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Jamila von Alisha Bionda
Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:
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FABYLON VERLAG
A. Bionda
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Gaby Hylla © http://www.gabyhylla-3d.de Schon seit meiner Kindheit habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als einen Hund. Doch meiner Mutter wäre kein Flohzirkus ins Haus gekommen. Das habe ich ihr immer übel genommen. Heimlich in den Wänden meines einsamen Einzelkindzimmers.
Heute ist das anders.
Ich lebe allein und kann meine vierbeinigen Mitbewohner selber bestimmen. Bisher war ich mit meinen Katzen zufrieden. Aber bei meinen langen Spaziergängen fehlt mir eindeutig ein Begleiter. Wenn es schon kein zweibeiniger ist, muss jetzt ein Vierbeiner her. Ich schwanke noch zwischen zwei Rassen. Soll es ein Dobermann oder ein Afghane sein? Ich habe ein Faible für beide, entschließe mich aber für letzteren. Die langhaarigen, schlanken Windhundschönheiten haben es mir immer schon angetan.
Und ich habe Glück.
Ich finde eine Züchterin, die gerade vier Welpen hat. Auch noch in meiner Lieblingsfarbe: schwarz.
Ich düse sofort hin und nehme die Kleinen in Augenschein. Bin wieder einmal unentschlossen. Soll ich den kämpferischen Rüden nehmen oder seine sanftmütige kleine Schwester? Ich entscheide mich für die Mini-Hündin. Nehme sie mit nach Hause und präsentiere sie den Katzen. Die nehmen es erstaunlich gelassen. Fauchen halbherzig zwei- bis dreimal und geben schnell wieder Ruhe.
Jamila, die Schöne, beschnuppert jeden Gegenstand des Hauses. Steckt ihre lange Nase überall hinein. Bald schon nenne ich sie Langnase, kleine Maus und meine Schöne. All den Schwachsinn, den ich bisher bei anderen Hundebesitzern belächelt und verspottet habe. Fortan dreht sich alles um sie. Sie schreitet daher wie eine Königin, der man zu huldigen hat. Wie selbstverständlich nimmt sie das Sofa in Beschlag.
Schon nach Monaten gehört alles ihr. Sie bestimmt, wann ich morgens aufstehe. Kratzt nachhaltig an der Türzarge und stößt so lange vorwurfsvolle Fieper aus, bis ich mich aus dem Bett quäle. Schlafblind taumel ich hinter ihr her, beseitige ihre Geschäfte von der Straße und kämpfe zurück im Haus mit ihr um meine Latschen. Sie ist die größte Diebin aller Zeiten. Stiehlt alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Dabei ist sie nicht wählerisch. Sie nimmt, was sich bietet. Die Katzen haben es nicht leicht mit ihr. Sind nirgends vor ihren übermütigen Streichen sicher. Dauernd senkt sich ihre dicke Wuschelpfote auf einen der Stubentiger.
Für sie ist es Spiel.
Mir bleibt jedesmal die Luft weg, wenn ich sehe, wie sie in ihrem Jugendtrieb das jeweilige Opfer niederdrückt. Ich sehe im Geiste meine Katzen zweigeteilt auf den Fliesen liegen. Dabei ist Jamila die Gutmütigkeit in Hundeperson. Kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Nur wenn ich sie baden will, wird sie zur Kämpferin. Steht mit Schaumkrone auf dem Kopf in der Wanne und schimpft wie ein Rohrspatz. Knurrt wie eine Löwenherde, die hungrig ist. Will ich sie danach gar noch bürsten, setzt sie noch einen oben drauf und legt sich so geschickt auf den Boden, dass ich weder an ihren Körper noch an die Pfoten herankomme. Ich krieche auf Knien um sie herum und versuche, mit der Bürste wenigstens das ein oder andere Haarbüschel zu erhaschen. Gebe dabei die komplette Idiotin ab. Selbst meine Katzen grinsen breit.
An solchen Tagen schüttele ich über mich selbst den Kopf. Nehme mir vor, endlich durchzugreifen. Jamila streng zu erziehen. Doch wenn mich ihre rehbraunen Augen ansehen, bin ich rettungslos verloren.
Eins zu Null für sie.
05. Sep. 2010 - Alisha Bionda
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