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Cthulhus Rückkehr

CTHULHUS RÜCKKEHR

Buch / Düstere Phantastik

22 Jahre hat dieses Buch gebraucht, ehe es den Weg zum deutschen Leser fand - geebnet von einem Kleinverlag (wie klein ist Blitz eigentlich?). Dort gibt Frank Festa mittlerweile ja nicht nur die „Edition Metzengerstein” heraus, sondern auch „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens”, dem Leben und Werk des „dritten Eckpfeilers der amerikanischen Horrorliteratur” (neben Bierce und Poe) gewidmet. Bislang kamen drei Erzählungs-Bände heraus: „Lovecrafts dunkle Idole”, wo Festa Stories der literarischen Vorbilder HPL’s sammelte; „Die Saat des Cthulhu”, den Epigonen gewidmet, und „Der Lovecraft-Zirkel”: Geschichten und Erinnerungen von Lovecrafts Freunden. Zu diesen zählte auch Robert Bloch. In Band 3 wurde er zwar nicht aufgenommen, dafür wählte der Herausgeber mit „Strange Eons” den bisher einzigen Roman der Reihe aus.
Genauer: einen Episoden-Roman. In „Heute” kommt der Sammler Albert Keith mit dunklen Geschehnissen in Berührung, als er ein Bild des Malers Richard Upton kauft - Lovecraft-Lesern unter dem Namen „Richard U. Pickman” bestens bekannt. Die Spur führt in die Südsee, wo einmal der Große Cthulhu erwachte ... „Später” verfolgt Kay Keith, Model und Alberts Exfrau, die Spur ihres Mannes - und des Cthulhu-Kultes. Liegen diese beiden Geschichten zeitlich eng beieinander, so folgt „Bald” in einem Anstand von 25 Jahren. Mark Dixon, Reporter und Waise, gerät nicht nur in das große Erdbeben von Los Angeles, sondern auch in die Geschehnisse hinein, die ein Vierteljahrhundert früher begannen - und auch damals bildete ein Erdbeben in L. A. den Kontrapunkt zum Wirken der dunklen Mächte.
„Strange Eons” ist deutlich eine Verbeugung vor dem Werk des Meisters. Zum einen wird Lovecraft ausgiebig zitiert - was dem Leser nicht nur den Spaß des Wiedererkennens bereitet, sondern ihn auch verleitet, wieder einmal zu den entsprechenden Texten zu greifen. Und zum anderen macht Bloch den „Träumer aus Providence” zu einem Wissenden, der „jenseits der Mauer des Schlafes” Mysterien erblickte, die er in phantastischen Erzählungen beschrieb („nur” Phantastik, weil er wusste, wie die Menschen mit Träumern umgehen). Lovecraft wird zum Forscher, unermüdlich den Geheimnissen auf der Spur, die in Neuengland warten; und zum Inspirator von Menschen, die sich gegen die Großen Alten stellen. Also versuchen deren Anhänger, HPL zum bloßen Phantasten zu degradieren oder seine Werke zu beseitigen. Das gelingt freilich nicht; sogar eine Organisation - vergleichbar filmischen Nachfolgern wie Majestic 12 - nimmt den Kampf gegen die Bedrohung der Menschheit auf. Die Protagonisten stehen nicht allein, ihre Isolation - Kennzeichen Lovecraft’scher Geschichten - scheint durchbrochen.
Scheint. Bloch pflegt das typisch Lovercraft’sche Erzählschema: Der (oder die) Ahnungslose gerät mit dem Dunklen in Berührung, lehnt sich dagegen auf - und muss entdecken, dass er / sie selbst gezeichnet ist. Die Rettung, auch mit (mächtiger) Hilfe anderer, erweist sich immer als eine trügerische. Es gibt kein Entrinnen. - In seinem Nachwort meint Uwe Sommerlad, Bloch entwickele hier ein eigenes Werk, „ohne freilich HPLs fatalistisches Weltbild zu konterkarieren”. Ja - und ich finde es gut so, denn Lovecrafts Mythos veträgt keinen „guten Ausgang” und keine Verpflanzung ins Quasi-Christliche, wie zum Beispiel durch August Derleth, der den ungeheuer(lich)en Großen Alten die Älteren Götter überordnet (gute Mächte) und somit die alte christliche Dualität wieder herstellt - innerhalb derer der Mensch getröstet ist, denn wie schlimm es auch für die Protagonisten der Geschichten ausgeht, welche Weltuntergänge sich auch immer andeuten mögen, das Ende ist klar, das Gute siegt. So zu schreiben heißt aber, Lovecraft seines Essentiellen zu berauben, der Konsequenz, unwiderrufliche Niederlagen und Untergänge heraufzubeschwören, vor denen der „Held” der Geschichte (und der Leser) schaudernd zurückweichen. Die Großen Alten und ihre Diener sind nicht zu bannen - ganz in diesem Sinne gestaltet Bloch seine Geschichte. Das Böse triumphiert - und erweist sich nicht einmal als das Böse, sondern als das Fremde, Egozentrische, dem leid der Anderen gegenüber Gleichgültige. Die schlimmere Spielart? Blochs Erklärung für das Verhalten der Großen Alten klingt so rational, wie sie unserer heutigen Zeit angemessen ist - brutal rational. Das Böse ist, wie man sagt, „nichts Persönliches”. Sein Standpunkt lässt sich - gehört man nicht zu den Opfern! - sogar verstehen. Inwieweit sich in Blochs Werk die Erfahrung von NS-Zeit und Holocaust spiegelt, lässt sich hier nicht erschließen; eine Parallele jedoch scheint mir gegeben. Cthulhu in Blochs Lesart ist, Tentakel und Schleim hin oder her, nicht allzu weit entfernt vom „arischen Übermenschen”.

Womit schon angedeutet wäre, was dieses Werk bei allem Zitieren und aller Hommage doch zu einem echten Bloch und einem Kind der späten 70er macht: die Modernisierung des Mythos. Freilich liefert Lovecraft allemal die Vorlagen, aber, um ein simples Beispiel zu nennen: Er wusste nicht um die Atombombe. Bloch hingegen schon. Also musste zwangsläufig die Frage stehen, wie die Großen Alten auf eine technologisch ungeheuer fortgeschrittene Welt reagieren würden - denn sie sind, bei aller Macht und Fremdartigkeit, eben doch nur biologische Entitäten. Anders ausgedrückt: Besiegt die Zeit den Tod, wenn der sich modernster Waffen bedienen kann? übersteht Cthulhu einen Nuklearangriff?

Lovecrafts Mythos versus Wissenschafts-Gläubigkeit - HPL hätte selbst nicht gezögert zu entscheiden: Das Andere von jenseits der Vorstellungskraft muss siegen, will Lovecraft Lovecraft bleiben; und Bloch hat ihn darin besser verstanden als der - unbestritten verdientvolle - August Derleth. Die Lösung, die er findet, mag verrückt klingen, doch ist sie - wieder: wissenschaftlich gesehen - sicher nicht unmöglich oder gar unlogisch. Sie bedingt, dass eine Frau die Hauptfigur der zweiten Geschichte werden muss - und Bloch, als wolle er ein Versäumnis(?) Lovecrafts gutmachen, widmet Kay Keith nicht nur die längste und am besten geschriebene, eigenständigste Episode, sondern stellt sie auch weit lebendiger, aktiver, mutiger dar als ihre männlichen Pendants. Hierin liegt eine weitere Stärke des Buches.

Man hat sicherlich schon gemerkt, dass ich hier eine Empfehlung ausspreche; ich darf hinzufügen, dass diese sich sowohl auf die einfühlsame Übersetzung durch Monika Angerhuber als auch auf Uwe Sommerlads Nachwort erstreckt, welches einen guten Überblick über Blochs Leben und die Entwicklung seines Verhältnisses zu Howard Phillips Lovecraft bietet.

Dieses BLITZ-Buch übertrifft um Längen die Qualität der meisten Lovecraftiana, die in den sogenannten „großen” Verlagen erschienen sind.

Strange Eons,© by Robert Bloch, 1978; a. d. Amerikanischen übers. v. Monika Angerhuber 2000, 1170 S., DM 19,80, ISBN 3-89840-151-0;

28. Okt. 2006 - Peter Schünemann

Der Rezensent

Peter Schünemann

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