sekunden in ein Häuflein Asche verwandelte. Ein Funke flog, ein Kabel schmorte durch, die Glühbirnen der Straßenbeleuchtung zerplatzten der Reihe nach. Scherben prasselten zu Boden. Es qualmte und stank nach Kabelbrand.
Ho, ho, ho! Luzifer klatschte entzückt in die Klauen. Er grölte amüsiert, kicherte, gackerte und hielt sich den Bauch vor Lachen. Plötzlich verstummte er. Offenbar war er der einzige, der sich freute. Die kleinen Teufelchen jammerten beim Anblick der zu Briketts verbrannten Tanne.
Ruhe! Luzifer wischte mit der Klaue durch die Luft.
Traurig hingen ihnen die Heiligenscheine vom Kopf und die Flügel von den Schultern. Sensibles Pack! Die Teufelchen waren auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Heutzutage bekam man nur noch lausige Stümper. Luzifer schielte zur Tanne. Ein letzter, einsam abstehender Ast zerbröselte zu Staub. Gut so! Hier in der Hölle gab es ohnehin keinen Biomülltransporter, der den alten Baum abholen würde.
Luzifer hob die Arme, sprach seine Jugendverbotsfassung des Weihnachtssegens, beorderte seine Teufelchen zur anschließenden Schwarzen Mitternachtsmette und beendete den gesamten Schnickschnack mit einem sonoren Ho, ho, ho!
Danach wurde es Zeit für ihn, aus dem verschwitzten Weihnachtskostüm zu klettern und sich in seinen Ofen schlafen zu legen. Wahrscheinlich war der Morgen schon längst angebrochen. Luzifer gähnte. Beim Gedanken an die nächste Nacht stellte sich ihm büschelweise das Nackenfell auf. Er hasste die Verwandtenbesuche bei Opa Satan und Oma Beelzebub. Er würde Opas Geschichten von Früher zu hören bekommen und Omas grauenhafte, steinalte Weihnachtskekse essen müssen, die sie bereits vor Wochen in den Höllenöfen für ihn gebacken hatte. Mit Sicherheit waren die Plätzchen so hart, dass man sich damit einen Tunnel durch den Vulkanfels graben konnte. Keine seiner Ideen war jemals so blöde wie diese gewesen! Bestimmt war das die erste und letzte Gegenveranstaltung der Hölle. Das Weihnachtsfest gehörte den Menschen, es sollte auf der Erde bleiben!
Er tröstete sich mit dem Gedanken: In einer Woche war Silvester! Wenn Gott bis dahin nicht in den Gefangenenaustausch eingewilligt hatte, stand Bleigießen auf dem Programm. Bleigießen, he, he! Erfreut rieb er sich die Klauen. Er dachte an die Fuhre Bischöfe. Würden sie dann immer noch nicht schreien?
Luzifer grinste. Manche Bräuche der Menschen waren recht nützlich.
24. Dez. 2007 - Andreas Gruber
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