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Nachfolger gesucht von Margret Schwekendiek
Mario Moritz © http://www.sf-welten.de Das Herz der Galaxis
Hey, hallo Sie, bleiben Sie mal stehen. Ich brauche einen Nachfolger. Leider bin ich nicht in der Lage, eine galaxisweite Stellenanzeige aufzugeben. Aber schon, um Ihnen die Aufgabe schmackhaft zu machen, bin ich gern bereit, Ihnen einen kleinen Abriss über meine Aufgaben zu liefern.
Also bitte
hallo, Sie, ich rede mit Ihnen. Nicht davonlaufen, schließlich brauche ich Ihre Hilfe. Nun gut, noch einmal von vorn. Ich brauche einen Nachfolger, und ich bin fest davon überzeugt, dass Sie der Richtige sind. Ich will Ihnen kurz erklären, worum es geht. Sehen Sie, bei mir laufen fast alle Fäden zusammen, ich steuere diesen ganzen Organismus, und sämtliche Nerven haben die Knotenpunkte in meiner unmittelbaren Nähe, so dass ich stets darüber informiert bin, wenn sich irgendwo unvorhergesehene Zwischenfälle ereignen. Nehmen Sie nur mal die Außenbezirke. Man könnte die Transportwege der Raumschiffe als Adern bezeichnen, und die Lebewesen, die da drinnen herumwimmeln, als Blutkörperchen. Zumindest diejenigen, die hier beheimatet sind. Auch wenn sie nicht immer genau das tun, was ich von ihnen erwarte - oder was gut für die Galaxis wäre - so sind sie jedoch meist recht nützlich. Ich kann ihre überschüssige Energie in die richtigen Bahnen lenken, indem ich die Raumstrassen öffne oder sperre. Es hat eine Weile gedauert, so 20 000 Jahre etwa, bis die quirligen Lebewesen begriffen haben, was ich von ihnen erwarte. Aber mittlerweile klappt die Zusammenarbeit recht gut, nun, jedenfalls in den Außenbezirken. Es kommt immer wieder zu kleineren Scharmützeln, wenn Eindringlinge versuchen, die Unversehrtheit des Organismus anzugreifen. Das darf nicht geschehen, also gibt es an diesen neuralgischen Stellen auch schon mal heftige Kämpfe, bei denen die Blutkörperchen in Scharen vernichtet werden. Aber das macht nichts, schließlich werden immer wieder neue davon produziert.
Doch was rede ich so lange von den Außenbezirken, es gibt wichtigeres. Neben mir, der ich meiner Meinung nach das Wichtigste überhaupt bin, der Primus inter Pares, gibt es noch einige Gleichwertige, die für das Funktionieren der Galaxis notwendig sind - aber alles ist abhängig von meinem reibungslosen Funktionieren. Selbst die übergeordnete Macht, nennen wir sie das Gehirn, wäre ohne mich nicht in der Lage, auch nur einen Gedanken zu fassen, geschweige denn seine Macht zu demonstrieren.
Sie haben sicher längst verstanden, wer und was ich bin - ich bin das Herz der Galaxis, der Mittelpunkt eines einzigartigen Organismus, der Milliarden von Lebewesen, Tausende von Planeten und unzählige Sonnen am Leben erhält. Natürlich gibt es ab und zu ernste Bedrohungen, zum Beispiel der Schwarze Loch in der Nähe von Alpha Centauri, das wie ein Krebsgeschwür eine ganze Reihe von Systemen verschlungen hat, bevor es mir und den Blutkörperchen gelang, die Krankheit einzudämmen. So etwas tut weh, glauben Sie mir das. Der ganze galaxisweite Organismus musste darunter leiden, und die Nervenbahnen, wie auch die Adern, wurden so stark beansprucht, dass ich, das Herz, fast bis in den Kollaps getrieben wurde. Schmerzen verursachen auch die erlöschenden Sonnen, sie bilden absterbende Zellen innerhalb der funktionierenden Einheit.
Das alles hat mich stark geschwächt, und doch hätte ich von allein wieder zu Kräften kommen können, wären da nicht diese....
Nein, ich sollte eigentlich nicht einmal daran denken, es ist so schrecklich. Aber ich muss es wohl erklären, denn sonst verstehen Sie ja nicht, warum ich einen Nachfolger brauche.
Also - es begann alles eigentlich recht harmlos. Eine der Raumstrassen, durch die täglich tausende der technischen Spielzeuge voll mit Lebewesen fliegen, kollabierte ohne Grund. So etwas kommt vor und ist zu unwichtig, als dass ich mich darum gekümmert hätte, schließlich gibt es noch genug davon. Aber scheinbar sind die Lebewesen in der Straße nicht anständig abgestorben, sie fanden unverschämterweise einen Weg am Leben zu bleiben. Nicht nur das, sie manipulierten die kollabierte Straße und riefen so eine Raum-Zeit-Verzerrung, eine Verstopfung der Adern, hervor. Langsam und schleichend wurde so aus einer kleinen, kaum beachteten Störung, ein großes Problem. Ich hatte immer mehr zu tun, musste mich immer mehr anstrengen, während die Leistung immer mehr abnahm. Es kam zu Fehlfunktionen, einem Infarkt, und viele der Lebewesen auf den Planeten, wie auch eine ganze Reihe der Raumstrassen starben völlig ab, während andere Blutkörperchen ein Eigenleben entwickelten, das ihnen gar nicht zustand. Obwohl ich ständig voll beschäftigt war, bemerkte ich zunächst nicht einmal etwas von dieser gravierenden Veränderung. Als mir klar wurde, wohin meine Energie abgezogen wurde, war es schon fast zu spät. Sofort alarmierte ich die übergeordnete Einheit, das Gehirn. Wir mussten uns auf dem schnellsten Wege selbst helfen, bevor es zu spät war. Wir wären nicht die erste Galaxis, die von einem Augenblick auf den anderen aus dem Universum verschwindet, weil der Organismus zusammenbricht.
Schnell hatten wir die Ursache für die Probleme herausgefunden, doch die dafür verantwortlichen Lebewesen erwiesen sich als äußerst hartnäckig. Entartete Zellen, weiterentwickelte Blutkörperchen, die dem Geheimnis des Lebens auf der Spur waren, aber in ihrem Eifer weit über das Ziel hinausschossen. Es war eine große Anstrengung, sie nicht nur in ihre Schranken zu weisen, sondern sie völlig aus dem Organismus zu entfernen. Gewisse Grenzen sollten eben nicht überschritten werden, das haben diese kleinen Blutkrebse jetzt hoffentlich gemerkt.
Das Gehirn sorgte dafür, dass der Planet und die lästigen Lebewesen eliminiert wurden, um weitere Versuche dieser Art zu verhindern. Dazu musste ich jedoch die Nervenknoten und die wichtigsten Lebensbahnen in diesem Bereich stilllegen. Stellen Sie sich das nur vor, alles in meiner unmittelbaren Nähe.
All diese Anstrengungen haben mich so sehr geschwächt, dass ich meinen Aufgaben nur noch mit größter Mühe nachkommen kann.
So, nun wissen Sie das Wichtigste. Hätten Sie Lust, meine Stellung einzunehmen? Ich kann Ihnen versprechen, dass Ihr Leben nicht langweilig wird. Ich finde es immer wieder faszinierend, die kleinen Lebewesen zu beobachten. Sie geben sich so große Mühe, sich selbst für wichtig zu halten, dabei sind sie doch nicht mehr als die Einzelteile eines großen Ganzen. Also, möchten Sie mein Nachfolger werden? Die Bezahlung ist mies, zugegeben, und die ständige Einmischung vom Gehirn, das die Winzlinge ihren Gott nennen, und das deshalb ziemlich arrogant geworden ist, kann ausgesprochen lästig sein. Aber trotzdem sind Sie das wichtigste in der ganzen Galaxis. Sie steuern einen ganzen Organismus, beeinflussen Milliarden von Lebewesen und sind Mittelpunkt des schönsten, was das Universum zu bieten hat.
Sagte ich es nicht schon: Sie sind das Herz der Galaxis. Nehmen Sie meinen Platz ein, bevor es zu spät ist, denn ich habe nicht mehr lange zu leben. Die Galaxis braucht ein neues Herz, der nächste Infarkt steht kurz bevor, und den werde ich nicht überstehen.
Dies ist das Stellenangebot mit allen Vor- und Nachteilen. Sie werden doch nicht etwa ablehnen? Also wirklich, nun hören Sie mal, Sie können dieses einmalige Angebot nicht einfach beiseite legen. Sie sollten es als Ehre betrachten, überhaupt in die engere Wahl gezogen worden zu sein.
Ja, ich rege mich auf, sooft und solange ich will. Sie sollen jetzt endlich Ihre Arbeit antreten.
Was soll das heißen, dieser Job ist Ihnen zu stressig? Was glauben Sie überhaupt, wer Sie am Leben erhält? Es ist Zeit für ein bisschen Dankbarkeit. Nun lösen Sie mich schon endlich ab. Ich kann nicht mehr.
Herz an Gehirn, es entsteht gerade ein neuer Infarkt, sämtliche Raumstrassen sind blockiert, ich habe keinen Zugriff mehr....
Gehirn ein neues Herz. Es gab eine schwerwiegende Störung, die Versorgung lebenswichtiger Bereiche wurde unterbrochen. Ein Teil meiner Neuronen ist abgestorben, ein Neustart ist zwingend erforderlich. Ich muss Ersatz finden, um das Überleben des Organismus gewährleisten.
Hey, hallo Sie, bleiben Sie mal stehen. Ich brauche einen Nachfolger.
26. Apr. 2009 - Margret Schwekendiek
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