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Drogensavanne
von Dominik Irtenkauf

Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
In einem schönen Theater in der Stadtmitte trafen sich erneut die braven Bürger, um der heutigen Vorstellung ihr Augenmerk zu schenken. Alle anderen Leute schliefen schon längst: aber Monsieur de Séraphin war noch nicht geneigt, sich ebenfalls zur geruhsamen Bettruhe niederzulegen.
Vielmehr drang es ihn heute Nacht nach einem neuen Abenteu-erchen, einer Reise in die tiefgehenden Reiche seiner eignen Seele. Diese Reise wollte er aber keineswegs mit seiner eignen Gedankenkraft unternehmen. Denn allzu langwierig schien ihm diese Möglichkeit zu sein. Nein! Im herrlichsten Rausche wollte er sich sehen, fernab der irdischen Erfahrung, schweben über alle Dächer. Über alle Wiesen und Felder, vereint im Taumel der Sinne. Aus diesem Grunde hatte er vor einigen Tagen einem ihm gut bekannten Apotheker aufgetragen, eine kleine grüne Nuß zu besor-gen, welche saftig knackte, wenn man sie auseinanderbrach.
Aus dieser Frucht scharrte er nun ein Pulver heraus, welches er in seine Pfeife packte. Als sich der Brand schließlich entfachte, verteilte sich ein süßer Duft im ganzen Zimmer. Es roch unange-nehm süß und Monsieur de Séraphin befürchtete schon allen Ernstes, seine Haushälterin würde im nächsten Augenblick ins Zimmer stürzen, um sich nach diesem verbotenen Geruch zu erkundigen. Sie unterließ es aber, und er – sichtlich angeheitert - sah sich im Zimmer um. Er hatte mit Bedacht nicht allzuviel von dem Nervengift genommen, weil er heute Abend noch ins Theater gehen wollte. Es sollte "sein Theater" werden, er würde größten Stolzes eine eigene Darstellung bieten, von der die Zuschauer allesamt begeistert sein würden.
Er begab sich wankenden Schrittes aus dem Haus, eilte sich, eine Droschke herbeizurufen, weil er befürchtete, seine Glieder könnten schon schwer werden, bevor er überhaupt am Theater ankommen würde, am Theatre de M. de Séraphin.
Diesen Abend hatte er anscheinend Glück, weil sogleich eine Kutsche vorfuhr, in die er sich stehenden Fußes begab. Innerhalb der Kutsche spürte er schon ein Zucken in den Gliedern. Kälte durchzog vom Kopf bis zum Fuß seinen Körper, er mußte beinahe husten, so kalt war es ihm inzwischen geworden. Er räusperte sich kurz und sann gedankenversunken über seine Theatervorstellung nach, doch konnte er sich seine Gedanken auch noch bewahren, wenn der Taumel ihn völlig niederriß? Er wagte es kaum, es zu bezweifeln... und doch würde dieser Abend eine bedeutende Erkenntnis bringen. Er hatte von seinen Freunden, die ihn oft des Sonntags besuchten, gehört, man könne sich einige Wonne mit der Konfitüre verschaffen, ja, wenn man nicht allzu rasch mit der Dosis verfahre. Ob dies wahr sei, wolle er heute Nacht überprüfen.
Im Theater ließ er schnell seinen Mantel zurück, nahm nur den grünen Klumpen mit, rieb ihn voller Erwartung an seinem Bauch entlang und setze sich in die oberste Loge. Dort angekommen, suchte er eine bequeme Sitzlage und richtete sich auf einen vergnüglichen Abend ein. Doch Täuschungen und Illusionen läßt das grüne Kraut oftmals aufblitzen, und unversehens sieht man sich gepeinigt von einer auflösenden Realität.
Doch, der Monsieur de Séraphin nahm munter und frohen Geistes eine neue Dosis zu sich in die Pfeife, paffte genüßlich daran und wartete auf den Beginn der Vorstellung.
Schallend ertönte da ein Paukenschlag, der Vorhang öffnete sich und es zeigten sich adrett gekleidete Schauspieler mit einer herrlich anzuschauenden Coiffure. Sie fingen auch sodann mit Tanzen an, und von der Loge des Herren de Séraphin ertönte ein schallendes Gelächter herab, er schien geradezu ein Bad in Heiterkeit zu nehmen, so vernehmlich ließ er seine Fröhlichkeit herausschallen. Als sich aber die Beschwerden häuften, ließ er davon ab...er verlor auch - ihm unbekannten Ursachen entspringend - plötzlich wieder seine Heiterkeit und versank in eine Lähmung der Glieder, in ein gar schmerzvolles Entruhen. Dieses dauerte wohl einige Minuten, doch letztendlich verschwamm alles vor seinen Augen. Er jauchzte auf, denn er selbst fühlte sich nicht mehr. Vielmehr war in ihn nun der Drang entstanden, sich selbst aufzugeben und sich statt dessen der Schauspielerei, dem Theater zu widmen. Loszulassen von dem beschwerlichen Leben, zu fallen in eine neue Sinnlichkeit, und diese Sinnlichkeit war so überreizt und grausam, so daß sich alle Grenzen aufzulösen schienen.
Er hüpfte aufgrund dessen vorwärts in Richtung auf die Bühne, nahm einige Reihen auf einmal, jauchzte von Zeit zu Zeit laut vernehmlich in die Halle: „Laßt mich rein! Laßt mich rein! Fliege hin zu euch! Zeigen und gesehen werden!“, und bald hatte er auch das Podium erreicht. Als er dort angekommen, zog er seine Hose weit herunter, schlenkerte mit seinem Penis über der zu Boden liegenden Souffleuse, die er in seinem Schwung mitriß. Dunkel schoben sich die Körper der restlichen Schauspieler von ihm weg, er wunderte sich, warum sie alle so grau vor ihm huschten, mußte nicht hier in der Arena alles lichterloh brennen? Wenn sie aber schnell verschwänden, dann könnte er selbst die gesamte Bühne für sich in Anspruch nehmen. Von einem Ende zum anderen fegen und die größte Darstellung darbieten, die das Theatre de M. de Séraphin je gesehen hatte. Als er jedoch den Blick zu schnell schweifen ließ, kam es ihm ganz so vor, als wenn er da selbst in eine ferne Zeit geschleudert worden wäre. Drohend schoben sich riesige Statuen zu seiner Linken und Rechten vor, hießen ihn willkommen in einem fernen Land und bleckten durch weit aufgerissene Mäuler ihre Zähne. Und jene waren so ungeheuerlich groß, das es ihm graute. Als er sich näher an sie heranwagte, hoben sie sich nur noch größer vom Hintergrund ab. Und jener Hintergrund blitzte noch schlimmer. Brennende Höllenfeuer verschlangen den gesamten Horizont und er selbst dachte sich schon am Weltenende angelangt. Erneut wandte er sich zu dem Monstrum um, und er schaute in die Augen eines Dämons. Von Furcht ergriffen, sprengte es in seinem Kopf Tausende von Gedanken, voller Verwirrung sah er im einen Augen-blick einen Teufel vor sich sitzen; im anderen lächelte ihm ein Spiegelbild seiner selbst entgegen. Zu nahm auch die Leere in seinem Kopf, die jetzt einem betäubenden Gefühl Platz machte. Gleichzeitig spürte er in seinem Magen eine Kraft wie besessen pumpen, und sie wollte nicht mehr aufhören, all seine Speise durch die Röhre zu pumpen. So stand er schließlich erbrechend auf der Bühne. Die Leute klatschten irritiert und warteten auf neue Kunststücke des Herrn de Séraphin.
So wandte er seine irren Augen in die Menge und hob seine Stimme zu einer Schalkrede an, daß der ganze Saal von seiner Stimme erbebte: „So höret!! Volk vom Theatre de Monsieur de Séraphin, denn so lautet mein Name! Ho, ho; ho! Meinen Penis nehme ich hier in die Hände, schwenke von links nach rechts und euch sage ich, daß ich geschickt worden bin von höherer Macht als ihr euch je vorstellen könnt. So höret wohl! Ja-hah, ja-hah! Ich fliege über euch, schwenke meinen Penis hin und her! Laß fahren alle Hoffnung auf...Wasser! Wasser! Ich brauche Wasser! Ich verdurste...Hilfe! Hilfe! Ich schwanke hin und her, so viel ihr wollt! So sagt es mir! Ich bin willens, hinaufzusteigen zum Bild, das ich gesehen! Hinab! Hinab in die Gruft!“ Mit wildem Blick endete er seine Rede, und er streckte seine Arme hoch gen Himmel: „Sie fleucht heraus! Sie kreucht hinweg! Die Seele, sie geht!“. Und als er das Monstrum zu seiner Linken erblickte, entwich ihm ein letzter Stoßseufzer mit Brachialgewalt: „Bâla-gandâ! Himbala-gaga-gaga! Eau! Oh! J'ai faim! Fear!“ und als der Kief sich ihm in schönster Speise anbieten wollte, versagte ihm die Kraft. Er stürzte kopfüber in den Koloß, vor dem er so viel Furcht zeigte. Das Publikum begriff, daß die Vorstellung des Herrn de Séraphin zu Ende war und spendete begeistert Applaus.
Als nach dem Vorfall die Gendarmen die Statue untersuchten, fanden sie, daß es ein Engel gewesen war und sie murmelten: er hat zum Engel werden wollen, und er ist ein Tier geworden.
Crossvalley Smith
Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de


18. Jul. 2007 - Dominik Irtenkauf

Bereits veröffentlicht in:

KEIN BISSCHEN TOTE HOSE - FRECHE TEXTE.
A. Bionda (Hrsg.)
Anthologie - Kurzgeschichten & Lyrik - Dez. 2001

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