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Wie das Schokofresserchen die Schokolade stibitzt
von Thomas Backus

Peter Wall Peter Wall
© http://www.picturewall.eu
Tief im Wald gibt es eine Lichtung, wo kein Tier hingehen mag. Unheimliche Geräusche dringen dort aus dem Boden.
Was weder Igel noch Hase wissen, tief im felsigen Boden ist eine kleine Höhle in der ein Schokofresserchen schnarcht. Das kleine blaue Monster räkelt sich unter einer Decke aus Schokoladenpapier. Es träumt von Schokoweihnachtsmännern und lächelt zufrieden.
Schokofresserchen fressen für ihr Leben gern Schokolade - und Weihnachtsmänner aus Schokolade schmecken ihnen besonders gut. Und weil ihnen nichts so gut schmeckt, wie ein Schokoweihnachtsmann, schlafen sie das ganze Jahr, bis der Duft von Weihnachten sie aufweckt.
Plötzlich ist das Schokofresserchen hellwach. Es riecht nach Weihnachtsbaum und Zimt und Plätzchen und Kerzen – und Schokolade. Nach viel Schokolade.
„Weihnachten, endlich Weihnachten“, murmelt es.
Es strampelt das Schokoladenpapier von seinem dünnen Bäuchlein und kriecht erst raus aus seinem Bett, und dann raus aus seiner Höhle.
Sein kleiner Rüssel schnuppert in der Luft und es weiß genau, wohin es zu gehen hat. Zielstrebig stapft es durch den tiefen Schnee, durch den Wald, bis es vor einem Menschenhaus steht und sehnsüchtig durch das Fenster starrt.
Da ist ein kleiner Junge, der unter dem Christbaum mit seinem Roboter spielt.
„Alpha 1 an Mondbasis, Landung vorbereiten … Mondbasis and Alpha 1 – Es wehen kräftige Düfte aus Richtung Küchenplanet. Seien Sie bei der Landung äußerst vorsichtig!“
Der Junge spricht nicht sehr laut, aber das Schokofresserchen hat monstermäßig gute Ohren.
„Stille Naaacht, heilige Naaacht…“ Die Mutter singt in der Küche so glockenhell wie ein Ochsenfrosch.
Das Schokofresserchen hält sich die Ohren zu.
Es mag keine Menschen, und Menschen, die laut und falsch singen, mag es überhaupt nicht leiden.
Der Junge lässt seinen Roboter durch das Zimmer fliegen, ganz langsam nimmt das Spielzeug Kurs in Richtung Couchtisch, dort wo der Schokoweihnachtsmann steht. Das Kind leckt sich die Lippen. Das ist sein Weihnachtsmann. Man sieht ihm an, es würde ihm so gerne ein Stück von der Zipfelmütze abbeißen.
Aber der Junge beherrscht sich, seine Mutti hat es ihm bestimmt verboten. Keine Schokolade vor dem Essen, sagen die Mütter immer, und wenn sie das sagen, dann meinen sie das auch.
Das Schokofresserchen findet das gut. So bleibt mehr Schokolade für ihn übrig.
Gierig lauert es vor dem Fenster, leckt sich die Lippen, so wie es der kleine Junge soeben getan hat. „Scho-ko-la-de“, murmelt es. Schon das Wort ist ein Genuss.

Szenentrenner


Dann kommt der große Moment. Das Schokofresserchen hört die Mutter sagen: „Noah, gehst du noch mal mit dem Hund raus?“
Der Junge steht artig auf und nickt. Es ist Weihnachten, da sind die Kinder alle besonders artig und tun brav alles, was ihnen die Eltern sagen.
Gut für das Schokofresserchen.
„Molly, wo ist die Leine?“, fragt der Junge.
Der braune Terrier mit den langen Beinen kommt Schwanz wedelnd angerannt und bringt die Leine gleich mit. Der Junge zieht sich Jacke, Schal und Mütze an und schon sind die beiden hinaus in den Winterabend gestürmt.
Jetzt muss noch die Mutter verschwinden.
„Hmmm, ich brauche noch Rotkraut“, klingt es aus der Küche.
Das ist Musik in seinen Ohren. Das Schokofresserchen reibt sich die großen Hände.
„Hoffentlich steht das Rotkraut im Keller“, flüstert es aufgeregt. „Bitte, lass das Rotkraut im Keller stehen!“
Es hat Glück.
Die Frau öffnet eine Tür und steigt eine Treppe hinunter. Genug Zeit für einen geübten Schokoladendieb.
Mit seinem Finger malt das Schokofresserchen eine wunderschöne Eisblume auf die Fensterscheibe. Durch das huscht es in das Haus hinein, wie durch eine Tür.
Dann geht alles blitzschnell. Es frisst die ganze Schokolade auf. Die Schokokugeln am Weihnachtsbaum, die Schokoriegel aus vom Weihnachtsteller und vor allem die Schokoläuse. Gierig schlingt es alles in sich hinein, bis es plötzlich Plong macht. Das dünne Bäuchlein ist plötzlich zu einer runden Kugel geworden und schleift auf dem Boden.
„Ohhhh“, sagt das Schokofresserchen. „Das habe ich kommen sehen!“
Es klingelt.
Gehetzt schaut sich das kleine Monster im Zimmer um. Hat es vielleicht noch etwas Schokolade übersehen?
Nein, das Zimmer ist absolut schokoladenfrei – alles aufgemampft!
Das Schokofresserchen huscht zurück zur Eisblume. Es ist sehr schnell, obwohl es seinen Bauch mühsam hinter sich herziehen muss.
Und Zack, ist es verschwunden.
Einmal blickt es sich noch um, und sieht, wie der Junge von einer älteren Frau noch einen Schokoweihnachtsmann bekommt.
Den hätte das Schokofresserchen auch noch gerne gemampft.
Wehmütig streicht es über seinen dicken Kugelbauch und trottet zurück in den Wald.
Vielleicht war das doch ein bisschen viel Schokolade gewesen. Dem kleinen Monster tut der Bauch weh.
Wie jedes Jahr.
Nun wird es monatelang Bauchschmerzen haben. Deswegen verkriecht es sich unter der Erde.
Dort schnarcht es dann so laut, dass alle Tiere das Weite suchen.
Es gibt nichts Schlimmeres als ein Schokofresserchen mit Bauchweh – oder vielleicht doch?
Ja, ein Schokofresserchen ohne Schokolade im Bauch, das ist schlimmer dran.
Das kleine Monster räkelt sich unter seiner Decke aus Schokoladenpapier und träumt von der nächsten Weihnacht, in der es sich wieder den Bauch vollschlagen wird. Das Schokofresserchen grinst dabei.
Peter Wall
Peter Wall
© http://www.picturewall.eu


18. Dez. 2009 - Thomas Backus

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