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Die Tochter des Todes von Stefanie Rafflenbeul
Gaby Hylla © http://www.gabyhylla3d.de/ Immer wenn sie das Mädchen im barocken Kleid sah, begegnete ihr der Tod. Zwei Mal hatte sie die Kleine nun schon entdeckt. Beim ersten Mal war Maya unten an der Elbe entlanggelaufen, weil sie sich mit Natalie im Ayers Rock treffen wollte. Der Wind spielte mit Mayas bunten Leinenkleid und die späte Nachmittagssonne brachte die Elbe zum Glitzern. Die Luft roch angenehm frisch, der Lärm der belebten Straße im Johannisviertel war gedämpft und eine Horde von Hundebesitzern erinnerte sich an die Vorzüge des Spazierens. Radfahrer überholten sie und die Schiffe glitten durch funkelnde Wellenmuster. Sie war kurz vor der Brücke und grinste ein paar quakenden Enten zu, als sie sich auf den Weg zur Straße machte. Da hatte sie die Polizisten gesehen, die üblicherweise mit ihrem Dienstwagen an der Synagoge herumstanden und Brezeln futterten. Hinter ihnen, vor der roten Mauer, stand das Kind. Es war höchstens zwölf Jahre alt. Ein Engelsgesicht hatte sie, wunderschön wie Claudia von Anne Rice. Fliederfarbene Augen, groß wie die gemalten Augen einer Porzellanpuppe. Alles an ihr war ungewöhnlich, von den samtenen Schnabelschuhen bis hin zu den schneeweißen Locken. Obwohl sie dreißig Schritt entfernt stand, glaubte Maya Chrysanthemen und Vanille zu riechen. Maya konnte nicht anders. Sie musste nach dem Mädchen sehen, zu ihr hinüberlaufen. Die rechte Hand um die Träger ihrer Tasche geklammert verließ sie den Weg und näherte sich bedächtig, als befände sie sich auf einer steilen Klippe und würde an einen tiefen Abgrund treten. Eine Ahnung von Gefahr ließ ihr Herz schneller schlagen. Ihr war, als könne nur sie das Mädchen sehen, als sei dieses leichte, überlegene Lächeln um die Mundwinkel des Kindes nur für sie bestimmt.
He, Sie! Der Polizist mit dem Schnurrbart winkte sie heran. Kannten Sie den Mann?
Den Mann? Maya starrte betroffen auf die Leiche eines vielleicht siebzigjährigen Mannes, der in einem veralteten Anzug auf einer Picknickdecke lag, als wolle er sich sonnen. Anscheinend hatte ihn der Tod hier eingeholt, er wirkte, als sei er friedlich entschlafen.
Äh ... Nein. Tut mir Leid ...
Dann gehen Sie weiter!
Maya sah von der Leiche weg und suchte nach dem Kind, doch es hatte sich ebenso in Luft aufgelöst wie die Geduld des Polizisten. Er wedelte zornig mit der Hand, als wolle er Fliegen von seinen Brezeln verscheuchen. Maya trat gesenkten Hauptes den Rückzug an. Der arme alte Mann. Wie er da in der Sonne gelegen hatte ... Ob er eine Frau hatte?
In ihre Gedanken drängte sich das Kind, das ihr verschwörerisch zulächelte. Wohin konnte es so schnell verschwinden? Es hatte an der Mauer gestanden. War es weggerannt? Maya schlang die Arme um ihren Oberkörper und versuchte nicht mehr an das sonderbare Kind und den toten Mann zu denken.
Eine Woche später sah sie das Kind erneut. Sie hatte Natalie während deren Schicht im Krankenhaus besucht, ein kurzer Besuch, denn ihr waren Krankenhäuser verhasst, als sie an der Tür zur Intensivstation das kleine Mädchen stehen sah. Das lange, schwarze Spitzenkleid wirkte rührend altmodisch und gab einen unheimlichen Kontrast zu den schneeweißen Locken. Während Maya noch dastand und mit leicht geöffnetem Mund das Kind anstarrte, eilte ein Arzt im blauen Kittel an ihr vorüber. Sein Namensschild hing schief. Er war noch sehr jung, die Brille war auf seiner Nase ein Stück nach unten gerutscht und seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab.
Maya packte seinen Arm. Entschuldigung, sehen Sie dieses ...
Aus dem Weg, der Arzt stieß sie grob zur Seite. Ein Notfall. Er entschwand durch die Tür der Intensivstation ohne auf das Mädchen zu achten, das ihm tänzelnd auswich. Maya sah entsetzt wie die Kleine entschuldigend lächelte, als habe sie dem Arzt eine unnötige Unannehmlichkeit bereitet. Die geschwungenen Lippen flüsterten Worte in einer nichtmenschlichen Sprache. Maya glaubte sie zu verstehen: Zu spät.
Erschrocken biss sich Maya auf die dunkelroten Lippen und schmeckte ihren Lippenstift. Er schmeckte überhaupt nicht nach dem, was auf der silbernen Hülle stand. Sie verzog angewidert das Gesicht. Das Kind musterte sie und Maya glaubte goldene Sprenkel in den großen, fliederfarbenen Augen zu sehen. Ob der Arzt das Mädchen gesehen hatte? Es stand regungslos wie eine Statue. Maya zitterte leicht. Sie wollte das Mädchen berühren um sich zu vergewissern, dass durch diese blasse Haut Blut strömte. Einen Lidschlag stand sie ebenso steif im Raum wie der schwarzgewandete Engel. Es ist doch zu spät, o ... Oh! Das Kind war verschwunden. Maya sah von einem Flurende zum anderen. Sie stand allein in dem weißgetünchten Gang mit dem grässlichgrünen Linoleumbelag. Wieder hatte sie das Gefühl, nur sie allein hatte das Mädchen gesehen, hatte ein blitzlichtartiges Bild in der Dunkelheit des Abgrundes erspäht.
In dieser Nacht schloss sie alle Türen zweimal ab. Wer war dieses Mädchen? Hatte sie im Krankenhaus vielleicht kurz fortgesehen, auf eines der einfachen Blumenbilder? Wohin war das Mädchen verschwunden? Ob sie das Kind im Krankenhaus erneut suchen gehen sollte? Das wäre verrückt. Sie hatte im Krankenhaus nach der Kleinen gesucht und sie nicht gefunden. Ein Schauer lief über ihren Rücken und sie zog die Schultern fröstelnd nach oben. Selbst im Licht der drei Glühbirnen fürchtete sie sich. Sie brauchte eine dampfende Tasse Kamillentee, ihren Lieblingsjogginganzug und eine Spätfolge von Buffy. Sie war überarbeitet. Es konnte gut sein, dass sie ihr Studium in der vergangenen Prüfungsphase zu ernst genommen hatte, aber jetzt waren Semesterferien und sie konnte ausspannen. Merkwürdig. Maya drehte ihre Teetasse gedankenverloren in den Händen. Sie hätte nicht sagen können, was ihr letztes Prüfungsthema war. Sie stand unter Stress. Vielleicht sollte sie mit Natalie darüber reden, schließlich studierte die Freundin Medizin.
In der Nachbarwohnung begannen wieder die inhaltlosen Streitereien der Schreibers. Maya seufzte und schaltete den Fernseher ein. Nach zwei Tassen Kamillentee fühlte sie sich der Welt wieder gewachsen. Dieses kleine Mädchen war ein Auswuchs ihrer Fantasie oder eben ein Kind, das sich gerne verkleidete. Wahrscheinlich waren die Haare eine Perücke. Kein Kind hatte solche Haare.
In der Werbepause stand sie auf und öffnete das Fenster zum Lüften. Sie blickte hinunter auf die Wiese, die Wäscheleinen und den riesigen Parkplatz vor dem Konsummarkt. In der Ferne erhob sich die prächtige Kuppel eines Kirchturmes. Sie lächelte leicht. Dresden war eine schöne Stadt, voller Kunst und Geschichte. Eine Stadt, die ...
Das Mädchen.
Da stand es, mitten auf der Wiese neben dem Parkplatz, als sei die Wiese ihre Bühne und sie die Hauptdarstellerin eines Dramas. Maya kniff die Augen zusammen und das Mädchen hob die Hand zum Gruß. War das ein Perlenarmband, das da über ihrer Hand saß? Maya hielt den Atem an. Das Mädchen drehte sich um und ging in die Richtung des gegenüberliegenden Hochhauses. Na warte! Maya ballte die Hand zur Faust. Sie hatte keine Lust sich bis zum jüngsten aller Tage Angst einjagen zu lassen. Entschlossen packte sie ihre kurze Lederjacke und schlüpfte in roten Sandalen. Drei Minuten später stapfte sie über die Wiese, genau zu der Stelle, wo Kleine gestanden hatte. Sie war nicht mehr da und Maya spürte gleichermaßen Enttäuschung und Erleichterung. Sollte sie dem Kind folgen? Sollte sie in die Richtung laufen, die die Kleine eingeschlagen hatte? Sie sah zum aufgehenden Mond, der ihr roter erschien als sonst. Vollmond. Sie zog eine Grimasse. Am Ende war die Kleine ein Vampir, oder ein Werwolf. Blödsinn, schalt sie sich selbst. Sie ging den ausgetretenen, von Gänseblümchen flankierten Pfad entlang und stand schließlich vor dem schräg gegenüberliegenden Plattenbau. Die Eingangstür war an der Wand eingehängt und gab den Weg in einen gläsernen Vorraum frei. Maya ging durch den Eingang hindurch, musterte die vielen Briefkästen neben sich und beäugte argwöhnisch die haarige Spinne, die in einer Ecke über ihr lauerte. Zögernd suchte sie den Lichtschalter, ehe sie die Treppen emporstieg. Im vierten Stock hielt sie inne. Von der Straße her erklang das aufscheuchende Geräusch eines Martinshorns. Die immer wiederkehrenden Töne schienen stetig zuu spääät zu rufen. Maya schüttelte sich, als sie einen Mann mittleren Alters bemerkte, der gegen eine der beigefarbenen Türen gelehnt stand. Der Mann sah sie aus eisengrauen Augen an. Er trug eine abgenutzte schwarze Kordhose und ein Jackett. Sein bleiches Gesicht wirkte unbeweglich. Unter den starr geweiteten Augen lagen tiefe Ringe. Er rang sich ein leichtes Lächeln ab. Guten Abend. Kannten Sie die Dame, die hier wohnt?
Maya schüttelte stumm den Kopf und kam dabei näher auf ihn zu. Nein ... ich wohne gegenüber.
Gut. Er zuckte die Schultern. Es ist ... Es war Frau Beiler. Sie starb wohl vor einigen Stunden. Ich bin Pfarrer und besuchte sie hin und wieder. Heute fand ich sie tot.
Tot. Maya war nicht im mindesten überrascht. War es der Abgrund, der nach ihr rief? War das kleine Mädchen auf übersinnliche Weise mit dem Tod verbunden, einem Dämon gleich? Oder gab es eine logische Erklärung, eine weltliche Kuriosität? Ihr kam ein Gedanke. Diese Frau Beiler ... Hat sie eine Enkelin? ... Ich meine ... War hier ein kleines Mädchen?
Der Pfarrer schüttelte verwundert den Kopf. Nein, Kind. Hier war niemand außer dir.
Maya schwieg eine Weile. Schließlich begann sie vorsichtig: Meinen Sie ... Gibt es so etwas wie Dämonen?
Du hast zu viele John Carpenter Filme gesehen, fürchte ich. Er zog aus seinem Jackett ein blitzendes silbernes Etui und bot ihr eine Zigarette an. Maya schüttelte verlegen den Kopf.
Aber ... Der Tod ... Könnte er nicht die Gestalt eines Kindes annehmen?
Der Pfarrer legte die Stirn in Falten und entzündete mit zitternden Fingern die Zigarette. Er nahm einen tiefen Zug, während Maya zwei Menschen die Treppe hinaufpoltern hörte.
Der Tod. Nun, der kann viele Gestalten haben. Aber ... Wie dem auch sei, er wird sich von uns nicht in die Karten sehen lassen, nicht. Ein Sanitäter und ein Arzt eilten heran und der Pfarrer öffnete ihnen die Tür. Entschuldige, Mädchen. Der Arzt muss den Tod der Dame bestätigen.
Maya nickte und ging wie ein getretener Hund zur Treppe. Vollidiotin. Ihn nach Dämonen zu fragen. Was muss er nur von mir und meiner Familie halten.
Ihre Familie. Maya bekam kein klares Bild von ihr. Hatte sie Eltern? Verwirrt wollte sie die Treppe hinabsteigen, als sie einen kalten Luftzug spürte. Sie drehte sich herum. Dort, an das Geländer gelehnt, stand das Kind, die ringbesetzten Hände verärgert gegen die schmalen, schwarzbetuchten Hüften gepresst. Die rosigen Lippen bewegten sich, aber Maya verstand keinen Ton. Wollte der Dämon ihr sagen, dass sie die Nächste war? Hatte sie ihren eigenen skurrilen Todesboten? Mit einem Schreckensschrei stürzte sie die Treppen hinab, die Welt drehte sich um sie herum, bis sie auf dem nächsten Absatz liegen blieb, ihre Arme schlugen schmerzhaft auf den Boden. Instinktiv blickte sie wieder hinauf, aber da oben war nur der Treppenabsatz und die aufgeregt fragenden Stimmen zweier Männer. Stöhnend und fluchend wimmelte sie den besorgten Arzt ab und humpelte so schnell sie es vermochte nach Hause. Dabei sah sie sich mehrmals um, aber von dem Mädchen im barocken Kleid war nichts zu sehen.
In den folgenden Tagen traf Maya alle Vorkehrungen, die ihrer Meinung nach nötig waren. Schließlich hatte sie Final Destination gesehen. Sie ließ das Auto auf dem Parkplatz stehen, stieg die Treppen im Schneckentempo herab, verweigerte das Aufzugfahren, entzündete keine Kerzen, überquerte keine Ampel bei Rot und blieb der Elbe fern. Wer oder was dieses Mädchen mit den Schneelocken auch war, sie würde sie nicht bekommen. Grimmig überwachte Maya sich und ihre Umwelt. Jede Gefahrenquelle wurde eliminiert. Hin und wieder sah sie sich im Spiegel entschlossen an und ihre braunen Augen musterten unnachgiebig das grimmige Gesicht. Ich bin zu jung, zum Sterben. Dieses weißgelockte Biest soll bloß von mir fortbleiben! Sie zeigte ihrem Spiegelbild die Zähne. Nachdem sie eine geschlagene Woche das Duschen unterlassen hatte und auch von dem merkwürdigen Mädchen weit und breit nichts entdecken konnte und sie hielt immer Ausschau nach ihr, es wurde zur paranoiden Besessenheit entschied sie sich zu baden. Sie füllte warmes Wasser ein, hörte das dumpfe Geräusch beim Einlaufen in die Wanne und legte sich dann mit einer Tasse Tee und einem Buch von Terry Pratchett ins beruhigende Nass. Das eingefüllte Schaumbad roch nach Rosen und allmählich legte sich der Stress der vergangenen Tage. Ob sie sich das Mädchen nur eingebildet hatte? Aber warum bildete sie sich ein, dass der Todesbote, der Dämon, wie eine Anne Rice Figur aussah? Warum suchte sie sich nicht Brad Pitt oder Orlando Bloom aus? Am besten nackt. Beide.
Trotz der einsetzenden Normalisierung ihres Alltages hatte sie den Wasserpegel nicht allzu hoch kommen lassen, damit sie nicht ertrinken konnte, falls sie in der Wanne eindöste. Das Wasser kühlte schnell ab. Sie stand auf und griff nach ihrem Föhn, die Füße noch im Wasser.
Ha! Triumphierend legte sie den Fön wieder von sich. So leicht würde sie es dem kleinen Dämon nicht machen. Sie hob ein Bein, um aus der Badewanne zu steigen und glitt auf dem feuchten Badewannenboden aus. Verflucht. Sie griff mit beiden Händen nach dem Duschvorhang und riss ihn im Sturz von der Stange. Nein! Stand da nicht das Mädchen mit den Schneelocken neben dem Waschbecken? Wunderschön und ohne Alter war ihr Gesicht, als es den Kopf schüttelte. Mayas Füße rutschten quietschend weiter, sie taumelte vorwärts. Nein, das war der falsche Winkel. Ihre Schläfe schlug schmerzhaft auf das weiße Porzellan, dann verschwand das Badezimmer und sie ertrank in der Finsternis des Abgrunds.
Als sie Augen wieder öffnete saß sie schwankend auf dem blaugepolsterten Toilettensitz. Vor ihr, auf dem Rand der Badewanne, saß das kleine Mädchen, das barocke Kleid ordentlich über den Wannenrand drapiert, und ließ seine Beine baumeln.
Verwirrt sah Maya sich um. Ihre Hand suchte zaghaft ihre Schläfe. Sie war tot. Die Badewanne war voller Blut, aber weder an ihrem Kopf, noch auf ihren Kleidern waren Spuren des Lebenselixiers. Sie sah an sich herab. Wie zum Styx war sie in ihre Kleider gekommen?
Das kleine Mädchen verzog den Mund zu einer Flunsch. Du bist echt ein Workaholic, Ma. Immer muss ich hinter dir herputzen.
Erinnerungen regten sich in Maya. Nach und nach kamen sie zurück und schärften das Bild in ihrem Kopf wie eine gut fokussierte Kamera. Sie war tot. Sie war wieder da. Unsterblich, wie sie es gewohnt war. Ein wohliges Seufzen vertrieb die letzten Zweifel. Wie lange habe ich durchgehalten?
Sechs Wochen.
Das ist besser als letztes Mal.
Es ist traurig. Besonders diese Nummer mit der Badewanne eben. Ich hätte mich totgelacht, wenn es nicht so erbärmlich gewesen wäre.
Ich mag meinen Job eben.
Du hasst Urlaub.
Man kann alles negativ ausdrücken. Ich finde sechs Wochen Sterblichkeit eine beachtliche Zeitspanne. Sechs Wochen, in denen ich mich an nichts erinnern konnte ... Wenn ich mir überlege wie viele Aufträge ich verpasst habe ...
Kannst du nie ausspannen? Selbst Lucy hat Angst vor dir.
Ach, Lucifer kann mir gestohlen bleiben. Immerhin hatte ich in den vergangenen sechs Wochen eine menschliche Freundin. Natalie. Der Tod strahlte selbstgefällig. Wenn das nicht zeigt, dass ich zur Entspannung fähig bin ...
Natalie ... Natalie ... Die Kleine sah sie fragend an und kniff die fliederblauen Augen argwöhnisch zusammen. Und weiter? Hat sie auch einen Nachnamen?
Ich weiß nicht, Kara ... Kanna .... Kamin ... Sie war eine Mitstudentin.
Mitstudentin ohne Nachnamen, aha. Und das nennst du sterbliche Entspannung? Die Kleine spuckte die Worte aus. In meinem letzten Urlaub habe ich in Ägypten ein Königreich gegründet und einen eigenen Sarkophag bekommen.
Mayas Augen wurden schmaler. Mach dich nicht über mich lustig, Claudia! Ich bin immer noch deine Mutter!
Du hättest mir beinahe die letzten Jobs hier verdorben! Wenn du schon Urlaub machst, warum spannst du dann nicht aus? Mischst dich in meinen Kram ein! Und wenn wir schon so nett am Plaudern sind ... Warum muss ich seit fünf Jahren als Claudia Verschnitt rumlaufen? Nur weil du diese morbiden Bücher von Anne Rice magst! Ich würde gerne cooler aussehen, wie diese Posh oder Brittney Spears!
Mayas Augen blitzten auf. In dem tiefen Braun glühten rote Späne. Darüber können wir reden, wenn du achtzehntausend bist. Falls du diesen Wunsch dann noch immer verspürst, kannst du gerne als untalentierte Staubwolke über die Lande ziehen.
Verärgert zog Claudia eine Grimasse. Kann ich mir dann wenigstens die Haare färben lassen? Dieses strahlende Weiß irritiert die Menschen. Wenn ich mich zu erkennen gebe, sprechen sie mich inzwischen nahezu weltweit mit Gandalf an.
Meinetwegen. Maya schwieg einen Moment, dann schloss sie vergnügt die tiefbraunen Augen. Was ist eigentlich in der Welt los? Ich spüre schon wieder diese Hormonschübe ...
Präsident Bush hat einen neuen Befreiungskrieg angefangen um seine Ressourcen zu sichern.
Das erklärt meine gute Laune. Ich verstehe nur nicht, wie die Sterblichen ihn wiederwählen konnten.
Ach, sei bloß ruhig, ich hab dich bei den Wahlhelfern gesehen.
Ähm ... da ... musst du mich verwechselt haben. Welches Land hat sich der Präsident denn ausgesucht?
Norwegen. Er hat nicht mehr genug gute Pullover. Seit zwei Monaten zieht er Truppen auf.
Monaten? Der Tod strich sich verwirrt durch die dunkelbraunen Haare.
Das kleine Mädchen verdrehte die Augen. In ihrer Stimme schwang große Ungeduld. Monde, Mama. Drei Monde.
Ich kann mir nicht jedes Modewort merken.
Die Kleine sah sich im Badezimmer um und blinzelte. Mit der rechten Hand griff sie sich an die Stirn.Ein Abholruf. Hochwasser in Indien.Kommst du mit?"
Maya erhob sich würdevoll von dem blaugepolsterten Toilettendeckel. Auf den Tod ist Verlass. Sie nahm die Hand ihrer Tochter und von einer Sekunde auf die andere war das Badezimmer leer.
24. Aug. 2007 - Stefanie Rafflenbeul
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