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Jenseits der Ewigkeit
von Linda Koeberl

Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
Das Schreien sollte endlich aufhören. Doch es drang unaufhaltsam in jede Faser ihres Körpers, wo es sich wie ein Krebsgeschwür einnistete. Kraftlos sank sie auf die Knie, als ihr Blick auf den Dolch fiel, der unweit im taufrischen Gras lag. Mit zitternden Fingern hob sie ihn auf und sah fassungslos auf das Blut. Es war überall. An der Klinge, an ihren Händen, auf ihrem Kleid. Hatte sie etwa einen Mord begangen? Ihre Blicke wanderten rastlos umher, aber wegen des dichten Nebels war es ihr unmöglich etwas zu erkennen. Auf einmal hatte sie das Gefühl, als würde sich die Seele von ihrem Körper lösen. Der Anziehungskraft der Erde trotzend, erhob sie sich und schwebte einige Augenblicke über dem uralten Steinkreis. Ein kühler Hauch strich über die Kultstätte hinweg und es war, als würde der Wind ihr eine Botschaft zuflüstern. „Meine Seele wird deine finden.“
Danach war nichts als Stille.

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Sie hatte sich noch nie so lebendig gefühlt. Die Gischt des Meeres auf ihrer Haut und stürmischer Wind, der an ihren kupferfarbenen Locken zerrte, wandte sie ihr Gesicht der offenen See zu. Der Anblick der Klippen, an deren Formation sich die tosenden Wellen des Ozeans brachen, war atemberaubend.
„Rory, wir werden einen Weg finden. Unsere Väter müssen endlich einsehen, dass wir uns lieben. Durch die Fehde der Clans wurde schon zu viel Blut vergossen. Das Morden muss ein Ende haben.“ William war hinter sie getreten und nahm sie liebevoll in die Arme.
Sie seufzte und schloss ergeben die Augen. „Vater wird nie zustimmen, dass ich deine Frau werde. Die MacKinnons hassen die MacLeods so lange ich denken kann. Niemals wird es ein Bündnis geben, das diesen Hass bezwingen und der Insel Skye den Frieden zu bringen vermag.“ Obwohl die Erkenntnis sie unendlich traurig stimmte, war sie dankbar für Momente wie diesen. Solange ihr solche Augenblicke gehörten, war sie bereit, alle Widrigkeiten zu ertragen.
„Rory, ich werde nicht auf dich verzichten, nur weil unsere Väter so stur sind.“ William fuhr sich mit einer aufgebrachten Geste durch das blonde Haar.
„Das musst du auch nicht. Aber lass die Zeit für uns arbeiten. Und wer weiß, vielleicht finden wir inzwischen eine Lösung.“ Ihre Fingerspitzen berührten zärtlich sein Gesicht. Die Geste hatte etwas Unschuldiges an sich. Dennoch schien sie in William eine nie gekannte Leidenschaft zu wecken. Er riss Rory in seine Arme und nahm ihre Lippen mit einem heißen Kuss in Besitz. Seine Zunge bahnte sich einen Weg in ihren Mund und löschte den letzten Funken Realität aus, der sie beide umgab. Sie spürte nur noch den Mann, der sie mit jeder Faser seines Körpers begehrte und den sie mehr liebte als ihr Leben. Erst dachte sie, die Erde würde unter diesem Kuss erbeben. Doch dann drang die Tatsache langsam in ihr Bewusstsein: Reiter näherten sich. Widerstrebend löste sich Rory von ihrem Liebsten, ehe ihr Blick fieberhaft den Horizont absuchte. Als die Männer in Sichtweite kamen, erkannte sie sofort die Tartans der MacKinnons. Der Gesichtsausdruck ihres Anführers verhieß nichts Gutes. „Mein Vater“, stieß sie angsterfüllt hervor. „William, du musst sofort verschwinden. Wenn er uns zusammen sieht, wird er dich töten.“
„Ich fürchte mich nicht vor einem fairen Kampf.“
„William, bitte! Wenn unsere Liebe eine Chance haben soll, dann musst du jetzt gehen“, flehte sie, aber er rührte sich nicht. Seine Sturheit trieb sie zur Verzweiflung und es gelang ihr kaum, die aufsteigenden Tränen zu verbergen. Obwohl sie nicht beabsichtigt hatte, ihn zu manipulieren, erreichten diese Tränen, was Worte nie vermocht hätten. Nach einem letzten innigen Kuss schwang er sich auf sein Pferd und gab ihm die Sporen. Rory aber wappnete sich für das Donnerwetter, das nun unweigerlich folgen würde.

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„War das eben einer von den MacLeods?“, polterte Alistair MacKinnon. „Was hat meine Tochter mit diesem Pack zu schaffen?“
Rory stellte sich dem Zorn ihres Vaters trotzig entgegen. „Euer Scharfsinn hat Euch nicht getrogen. Es war William MacLeod und ich liebe ihn. Ob es Euch passt oder nicht.“ Das Gesicht des Lairds lief augenblicklich dunkelrot an. „Du gibst es also zu, Dirne! Aber ich werde dich lehren, was es heißt, meine Tochter zu sein!“ Mit diesen Worten packte er sie und zog sie grob vor sich in den Sattel. In einem Höllentempo ging es zurück nach Glenbharr Castle, doch Rory hatte das Gefühl, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen war.
Sie sollte Recht behalten, denn wenige Stunden später wurde sie in die große Halle zitiert. Dass neben ihrem Vater eine weitere Person anwesend war, verunsicherte sie. Immerhin musste sie nicht lange auf eine Erklärung warten, denn Alistair kam ohne Umschweife zur Sache. „Meine Tochter, darf ich dir Ewan MacDonald vorstellen.“ Ein leichtes Kopfnicken in Richtung des Unbekannten, dessen Identität nun gelüftet war. „Er hat um deine Hand angehalten. Wenn der arme Kerl wüsste, was er sich damit einhandelt.“ Alistairs Stimme troff vor Sarkasmus. „Aber mit dieser Verbindung werden wir die Vormachtstellung auf Skye erhalten. Das dürfte Grund genug sein, um über ein paar Dinge hinwegzusehen.“
Ewan neigte wohlwollend den Kopf, doch sein diabolisches Lächeln, das seinen Mund umspielte, ließ sie unwillkürlich frösteln.
„Die Hochzeit wird in zwei Wochen stattfinden. Bis dahin wirst du auf deinem Zimmer bleiben. Es ist dir nun gestattet, dich zu freuen.“
Rory hatte das Gefühl, vor einem Abgrund zu stehen und die Aussicht zu springen, erschien ihr verführerischer, als sich in das Unvermeidliche zu fügen.
„Das könnt Ihr nicht tun“, flüsterte sie fassungslos.
Ewans Äußeres war Furcht einflößend, sein Lächeln schmierig und sie ahnte, dass der grausame Ausdruck seiner Augen seine Persönlichkeit widerspiegelte. Bei der Vorstellung, sein Leben und gar sein Bett zu teilen, kroch eine Gänsehaut über ihren Rücken. Alles in ihr weigerte sich. Niemals würde sie die Frau dieses Mannes werden! In ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft. Sie musste sich etwas einfallen lassen und zwar bevor sie in zwei Wochen an der Seite von Ewan MacDonald vor den Altar trat. Mit einem leichten Kopfnicken deutete sie ihre vorläufige Zustimmung an, dann floh sie aus der Halle.

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Am Vorabend der Hochzeit waren alle Bewohner von Glenbharr Castle mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt, sodass keiner den Schatten bemerkte, der an der
Burgmauer entlanghuschte. Auch als kurze Zeit später zwei Schatten denselben Weg zurück nahmen, bemerkte es niemand. Aber Rory und William wähnten sich erst in Sicherheit, als sie einige Meilen zwischen sich und Alistair MacKinnon gebracht hatten. Nach einem langen harten Ritt erreichten sie endlich ihr Ziel – einen uralten Steinkreis, dessen Menhire blutrot im Schein der untergehenden Sonne leuchteten. Ihr Feuer tauchte auch den Mond, der bereits erhaben über der Kultstätte thronte, in ein unwirkliches Licht. Rory wusste nicht, ob es der Anblick der Gestirne war, der sie erschaudern ließ oder die Erinnerung an unzählige Legenden, die sich um Druiden und ihre Rituale rankten. William schien ihr Unbehagen zu spüren, denn er trat zu ihr und legte beschützend den Arm um ihre Schultern. „Ängstige dich nicht, mein Liebling. Hier sind wir sicher. Die Geister beschützen uns.“
Rory musste unwillkürlich lächeln. Niemand glaubte so sehr an Wesen aus einer anderen Welt wie die Menschen der Highlands.

Nachdem sie einen Teil ihrer Vorräte verzehrt hatten, kuschelten sie sich nahe am Feuer aneinander.
„Wohin werden wir gehen, William?“, fragte sie leise.
„Erst mal nach Süden. Vielleicht nach England. Unsere Väter werden nicht eher ruhen, als bis sie uns gefunden haben. Aber in England interessiert es niemanden, dass eine MacKinnon einen MacLeod liebt. In England wären wir sicher.“
Rory nickte. Sie hatte verstanden.

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Ein Geräusch, oder das unbestimmte Gefühl einer drohenden Gefahr, ließ Rory aus dem Schlaf hochschrecken. Angestrengt lauschte sie und versuchte mit all ihren Sinnen die Nacht zu durchdringen, doch nichts regte sich. Vertrauensvoll kuschelte sie sich wieder an Williams Seite und schlief augenblicklich ein. Wenig später wurde sie wieder geweckt und mit einer Schwertspitze an ihrer Kehle konfrontiert.
„Wenn Ihr nur einen Laut von Euch gebt, schlitze ich Euch Euren hübschen Hals auf.“ Rorys Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie Ewan MacDonalds Stimme erkannte. „Los, steht auf! Ihr wollt doch nicht zu Eurer eigenen Hochzeit zu spät kommen“, zischte er.
Während sich Rory vorsichtig erhob, überlegte sie verzweifelt, wie sie William warnen konnte. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als er die Augen aufschlug.
Er sprang hoch, zog dabei sein Breitschwert und ging in Stellung. „MacDonald, lasst sie los! Das ist eine Sache, die Männer unter sich regeln sollten.“
Ewan lachte höhnisch und stieß Rory von sich, sodass sie unsanft im nassen Gras landete. Die beiden Männer begannen sich zu umkreisen. Jeder lauerte auf eine Unachtsamkeit des anderen. William versuchte einen Ausfallschritt, aber Ewan wich geschickt zurück. Eine Ewigkeit schien zu vergehen bis sich zum ersten Mal die Klingen kreuzten. Das metallene Geräusch ließ Rory zusammenzucken. Am liebsten hätte sie sich Augen und Ohren zugehalten. Aber es war wie ein innerer Zwang, der sie dazu nötigte, das Duell zu verfolgen.
Wie gebannt starrte sie auf die fechtenden Gestalten. Der Kampf wogte hin und her. Er wollte nicht enden und zermürbte seine Gegner. Plötzlich holte Ewan zu einem alles entscheidenden Schlag aus. Sein Schwert bohrte sich ohne größeren Widerstand in Williams Körper.
„Nein!“ Rory schrie gellend auf. William aber hielt mitten in der Bewegung inne und starrte verwundert auf das Heft des Schwertes, das aus seiner Brust ragte. Er taumelte leicht, aber noch bevor er fiel, war sie an seiner Seite und stützte ihn. Gemeinsam sanken sie ins Gras.
„Oh, William! Ist das Gottes Strafe? Erachtet er unsere Liebe als so verwerflich, dass er einen Racheengel geschickt hat?“ Mit beiden Händen versuchte sie die Blutung zu stoppen, doch sein Lebenssaft quoll unaufhaltsam zwischen ihren Fingern hindurch und versickerte in der Erde. Williams Körper wurde von Schmerzen geschüttelt, auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
„Rory, Gott verurteilt unsere Liebe nicht. Es sind Menschen wie unsere Eltern, die uns dieses Glück nicht gönnen. Und wir waren zu schwach, um ihnen zu trotzen.“
„Sch … sprich nicht, mein Liebling. Ich werde dich nach Hause bringen. Du wirst wieder gesund.“ Tränen traten in ihre Augen, denn sie wusste, dass ihre Worte eine Lüge waren. Er würde sterben, in ihren Armen und sie allein lassen.
„Ach, meine tapfere Rory. Ich liebe dich so sehr.“ Er schloss müde die Augen.
„Hör auf, dich zu verabschieden, William MacLeod!“ Verzweifelt packte sie ihn an seinem Plaid und zerrte ihn hoch. „Hast du vergessen, was du mir versprochen hast? Wir werden nach England gehen. Wir werden viele Kinder bekommen und du wirst als alter Mann in deinem Bett sterben. Nicht hier! Nicht jetzt!“ Tränen rollten über ihre Wangen und ihre blutverschmierten Hände streichelten beschwörend sein Gesicht. Unter flatternden Augenlidern, als würde es ihm eine unmenschliche Anstrengung abverlangen, öffnete er sie. Rory spürte, dass er ihr etwas sagen wollte und brachte ihr Gesicht ganz nah an seines.
„Meine Seele wird deine finden“, flüsterte er. Dann schloss William MacLeod für immer die Augen. Rory aber bettete seinen Kopf an ihre Brust und weinte bittere Tränen.

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„Der Bastard hat ganz schön lange gebraucht um zu verrecken.“ Ewans Stimme riss sie erbarmungslos aus ihrem Kummer. Er packte sie grob am Arm und zerrte sie hoch. „Genug getrauert, Weib. Auf Euch wartet das Ehebett.“ Rory wehrte sich heftig, aber er war zu kräftig. Sie spukte ihm angewidert ins Gesicht. In seine Augen trat ein Ausdruck reiner Mordlust und sie befürchtete schon, sich zu viel herausgenommen zu haben. Vorsichtig lenkte
sie ein. „Mylord, ich appelliere an Eure Ehre und Euer Mitgefühl. Gestattet mir zumindest William angemessen zu begraben.“
Ewan lachte selbstgefällig. „Mylady, ich kann es zwar kaum erwarten, Eure Mitgift in meine Kammern und Euch in mein Bett zu verfrachten., aber das Verscharren dieses Bastards wird wohl nur eine geringfügige Verzögerung darstellen.“ Abwartend verschränkte er seine Arme vor der Brust. Rory neigte dankend den Kopf. Dann sank sie an der Seite von Williams Leichnam auf die Knie. Eine Hand leicht auf die Stelle über seinem Herzen gelegt, flüsterte sie leise: „Meine Seele wird deine finden.“
Dann küsste sie zärtlich seine kalten Lippen. Als sie sich schwerfällig erhob, machte es den Anschein, als hätte sie keine Kraft mehr. Doch das versöhnliche Lächeln, welches um ihren Mund spielte, musste Ewan Rätsel aufgeben. Sie begegnete seinem argwöhnischen Blick und spürte plötzlich tiefen Frieden in sich. Und indem sie langsam die Hände sinken ließ, gab sie ihr Geheimnis preis. Der fassungslose Ausdruck seiner Augen zeigte ihr, dass er verstanden hatte. In ihrem Schoss steckte Williams Dolch und binnen Sekunden breitete sich ein riesiger Blutfleck auf ihrem Kleid aus.
„Ich war immer nur seine Frau“, flüsterte sie, bevor ihre Augen brachen und sie tödlich verletzt in das taufrische Gras sank.

04. Aug. 2010 - Linda Koeberl

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