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Stadt des Wahnsinns

STADT DES WAHNSINNS

Kirsten J. Bishop
Roman / Fantasy

Piper

Taschenbuch, 416 Seiten
ISBN: 978-349229158-3

Jun. 2007, 1. Auflage, 8.95 EUR
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Die australischen Phantastik- Autoren haben ein besonderes Faible für Weltuntergangsgeschichten. Das Spektrum reicht von George Turner poetisch- optimistischer Geschichte „The Sea and Summer“ bis zu George Millers „Mad Max Trilogie“. Auch wenn Kirsten J Bishops Debütroman „The Etched City“ im Grunde dunkle Fantasy ist, liegt sie mit ihren Ansätzen und Ideen zwischen den Extremen Turner und Miller. Was sie bei ihrem Febütroman auszeichnet, ist eine überraschende Selbstsicherheit, die sich nicht immer in ihrem Plot, sondern vielmehr in ihrer stilistischen Vielseitigkeit zeigt. Fast übergangslos wechselt sie zwischen lyrischen Passagen und reinem Zynismus. Zu Beginn des Buches legt sie mehr Wert, ihre beiden sehr unterschiedlichen Protagonisten zu charakterisieren und ihre Positionen in einer Post Doomsday Welt zu etablieren. Mit dem Söldner Gwynn und der Ärztin Raule – die allerdings über eine dunkle Vergangenheit verfügt, welche der Leser erst im Laufe der mehr und mehr komplexer und manchmal unnötig komplizierter werdenden Handlung erfährt – hat Kirsten Bishop zwei eindrucksvolle Protagonisten erschaffen, deren Wege sich immer wieder kreuzen. Zu Beginn des Buches wird zuerst Raule vorgestellt, eine junge Frau mit den Fähigkeiten, eine brillante Ärztin in einer Welt zu sein, die Ärzte noch mehr als heute braucht. Inzwischen ist sie eine Wanderärztin geworden, die mehr von der Hand in den Mund als ihren eigentlichen Fähigkeiten lebt. Das hängt nicht nur mit der in einigen Städten dieser unwirtlichen Welt starren Ständeordnung zusammen, sondern auch mit ihrem stoischen, manchmal störrischen Charakter und einem unbeugsamen Willen. Auf einem ihrer Wege trifft sie Gwynn wieder, einen Söldner, mit dem sie in einer niedergeschlagenen Revolution vor vielen Jahren gekämpft hat. Sie verbindet zwar eine gemeinsame Vergangenheit, aber zumindest Raul hat aus den schlimmen Erfahrungen gelernt. Raule kann Gwynn bei einem großen Geschäft helfen. Eher unwillig stimmt sie zu. Auf dem Weg zu ihrem Geschäftspartner werden sie von einer Gruppe von Soldaten gejagt, die das Kopfgeld auf Gwynns Haupt kassieren wollen. Es gelingt den beiden, die Soldaten in einen Hinterhalt zu locken und zu töten. Diese erste richtige Actionsequenz zeigt Bishops Talent, Handlung und Hintergrund gut miteinander zu verbinden. Die beiden Gejagten verschanzen sich in den Ruinen einer alten Wüstenstadt. Zeitlos majestätisch ragen diese aus der Ewigkeit und Endlosigkeit der Wüste heraus. Nachdem eine Handvoll von Soldaten auf spektakuläre Weise ihr Leben verloren hat, verlassen Gwynn und Raule die Stadt wieder. Unbeeindruckt wartet sie in erhabener Ignoranz auf den einen wahren Herrscher, der sie wieder zum Leben erwecken und sie in den Mittelpunkt eines neuen Reiches stellen wird. Schließlich reisen die beiden unfreiwilligen Komplizen nach Ashamoil. Eine der wenigen Enklaven dieser kargen Welt, in denen sich das zivilisierte Leben in seiner degenerierten Form noch zeigt. Hier beginnen sie ihre unterschiedlichen Karrieren. Söldner und Leibwächter der Eine, Ärztin die andere. Das sich ihre Wege immer wieder kreuzen, steht von Beginn an fest.
Bishop überzeugt vor allem durch die Charakterisierung der einzelnen Protagonisten. Wenn der Klappentext eine Verbindung zwischen Bishop und China Mieville oder Stephen Kings „Dark Tower“ Romane herstellt, ist dieser Vergleich falsch und doch richtig. Die Einzigartigkeit ihrer Welt hat mehr mit den bizarren Auswüchsen Mievielles zu tun als den High Fantasy Romanen Tolkiens. Möchte mehr gerne einen Vergleich haben, so entspricht ihre Schöpfung eher den Romanen eines Michael Moorcocks, mit bizarren High Fantasy Elementen in eine unbestimmte Zukunft versetzt. Dazu tragen ihre Protagonisten Züge aus Shakespearces Dramen. Auch wenn ihre Wege niemals einfach sind und zumindest Gwynn sein gewaltsames Ende mehr als einmal vor sich sieht, können sie ihre vorbestimmten Pfade nicht verlassen. Mit einem bewundernswerten stoischen Phlegma bewegen sie sich auf ihre gewaltsamen Enden – damit sind in erster Linie eine Reihe von interessanten, aber zum Teil überzeichneten Nebencharakteren gemeint – zu. Diese Scheuklappenaktionen in einer nach einem letzten großen Krieg erschöpften Welt geben dem Buch eine dunkle Note, die weniger aus der ansonsten geradlinigen Handlung heraus entstanden ist, sondern mehr mit den Schicksalen ihrer Figuren zu tun hat. Selbst die weiße Raule, das Sinnbild für Hilfsbereitschaft und unermüdliche Aufopferung insbesondere auch für die Narren, die sich in blutigen Duellen selbst richten, hat eine dunkle Vergangenheit. Auch wenn der Leser diese nur in Fragmenten kennen lernt, gibt sie dieser Figur eine willkommene Tiefe.
Dabei hat sie in ihrem ersten Roman auf die schockierende Fremdartigkeit ihrer fremden Welt zugunsten einer Zivilisation aus dem 18. Jahrhundert allerdings in einer vom großen Krieg zerstörten Welt verzichtet. Während Raule mehr und mehr zur Vernunft in dieser verrückten, fremdartigen und doch durch historische Literatur vertrauten Welt wird, gerät Gwynn mehr und mehr in die Niederungen der Sklaverei. Einen kurzen Augenblick findet er in den Armen Beths – einer Künstlerin, immer an der Grenze zwischen Realität und Wahnsinn – eine Heimstatt und versucht sich, innerlich von diesem Leben zu lösen. Dafür ist es schon lange zu spät und als er seinen letzten Freund ans Messer liefern muss, wird das Buch vorhersehbar, bleibt aber mit einer gewissen Distanz fasziniert. Was manchmal fehlt, ist eine bessere Differenzierung bei den einzelnen Figuren. Bishop gelingt es noch nicht, den einzelnen Protagonisten einzigartige, nachvollziehbare Charakterzüge zu geben. Vieles wird insbesondere in der zweiten Hälfte des Romans mit der Kreissäge herausgearbeitet und nicht immer natürlich entstanden. Das Gwynn als Figur sperrig, aggressiv und verschlossen sein muss, ist keine Schwächung des Buches. Durch Zwischenschnitte auf Raule hat sich die Autorin die Option bewahrt, aus einer gewissen Distanz das grausame Spiel nicht nur zu beschreiben, sondern die Hilflosigkeit des Lesers an einem Charakter festzuhalten.
Nach einem soliden Auftakt nimmt sich Kirsten Bishop in dieser mit 400 Seiten kompakten Geschichte die Zeit und den Raum, ihre Welt zu entwickeln und dem Außenstehenden zu präsentieren. Das geschieht durch eine überraschend routiniert Mischung aus beschreibenden Elementen und pointierten Dialogen. Diese überraschend provozierenden Gespräche wirken nicht aufgesetzt und haben vor allem nicht die Intention, dem Leser eine Meinung aufzudrücken. Mit einem schwachen Fleisch – das gilt für sehr junge Mädchen und Alkohol - ausgestattet versucht ein Priester, Gwynn von einem anderen Weg zu überzeugen. Dabei verbindet Bishop Elemente aus allen bekannten Religionen zu einem neuen Glauben. Wie die meisten Gespräche in einem Trinkgelage enden, ohne das die Idee im Ganzen der Lächerlichkeit preisgegeben wird, zeigt ihre Souveränität als Autorin. Hier hilft ihr auch, dass sie insbesondere ihre Welt nicht allzu fremdartig gestaltet hat. Das Vertraute stört in ihrem Handlungsbogen weniger als das es hilft. Ihre Welt ist aber auch brutal und die einzelnen Schlachtszenen wie auch die Bestrafung der Sklaven werden drastisch und direkt beschrieben. Dabei gelingt es ihr, eine überraschende stilistische Abwechselung in die einzelnen Actionszenen einfließen zu lassen. Der Leser erkennt, dass sie die einzelnen Kämpfe sehr genau im Vorwege geplant hat. Sie fügen sich fast nahtlos in die philosophischen Passagen ein und sind nicht Gewalt um der Gewalt willen. Sie bemüht sich auch, den Plot im Rahmen des Romans zu einem befriedigenden, wenn auch vorhersehbaren Ende zu bringen und nicht auf mögliche Fortsetzungen zu schielen. Dazu kommt, dass sie Ideen von außerhalb des Genres sehr gezielt zur Verstärkung ihres Spannungsbogens einsetzt. Dadurch weicht sie von den inzwischen zum Klischee erstarrten Schemata ab und überrascht so manchen Leser. Insbesondere die chronologisch vielschichtigen Erzählstrukturen – selbst Abschnitte in der ersten Person in Form von persönlichen Erzählungen finden sich in einzelnen Passagen – suggerieren eine kompaktere Erzählung als sie tatsächlich vorliegt. Eine Vorgehensweise, die insbesondere China Mieviele inzwischen zu einer Meisterschaft weiterentwickelt hat. Ihre Welt besteht aber nicht nur aus neuen Ideen, sehr viele Hintergrundelemente kommen insbesondere den Routiniers bekannt vor. Durch ihre stilistische Souveränität gleicht sie diese Sicherheitsrückgriffe auf bekannte Fantasy- Elemente gekonnt wieder aus.

„Stadt des Wahnsinns“ ist keine einfache Geschichte. Insbesondere dank der Weird Fiction Ideen und den gebrochenen Charakteren liest sich der Roman unterhaltsam und fließend.

Ein kraftvolles, empfehlenswertes Debüt.

11. Jul. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/fantasy/isbn3-492...

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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