|
emperor-miniature
Blume aus Fleisch und Blut von Barbara Büchner
Peter Wall © http://www.picturewall.eu Sie lauert im Wald, schön und still, in geheimnisvollem Schlaf befangen, und hält einen Spiegel auf ihrer Brust, in der tückischen Erwartung, jemand möchte kommen und in diesen Spiegel blicken ... denn das würde der schlafenden Schönen das Leben zurückgeben.
Sie ist mehr organisches als beseeltes Wesen, fast schon mehr Pflanze als Mensch, eine stumme, reglose Falle, die an langes Warten gewöhnt ist. Langsam gleicht sich ihr weißer Körper dem Wald rundum an, wird moderfleckig, trägt die Last eines Blattes, das der Wind herabweht. Ihr Fleisch ist weich und empfindlich wie das großer Pilze. Jeder Lufthauch hinterlässt eine Spur der Berührung darin. Jedes Insekt, das auf kaum fühlbaren Beinchen darüberhuscht, zeichnet eine unauslöschliche Spur.
Ein weißer Schleier verdeckt halb ihr Gesicht, damit ihre Züge sie nicht verraten. Aber der Schleier ist auch ein Kennzeichen ihrer Jungfräulichkeit. Sie ist unberührt und wird es bleiben. Ihre Begierde ist nicht auf Samen gerichtet, sondern auf die seelische Wesenheit eines Mannes, nicht auf seine sexuelle Essenz, sondern das Pochen des Herzens in seiner Brust. Wer sie erweckt, dem droht ihr Mund, der die Gier verrät groß, dunkel und fleischig lauert er unter dem Schleier, ein Mund, der nach Blut giert und grausame Zähne verbirgt.
Wie sie dort hingekommen ist, weiß niemand. Vielleicht ist sie an der Stelle entstanden, wie weiße Pilze und feuchte Moose entstehen, ein Wesen, das keinen anderen Lebenszweck hat als zu verzehren und sich selbst zu erhalten. Manchmal verirrt sich ein Käfer in ihren Mund, dann verschlingt sie ihn und sein winziges Leben, verlängert das ihre. Aber sie wartet auf anderes Leben, eines, das prall und mächtig herbeistampft, eine solche Masse aus Fleisch und Blut, dass sie nicht alles auf einmal verschlingen kann, Berge von Knochen und Haar, von heißem Leben zuckende Organe.
Eines Tages, das fühlt sie im Schlaf, wird ein solches Leben an ihrem einsamen Ort im Wald vorbeikommen, und jemand wird in den Spiegel blicken und ihr zum Opfer werden.
Bis dahin schläft sie.
13. Mar. 2011 - Barbara Büchner
[Zurück zur Übersicht]
|
|