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Mordtag von Alisha Bionda
Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:
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FABYLON VERLAG
A. Bionda
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Gaby Hylla © http://www.gabyhylla-3d.de Mein Kater hat heute wieder Mordtag.
Ständig schleppt er etwas Graues, Schlaffes in seinem Maul herbei. Lässt die Beute halb lebendig, halb tot fallen. Spielt grausam mit ihr bevor er ihr den finalen Genickbiss verpasst. Immer wieder stupst er mit der Pfote den kleinen Kadaver an. Prüft, ob noch Seele in ihm ist. Erst wenn er sich restlos überzeugt hat, dass der einst so stolze Mäuserich ohne jegliches Leben ist, verliert er das Interesse und hält nach dem nächsten Opfer Ausschau.
Er ist unersättlich.
Ein Massenmörder, der alles niederkämpft. Der den Nagern den Krieg erklärt hat. Es gibt Verluste nur auf einer Seite. Ein geschlagenes Mäuseheer bevölkert meine Terrasse. Fein säuberlich aneinandergereiht, als habe der vierpfotige Feldherr sie dort aufgebahrt, um weitere Feinde abzuschrecken. Allerdings habe ich ihn auch dazu ermuntert. In naivem Überschwang lobe ich ihn, als er das erste Opfer heranschleppt.
Das gefällt ihm sichtlich.
Mit stolz geschwollener Katerbrust steht er seither vor mir und präsentiert mir weitere Belobigungsobjekte. Mir schraubt sich jedes Mal der Magen hoch. Ein- oder zweimal stoße ich einen spitzen Schrei aus. Aber ich überwinde mich, angle die kleinen Kadaver mit einer Gartenschaufel von den Terrassenfliesen und werfe sie auf den Komposthaufen. Wundere mich wenig später, dass das nächste Mäuseheer an eben jener Stelle liegt. Trage auch sie hinaus auf diesen Bio-Haufen. Ich vergesse nicht, meinen Kater für die neu erlegten Nager zu loben. Die Prozedur wiederholt sich einige Male, bis mir endlich auffällt, dass die Mäusezahl nur auf der Terrasse zunimmt. Nicht jedoch auf dem Komposthaufen.
Dem Geheimnis muss ich auf die Spur kommen.
So lege ich mich hinter der Gardine auf die Lauer und sehe den kätzischen Feldheeren zum Komposthaufen schleichen, die Mäuse ergreifen und sie zurück auf die Terrasse befördern. Dieser gerissene Kerl. Heimst Lob für die selben Mäuseleichen ein!
Na, warte, denke ich, dir werde ich die Suppe gehörig versalzen. Ich lege ein Massengrab an. Verbuddele die Mäuse tief in das dunkle Erdreich. Mein Kater beobachtet mich fassungslos dabei und schleicht sich beleidigt ins Haus.
Jojo erscheint.
Er sieht grauenvoll nach Wochenendsause aus. Sein Gesicht hat die Farbe von Senfgurken. Ich halte mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg. Du siehst aus, als ob du ein blutendes Magengeschwür hättest.
Jojo stößt einen Grunzer aus. Seine Begeisterung über meine Begrüßung hält sich in Grenzen. Aber er unterbricht meinen Redefluss nicht, als ich ihm von der Mordserie meines Katers berichte. Du musst ihn daran hindern. Sonst schleppt er dir auch noch Frösche, Kaninchen und Vögel an, unkt er.
Die Vorstellung erheitert mich nicht sonderlich.
Mein Kater setzt zum nächsten Abmarsch nach draußen an. Die pure Mordlust funkelt schon wieder in seinen giftgrünen Augenschlitzen. Wie ein schwarzer Pfeil will er an mir vorbeihuschen. Ich schnappe ihn mir. Will ihn hochheben. Ihn an seinem abscheulichen Tun hindern. Doch er wird zu einem Bleiklumpen, dessen Unterseite mit dem Teppich verschmilzt. Dann löst er sich und hat plötzlich achtzehn Beine, die sich alle gleichzeitig zur Wehr setzen. Sein Protestgeschrei schallt bis in die Rhein-Auen. Er ist in seinen Äußerungen sehr freimütig.
Ich lasse ihn los.
Muss ihn loslassen. Sonst laufe ich Gefahr, mindestens einen Finger zu verlieren. Ich sehe, wie er im Garten verschwindet und muss mir eingestehen, dass er wieder einmal gewonnen hat.
Am nächsten Morgen finde ich die doppelte Anzahl Mäuseleichen vor und könnte schwören, dass mein Kater, der daneben sitzt, zufrieden grinst.
02. Dez. 2011 - Alisha Bionda
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