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Neun Leben von Dirk Taeger
Patrick Hachfeld © http://www.dunkelkunst.de 1. Endlich hatte ich es im Visier. Dieses verdammte Mistding. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie viele Nächte ich wegen dieser Katze wachgelegen hatte. Doch jetzt würde es ein Ende haben. Ganz ruhig beobachtete ich, wie das Tier langsam unter der Hecke hervorkam und vorsichtig meinen Rasen betrat. Das schwarz-weiße Fell glänzte im Licht der Morgensonne. Ich hatte den Eindruck, als ob sich der Kater vorsichtiger als sonst bewegen würde. Dieses Gefühl entsprang sicherlich nur meiner Phantasie. Woher sollte er wissen, was ihm bevorstand? Vom ersten Stock aus hatte ich freie Schussbahn. Langsam krümmte sich mein rechter Zeigefinger, ertastete den Druckpunkt. Ich war bereit, wartete nur auf einen günstigen Moment. Ohne jede Regung folgte ich den Bewegungen der Katze. Als sie dann zu mir aufschaute und ihre Brust mir zuwandte, zog ich den Stecher durch. Ein Schuss erklang und ein kleiner roter Punkt zeichnete sich auf ihrem Fell ab, während sie nach hinten gerissen wurde. Frohlockend blickte ich auf den Kadaver hinab. Das Problem hatte sich erledigt.
2. Durchdringendes Gejaule weckte mich. Das war doch nicht möglich. Ich hatte die Katze doch gestern früh erschossen. Danach hatte ich sie in die Mülltonne geworfen, die nachmittags abgeholt worden war. Es musste eine andere Katze sein, oder hatte etwa der Alte eine neue ...? Ich fühlte, wie der Zorn in mir hochstieg. Der Ärger hatte begonnen, als dieser alte Mann neben mir eingezogen war. Das Haus samt Anwesen hatte mehr als zehn Jahre leer gestanden. Dann kam er vor einem Jahr und hatte seine Katze mitgebracht. Verzweifelt hielt ich mir die Ohren zu. Doch das nützte nichts gegen das Katzengejaule. Wütend sprang ich aus meinem Bett. Das Vieh musste sich wieder in meinem Garten befinden. Mein Weg führte mich durch die Garage, von wo ich den Spaten mitnahm. Ich brauchte nicht lange zu suchen. Die Katze saß auf der Gartenmauer und schleckte sich ab. Ich holte weit aus. Mit einem fürchterlichen Schlag fegte ich das Tier von der Mauer und machte ihm den Garaus.
3. Zufrieden saß ich am Frühstückstisch. Zum ersten Mal seit Monaten hatte ich wieder tief und ausgiebig geschlafen. Meinen Nachbarn hatte ich seit seinem Einzug nur ein, zwei Mal gesehen, doch sein Katzenvieh hatte mich fast wahnsinnig gemacht. Gut, dass das jetzt vorbei war. Mir blieb der Toast fast im Halse stecken, als plötzlich etwas schwarz-weißes an meiner Veranda vorbeihuschte. Das konnte doch nicht wahr sein. Das Monstrum lebte immer noch. Sofort sprang ich auf und stürmte in den Garten. Tatsächlich, es war der Kater. Ich konnte es mir nicht erklären, wie er das gestern hatte überleben können. Egal, jetzt war er dran. Er saß zufrieden mitten in meinen Garten und leckte sich die Vorderpfoten. Ohne Zeit zu verlieren rannte ich in den Schuppen und holte die Axt. Das Beil würde auch zu etwas anderem als Holzhacken gut sein. Vorsichtig schlich ich mich von hinten an das Tier heran. Offenbar ahnte es nichts Böses und widmete sich weiter seiner Fellpflege. Ein gezielter Schlag beendete diese.
4. Zufrieden mit meinem Tagewerk machte ich mich am Nachmittag daran, die Gartenhecke mit der benzinbetriebenen Heckenschere zu stutzen. Das Vorgefallene gab mir schon zu denken. So ein Mistvieh von Kater war einfach nicht totzukriegen. Genauso seltsam wie sein Besitzer. Zieht einfach in die leer stehende Villa nebenan an ein und lässt sich praktisch nie sehen. Auf solche Nachbarn konnte ich gut verzichten, zumal, wenn sie noch nervtötende Haustiere mitbrachten. Kaum hatte ich das gedacht, da hörte ich ein Mauzen neben mir. Alarmiert blickte ich hinab. Da saß doch tatsächlich wieder dieses unsägliche Geschöpf und blickte zu mir auf. Dreimal hatte ich es schon ins Jenseits befördert, und nun saß es wieder hier. Ohne lange nachzudenken, fast reflexartig, schwang ich die laufende Heckenschere hinab. Mit einem singenden Ton schnitt sie sich durch Fell und Knochen.
5. Nachdem ich die Sauerei aufgeräumt hatte, nahm ich mir zunächst einmal ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich auf die Veranda. Erst nach ein paar Schlucken konnte ich klar denken. Wie war das möglich? Bereits viermal hatte ich das Biest getötet und es war immer wieder gekommen? Nein, das konnte einfach nicht wahr sein. Niemand auch keine Katze lebte mehr als einmal. Es musste jedes Mal eine andere Katze gewesen sein. Ja genau, so war es. Vermutlich stammten alle aus dem gleichen Wurf. Alles Brüder, eineiige zumal. Das musste so sein. Ich konnte mir gut vorstellen, dass mein Nachbar sich vier gleiche Katzen angeschafft hatte. Der hatte doch sowieso nicht mehr alle Tassen in Schrank. Ich sprang fast zwei Meter in die Luft, als plötzlich ein schwarz-weißes Etwas auf den Stuhl neben mir sprang. Kaum hatten meine Füße den Boden berührt, schlug ich auch schon mit der Bierflasche zu.
6. Allmählich brach mir der Schweiß aus. Ich konnte mir das ganze nicht mehr erklären. Litt ich eventuell unter Halluzinationen? Hatte ich etwas gegessen, was mir nicht bekommen war? Fast stolperte ich ins Bad. Mit zitternden Händen drehte ich den Kaltwasserhahn auf und hielt meinen Kopf darunter. Das kühle Nass tat mir gut. Nach einer Minute drehte ich den Kopf herum und blickte direkt in gelbe Katzenaugen. Mit einem Verzweiflungsschrei riss ich das Mistvieh an mich, hechtete zur Toilette und hielt es so lange kopfüber ins Wasser, bis jedes Leben aus ihm gewichen war.
7. Was war nur los? Wieso suchte mich die Katze nur heim? Ich hatte ihr doch wirklich nichts antun, sondern nur schlafen wollen. Und nun wurde ich von diesem Monster verfolgt. Es musste endlich ein Ende haben. Ich wusste schon, wer dafür verantwortlich war: mein Nachbar, der Sonderling. Ich rannte zum Waffenschrank, holte mein Gewehr und war fest entschlossen, dieses seltsame Treiben zu beenden. Kaum trat ich aus der Haustür, da kam mir auch schon der Kater entgegen. Ich legte kurz an und knallte ihn dann mit einer geballten Ladung über den Haufen.
8. Ich hatte den Kadaver der Katze kaum hinter mir gelassen, da kam erneut die Katze von links auf mich zugelaufen. In diesem Moment setzte etwas in meinem Gehirn aus. Ich nahm das Gewehr am Lauf und schlug mit dem Kolben auf das Tier ein. Immer und immer wieder schlug ich zu, bis es sich zu einer breiigen Masse verwandelt hatte.
9. Ich floh diesen Ort. Ich konnte es nicht mehr in meinem Haus aushalten. Ich musste diesem Katzenmonster entkommen. Den Zündschlüssel hatte ich in der Hosentasche. Als ich die Einfahrt verlassen hatte, stand doch tatsächlich dieses Mistvieh direkt auf der Straße. Ohne nachzudenken gab ich Gas. Es würde mich nicht aufhalten. Ich würde es einfach über den Haufen fahren. Der Aufprall war fürchterlich. Ich hatte mich nicht angeschnallt und prallte hart auf das Lenkrad. Benommen und mit blutiger Stirn quälte ich mich aus dem Auto. Wieso blickten die Passanten mich nur so entsetzt an? Ich hatte doch nur eine Katze überfahren. Langsam wandte ich den Blick auf die Straße. Unter dem Auto lag er, der Sonderling, mein Nachbar zerquetscht und definitiv tot.
10. Jan. 2011 - Dirk Taeger
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