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Hannas schwarze Seele
von Jana Engels

Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:

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A. Bionda
46 Beiträge / 49 Interviews / 102 Kurzgeschichten / 2 Artikel / 136 Galerie-Bilder vorhanden
Gaby Hylla Gaby Hylla
© http://www.gabyhylla-3d.de
Lukas steuerte seinen blauen Lupo zielsicher durch die Stadt. Seine Hände umgriffen das Steuer so fest, dass seine Knöchel und Fingerkuppen weiß hervortraten. Tausend Szenarien darüber, was der bevorstehende Abend bringen würde, gingen ihm durch den Kopf, ließen ihm Stirn und Hände feucht werden.
Hanna war wieder auf der Bildfläche aufgetaucht. Nein, sie war nicht einfach nur aufgetaucht, sie hatte Kontakt zu ihm aufgenommen und wollte ihn sehen. Während Lukas den Kleinwagen durch die von gelben Laternen erleuchtete Stadt von einer roten Ampel vor die nächste setzte, durchlebte er immer wieder in Gedanken die vorangegangenen Stunden.
Wie üblich hatte er, die Post aus dem Briefkasten im Treppenhaus genommen, ungelesen in den Rucksack gestopft und war dann mit dem Bike auf der Schulter in seine Wohnung im dritten Stock gestapft. Er hatte geduscht, Abendessen im Backofen aufgewärmt, seine Wohnung notdürftig auf Vordermann gebracht und es sich gerade bequem gemacht.
Nach einem anstrengenden Arbeitstag waren warmes Essen, ein kühles Bier und Fernsehen seinem Empfinden nach genau das Richtige. Vor allem, da er sich gerade erst wieder mit dem Singledasein arrangiert und abgefunden hatte, gerade erst wieder so etwas wie Normalität in sein Leben bekommen hatte, nachdem er Hanna vor so langer Zeit verloren hatte.
Nun war sie wieder da. Plötzlich und unerwartet war sie erneut in sein Leben gepoltert und wieder brachte sie Lukas` Gefühlsleben durcheinander. Er war freudig erregt und wütend zugleich. Warum nur konnte ihn diese Frau so aus der Bahn werfen?
Ihr Brief zwischen den Werbeblättchen, der Versicherungspost und der Urlaubskarte seiner Eltern war sofort aufgefallen. Allein der Umschlag hob sich durch Farbe und Gewicht eindeutig von der Post, die er gewöhnlich bekam ab, forderte stillschweigend und reglos auf dem Couchtisch liegend, geöffnet zu werden. Lukas hatte ihn ein paar Minuten angestarrt, nun ergab er sich, schob sein Abendessen zur Seite und nahm ihn in die Hand.
Es war kein Absender darauf, aber die Schrift hätte er zu jeder Zeit und überall wiedererkannt. Es war Hannas Schrift, der Brief war definitiv von ihr, das konnte er fühlen. Welchen Grund in aller Welt sollte sie haben, ihn anzuschreiben, nach all der Zeit, nach all dem, was passiert war, vielmehr nachdem, was sie getan hatte. Wollte sie ihm erneut das Herz brechen?
Lukas trat plötzlich aufs Gas, die Ampel vor ihm zeigte Grün, wie lange wusste er nicht, das Umschalten hatte er nicht bemerkt. Er kam bis zur nächsten Ampel, die zeigte Rot, ließ ihn warten und sogleich übermannten ihn wieder die Gedanken. Um seine Konzentration war es schlecht bestellt, doch das Navi führte ihn zielsicher durch den abendlichen Stadtverkehr, noch viereinhalb Kilometern und geschätzte zwölf Minuten bis zum Ziel.
Hanna hatte geschrieben, dass sie für einige Tage in der Stadt sei und sich im Hotel einquartiert habe. Er hatte sofort die angegebene Nummer gewählt und nur wenig später erklang Hannas vertraute, so schmerzlich vermisste Stimme.
„Ich bin es“, hatte er in den Hörer gekrächzt, um sich gleich danach über seine Unbeholfenheit zu ärgern. Wie viele „ICHS“ würde Hanna schon kennen? Aber sie hatte ihn gleich erkannt. „Lukas, schön, dass du dich meldest. Du hast meinen Brief bekommen.“ Ihre Stimme grub sich engelsgleich in seinen Gehörgang.
„Ja, wie geht es dir, was machst du denn jetzt? Gibt es einen besonderen Grund, warum du mich treffen möchtest?“ Er versuchte ruhig zu atmen und sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
„Lukas, wir beide brauchen doch keinen Grund, um uns zu treffen“, säuselte Hanna und setzte dann hinzu. „Aber es gibt bestimmt einiges zu erklären. Ich weiß, unser Abschied war nicht schön.“
„Welchen Abschied meinst du, ich kann mich an keinen erinnern. Du warst ohne Vorwarnung weg“, erwiderte Lukas etwas rauer als ihm lieb war. Wut und Verzweiflung von damals waren wieder präsent.
„Glaube mir, es gibt viel zu erzählen und vielleicht wirst du mir sogar verzeihen“, sprach Hanna weiter. Kurz darauf erlag Lukas seiner Schwäche für sie und nun waren sie zum Abendessen im Hotel verabredet.
Die schwarz-weiß karierte Flagge auf dem Display zeigte an, dass das Ziel erreicht war, und lotste Lukas direkt in die Tiefgarage des Hotels. Zwei oder drei Minuten noch saß er schweigend hinter dem Lenkrad und sammelte sich. Dann stieg er aus, seine Schritte führten ihn geradewegs ins Hotelrestaurant.

Szenentrenner


In einem hübschen Hotel hatte sie eingecheckt. Mit schnellem Blick suchte er die Tische im fast leeren Restaurant ab und fand sie hinten rechts. Sie saß allein an einem Tisch für zwei, eingetaucht in dezentes Licht. Sie ist immer noch so schön, stellte Lukas fest und beobachtete die Frau, die in nur zwei Stunden völliges Chaos in ihm angerichtet hatte. Hanna nahm gerade einen Schluck Weißwein, strich ihr langes, blondes Haar zur Seite und wandte Lukas ihr Gesicht zu. Ihre Blicke trafen sich und Lukas bekam weiche Knie. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich. Dann ging er zu Hanna hinüber.
Sie stand auf zur Begrüßung, küsste ihn zart auf den Mund und umarmte ihn. Ihren schlanken, wohlgeformten Körper schmiegte sie dabei an seinen und er stellte fest, dass sie verführerisch roch. „Setz dich“, forderte sie Lukas auf. „Was möchtest du trinken?“
„Ich nehme das Gleiche wie du“, erwiderte er. Hanna bedeutete dem Kellner noch ein Glas Wein zu bringen und wenig später stießen sie auf ihr Wiedersehen an.
„Du bist immer noch genauso schön“, platzte es aus Lukas heraus. Hannas Wesen betörte ihn wie damals. Etwas blasser als sonst war sie und sie wirkte verändert, aber was es war, vermochte Lukas nicht festzustellen.
„Was hast du erwartet, es sind nur zwei Jahre vergangen“, erklärte sie mit einnehmendem Lächeln, aber Lukas korrigierte.
„Es waren zwei Jahre, drei Monate und sechs Tage. Von jetzt auf gleich warst du verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe mir Sorgen gemacht, dich gesucht, alles erfolglos. Jeder Versuch versandete und bei der Polizei hielt man mich fast für verrückt.“
Wieder erinnerte er sich an die verzweifelte Suche nach Hanna, der Frau seines Lebens, dem engelsgleichen Wesen, das er gerade ein paar Wochen gekannt und über das er eigentlich nichts gewusst hatte. Wie er sein Umfeld damit fast rasend gemacht und selbst fast daran zerbrochen wäre. Anfangs war man noch hilfsbereit gewesen und hatte aufrichtiges Mitgefühl an den Tag gelegt. Später waren es nur noch mitleidige Blicke gewesen mit denen man ihn, den hoffnungslos Verliebten, der Realität Entrückten belegt hatte. Die intensivste Zeit seines Lebens hatten sie gemeinsam verbracht, er hätte alles für sie getan und dann war sie auf einmal fort gewesen, wie vom Erdboden verschluckt.
Und nun, da er gerade wieder in der Normalität angekommen schien, tauchte Hanna wieder auf. Das glaubte ihm doch keiner. Lukas glaubte es ja selbst kaum.
Hanna trank erneut und lächelte ihn schweigend an.
„Wo warst du?“, wollte Lukas wissen.
„Ich habe jemanden kennengelernt. Jemanden, der mir eine andere Sicht auf die Dinge eröffnet hat. Ich konnte einen Blick in eine andere Welt werfen. Ich habe mich verändert“, säuselte Hanna. „Lass uns etwas essen, dann zeige ich es dir“, versprach sie und glitt mit ihren samtweichen Fingern über Lukas Wange.
Er schaute ungläubig, ergriff die Hand, bevor die Berührung vorbei war, und küsste sie. Der Abend hatte noch nicht angefangen und doch hatte Lukas bereits das Gefühl verrückt zu werden. Einfach gehen kam nicht in Frage. Dieses Gefühl, wenn Hannas Blick ihn durchbohrte war der Inbegriff schmerzhafter Leidenschaft. Es berauschte ihn.
Hanna bestellte das Menü und noch mehr Wein, dann aßen sie schweigend. Immer wieder starrte Lukas sie verstohlen an. Das lange, blonde Haar, die blasse, ebenmäßige Haut, die schlanken Schultern, ihr Dekolleté zogen ihn an und das Abendessen zog sich wie ein Stück Ewigkeit.

Szenentrenner


Auf dem Weg vom Fahrstuhl bis ins Hotelzimmer führte Hanna seine Hand. „Setz dich“, forderte sie nun und zeigte hinüber zum großen Doppelbett. „Ich mache uns noch was zu trinken, dann komme ich zu dir.“
Lukas gehorchte. Hannas Anwesenheit, der Wein und das gute Essen zeigten bereits erste Wirkung. Er fühlte sich angenehm wohl und genoss jede Minute.
Sie brachte zwei volle Gläser Whiskey ohne Eis und machte es sich auf Lukas Schoß bequem. Er spürte, wie sich ihre Knie links und rechts in die Matratze bohrten, Hannas Po auf seinen Schenkeln, ihre Brüste in der engen Bluse vor seinem Gesicht brachten ihn fast um den Verstand.
„Hier, trink“, forderte sie und setzte hinzu: „Ich denke, du hast noch ein bisschen Stärkung nötig.“ Dann setzte sie an, leerte ihr Glas in einem Zug ohne das Gesicht zu verziehen und ließ es auf den Boden gleiten. Lukas gehorchte und kurz darauf schob Hanna ihn rücklings aufs Bett.
„Ich habe dir versprochen, dass ich dir etwas zeigen werde, eine andere Welt, eine neue Sicht auf die Dinge.“ Dabei küsste sie seinen Hals, seine Wangen, seinen Mund. „Heute Nacht ist alles möglich, Lukas, du musst es nur wollen.“ Lukas spürte Hannas leidenschaftliche Bewegungen überall, sie hatte mindestens zwei Gänge zugelegt. Längst hatte er sich ergeben, wollte nichts mehr als ihren Körper spüren, war berauscht und raunte, die Liebkosungen wild erwidernd: „Ich will alles, zeig mir deine Welt!“
Hannas Augen blitzten jäh zufrieden auf. „Es gibt da nur eine Kleinigkeit, die du mir geben müsstest“, hauchte sie und knöpfte währenddessen ungeduldig Lukas Hemd auf.
„Was soll das sein?“, schnaufte er.
„Nichts Bedeutendes, nur deine Seele, die Wahrheit gibt es schließlich nicht umsonst.“
„Du machst sonderbare Scherze, Hanna“, gab Lukas zurück und kostete ihre Haut. „Du kannst alles haben, was du willst.“
„Dann haben wir jetzt einen Deal“, stellte sie leidenschaftlich fest und unmittelbar danach vollzog sich im schummrigen Licht des Zimmers mit der Frau, die rittlings auf Lukas saß, eine Veränderung. Das Gesicht zierte eine schwarze Maske, durch deren Öffnungen ihn ein blutunterlaufenes Augenpaar ansah, den Hals umschlang ein schwarzes Band aus Samt, an dem ein ebenfalls schwarzes Kreuz hing, und aus ihrem Kopf wuchsen zu beiden Seiten wunderschöne, geschwungene Hörner. Lukas fühlte keine Angst, denn er wusste, dass es Hanna war, er war berauscht von seiner Lust. Es schwang mehr Anerkennung als Überraschung in seinen Worten, als er knapp feststellte: „Du bist der Teufel.“
„Nicht ganz, mein Lieber, aber nah dran“, flüsterte sie zufrieden und berührte seinen Hals mit spitzer Zunge.

Szenentrenner


Als Lukas wieder erwachte, dauerte es eine Weile, bis er sich zurechtfand und das Hotelzimmer wiedererkannte. Die Spuren seines nächtlichen Abenteuers waren nicht zu übersehen. Seine Kleidung war verstreut, die Whiskeyflasche leer, Gläser lagen auf dem Boden, es roch nach Tabak, nur von Hanna fehlte jede Spur. Ermattet ließ Lukas den Kopf zurück aufs Bett sinken und rief sich die jüngsten Ereignisse in Erinnerung. Die verwandelte, dämonische Hanna, der unbeschreibliche Sex, diese Leidenschaft, das konnten unmöglich Phantasieprodukte eines Alkoholrausches gewesen sein. Wurde er allmählich verrückt? Wo war sie schon wieder?
Er quälte sich aus dem Bett, sammelte seine Sachen ein und begab sich ins Bad. Die Dusche half ihm, in eine einigermaßen erträgliche Verfassung zu gelangen. Der Kopf wurde klarer und bald hatte er das Gefühl, dass er wieder in der Wirklichkeit angekommen war.
Lukas musste sich wohl oder übel eingestehen, dass die Hanna, der er so lange nachgetrauert hatte, die Frau, die er wie einen Engel angebetet, vergöttert hatte, einfach nur ein wunderschönes, aber ausgekochtes und völlig durchtriebenes Luder war, das ihn bereits das zweite Mal hatte sitzen lassen.
Die liebe Hanna hatte wohl eine blühende Phantasie und eine ebenso eigenartige Art von Humor, sonst hätte sie den Aufwand für dieses Theater nicht in Kauf genommen, aber wenigstens, so fand Lukas, war er in der letzten Nacht voll und ganz auf seine Kosten gekommen.
Als er sich die Haut mit dem Handtuch trockenrieb, durchfuhr plötzlich ein stechender Schmerz seinen Unterarm. Beim Anblick dessen, was er auf der rechten Innenseite fand, wich ihm das Blut aus dem Gesicht. Ein dunkelrotes, altmodisch geschwungenes H befand sich dort. Es blutete zwar nicht, war aber ohne Zweifel kein Spaß, sondern eine frische Wunde.
Lukas zog sich an und stürmte die Treppen hinunter zur Rezeption, aber eine andere Auskunft, als die, dass alles in Ordnung und sämtliche Unkosten bereits beglichen seien, erhielt er nicht.
Was für ein perfides Spiel hatte sich Hanna da ausgedacht? Oder war es am Ende kein Spiel? Hatte er wirklich seine Seele an einen Dämon verloren? Lukas fühlte seinen Unterarm. Der Schmerz war real.

30. Jul. 2017 - Jana Engels

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