|
Gefallener Engel von Sven-André Dreyer
Crossvalley Smith © http://www.crossvalley-design.de 1. Der Beginn
"...Du warst das Abbild der Vollkommenheit, voller Weisheit und über die Maßen schön. In Eden warst du, im Garten Gottes, geschmückt mit Edelsteinen jeder Art, mit Sarder, Topas, Diamant, Türkis, Onyx, Jaspis, Saphir, Malachit, Smaragd. Von Gold war die Arbeit deiner Ohrringe und des Perlenschmucks, den du trugst; am Tag, als du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein glänzender, schirmender Cherub, und auf den heiligen Berg hatte ich dich gesetzt; ein Gott warst du und wandeltest inmitten der feurigen Steine. Du warst ohne Tadel in deinem Tun von dem Tage an, als du geschaffen wurdest, bis an dir Missetat gefunden wurde. Durch deinen großen Handel wurdest du voll Frevels und hast dich versündigt. Da verstieß ich dich vom Berge Gottes und tilgte dich, du schirmender Cherub, hinweg aus der Mitte der feurigen Steine. Weil sich dein Herz erhob, dass du so schön warst, und du deine Weisheit verdorben hast in all deinem Glanz, darum habe ich dich zu Boden gestürzt und ein Schauspiel aus dir gemacht vor den Königen. Weil du mit deiner großen Missetat durch unrechten Handel dein Heiligtum entweiht hast, darum habe ich ein Feuer aus dir hervorbrechen lassen, das dich verzehrte und zu Asche gemacht hat auf der Erde vor aller Augen."
Ezechiel 28, 12
Es war einer der schönsten Tage des Jahres, dunkelblau war nunmehr der Himmel, die Sonne versank glutrot im Meer. Die Wellen folgten gleichmäßig ihrem rhythmischen Lauf und unterstützten geräuschvoll Zikaden, die den Abend begrüßten. So saßen sie zusammen, als Luzifer mit schöner Stimme aus muskulöser und makelloser Brust seine Position in geselliger Runde hervorhob. Er sei der Schönste und der von Gott am meisten geliebte, da er der erste und schönste aller Engel war. Auch wenn die übrigen des Hochmutes überdrüssig waren, Luzifer sprach die Wahrheit. Er war der erste von Gott geschaffene Engel und zudem der Schönste von allen. Gestählt war sein Körper, frei von jeglicher Schuld. Er war mit Edelsteinen geschmückt und strahlte mit der Kraft der Selbstgefälligkeit. Gott hatte ihn einst beauftragt den Menschen das Licht und die Weisheit auf die Erde zu bringen.
Eine lange Zeit übte Luzifer die ihm aufgetragene Aufgabe zu Gottes vollster Zufriedenheit aus. Bald jedoch begann er damit die Menschen zu begreifen, er sah die Menschen wie sie wirklich waren: ungebildet und aggressiv. Gott, der stets das Gute im Menschen sah, maßregelte Luzifer und gebot ihm, wie allen Engeln, die Menschen zu ehren.
Die Sonne war nun vollständig untergegangen, einige Engel entzündeten Fackeln und langsam breitete sich eine angenehme Stille aus, die Gespräche der Engel wurden leiser, verstummten. Ein jeder hing seinen Gedanken hinterher und träumte sich fort. Leichte Windböen kamen auf, die den Geruch des Meeres in die felsige Bucht, in den mit Säulen bestandenen Tempel wehten. Die Engel begannen sich nach einem arbeitsreichen Tage zu entspannen. Angriffslustig funkelten nun Luzifers Augen. Er sah nicht ein, warum er ein solch primitives, den Engeln untergeordnetes Wesen wie den Menschen ehren sollte. Die Windböen wurden stärker und erste dunkle Wolken zogen über dem Meer auf. Unruhig wurde die See, die Gischt schäumte. Luzifer fasste seinen Plan.
2. Der Entschluss
Du aber gedachtest in deinem Herzen: «Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen, ich will mich setzen auf den Berg der Versammlung im fernsten Norden. Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten.»
Jesaja 14, 13
Die darauf folgenden Tage waren stürmisch und kalt. Dunkle Wolken zogen rasend über das Meer, weit draußen entluden sich Blitze, die Kraft der Natur drohte donnernd. Das Gras der Dünen stob im Wind auseinander, der Regen, unaufhaltsam und stark, ließ Bäche entstehen und bestehende Flüsse reißend ansteigen. In den entfernt stehenden Bergen hörte man bedrohliche Klänge, von Felslawinen und Erdrutschen verursacht. Schwarz stand die Front der Berge, die Gipfel in undurchdringbarem Nebel verschleiert. Die Engel rückten einander näher.
Luzifer war zu Untätigkeit verdammt, er konnte aufgrund des schlechten Wetters nicht reisen. Tage schon war er nicht mehr auf der Erde gewesen, Tage schon versorgte er die Menschen nicht mehr mit Weisheit und Licht. Tage schon verweigerte nun Luzifer die ihm übertragene Aufgabe. Sein Stolz wurde zu Hochmut, seine Wut zu Aggression. Er wurde denen ähnlich, die er am meisten verabscheute: den Menschen.
3. Der Kampf
"Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen."
Offenbarung des Johannes 12, 7
Das Wetter erreichte eine nie erahnte Dimension der Kraft. Gott demonstrierte mit Genugtuung seine Macht und ließ den Elementen freien Lauf. Er stellte die Welt auf den Kopf und entwarf das Szenario der Unvorstellbarkeit. Blitze zuckten durch die Nacht, die vier Winde stießen durch die Dunkelheit. Mit der Rohheit des Wetters wuchs Luzifers Zorn. Mit aller Kraft beanspruchte er nun das, was ihm seiner Meinung nach zustand: den Thron Gottes. Das Gefolge Luzifers, ein Drittel der gesamten Engelsschar, gruppierte sich geschlossen um ihren Anführer. Luzifer drohte donnernd und forderte seinen Preis.
Der Kampf währte drei Tage, unerbittlich und brutal stritten die Engel um die Herrschaft. Schließlich stürzte der Engel Michael Luzifer und sein Gefolge. Der Fall Luzifers war unaufhaltsam. Denen, die ihm zu folgen bereit waren, ging es nicht anders. Sie wurden zur Erde geschleudert und zerfielen zu Staub. Die gestürzten Engel zerstoben und verteilten sich auf Erden.
Wer ist wie Gott? waren die letzten Worte, die Luzifer vor seinem Sturz hörte.
4. Der Beginn
"Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde."
Offenbarung des Johannes 12, 3
Aus Schmach und Schande über den verlorenen Kampf erwuchs Neues. Luzifers Hass wuchs zart, grünte lieblich und gedieh mit den Jahren prächtig. Aus Staub schuf er die Zukunft.
13. Jan. 2010 - Sven-André Dreyer
Bereits veröffentlicht in:
[Zurück zur Übersicht]
|
|