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Das Tor der Zeit
| DAS TOR DER ZEIT
Buch / Science Fiction
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Neal Asher: "Das Tor der Zeit"
Roman, Softcover, 460 Seiten
Bastei 2007
ISBN 3-4042-3308-5
Neal Asher setzt zum ersten Mal im vorliegenden vierten Band seiner Serie um den Agenten Cormac auf das klassische Element der Zeitreise. Wie aber auch in seinen ersten rasanten Romanen ist dieser Plotbestandteil im Grunde nur ein Katalysator für eine actionbetonte, rasante, nicht immer sehr leicht zu verfolgende vielschichtige Handlung. Es ist vielleicht nicht unbedingt notwendig, die anderen Bände der Serie zum Verstehen des vierten Teils gelesen zu haben, es erhöht aber das Lesevergnügen. Insbesondere in der ersten Hälfte des vorliegenden Buches bezieht sich der Autor expliziert auf Ereignisse bis zum ersten Roman zurück. Dabei nutzt er diese Querverweise als Basis für eine neue eigenständige Entwicklung in seinem inzwischen recht komplex gewordenen Kosmos. Was Neal Ashers Romane auszeichnet ist eine schwungvolle Dynamik besonders in den mannigfaltig ausgestalteten Actionszenen. Hier schreibt er wieder sehr cineastisch und lässt den Leser auf Augenhöhe am Geschehen teilnehmen. Auch wenn dieser von der Informationsvielfalt fast erschlagen wird, gibt es keine Heimlichkeiten oder konstruierte Erklärungen. Der Roman läuft zwar auf mehreren Handlungsebenen ab, die Bezugsperson für den Leser ist und bleibt der Agent Cormac, der allerdings inzwischen mehr und mehr die Rolle eines James Bond des Alls angenommen hat. Konnte man Asher in seinen ersten Büchern aufgrund eines fast unglaublichen Jungautorenenthusiasmus die mangelnde Charakterisierung seiner Protagonisten noch verzeihen, stört dieses Manko inzwischen gewaltig. Weder die Pro- noch die Antagonisten werden vielschichtig oder überzeugend charakterisiert. Der Leser kann sich ihnen weder auf einer intellektuellen noch einer emotionalen Ebene nähern, sie bleiben eindimensional. Damit nimmt sich der Autor in den actionorientierten Szenen selbst die Effektivität. Der Leser wird zum Betrachter, vor dessen Augen sich ein technisch hoch entwickeltes, aber inhaltsleeres Szenario abspielt. Keine charismatischen Schurken, obwohl gerade bei der Entwicklung seiner Kunstschöpfungen Neal Asher vielen anderen britischen Science Fiction Autoren weit voraus ist. Wenn es ihm noch gelänge, einer künstlichen Intelligenz eine überzeugende, durchaus überdrehte Persönlichkeit zu geben, wären seine Bücher noch empfehlenswerter. Mit dem stoisch einsamen Agenten Cormac hat Asher sicherlich einen überzeugenden Helden in Steven Seagal Manier etabliert, der inzwischen fast unverwundbar seinen Dienst für eine Regierung und die Menschheit tut, mit der er im Grunde nichts gemein hat. Aber es fehlt der nächste Schritt. Es ließe sich zwar argumentieren, dass sich auch ein James Bond in Ian Flemings Romanen nicht sonderlich weiterentwickelt hat, dafür hat dessen Schöpfer seinem Agentenideal gleich von Beginn einige faszinierende, für den Normalmenschen idealisierte Züge mitgegeben, die Persönlichkeit ist abgerundeter und charismatischer gewesen. Bei Cormac liegen noch sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten und einem inzwischen seit einigen Jahren mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks publizierenden Autoren wie Neal Asher müsste es gut zu Gesicht stehen, an den eigenen Schwächen zu arbeiten und die vorhandenen Stärken zu konservieren.
So setzt er sich im vorliegenden Roman Das Tor der Zeit mit der Prämisse auseinander, in wie weit die Menschen im Allgemeinen und dieser Begriff wird durch die fehlende Resonanz auf der Ebene der einfachen Durchschnittsmenschen sehr weit gefasst überhaupt noch menschlich in einer derartig technisierten Zukunft bleiben wollen. Die Polity wird zum wiederholten Male von einer überlegenden Intelligenz dieses Mal in Form eines Virus bedroht. Dieser droht die Befallenen in etwas zu verwandeln, das man wahrscheinlich nicht mehr als menschlich bezeichnen kann. Der grundlegende Plot ist sicherlich von Jack Finneys feinem und immer wieder verfilmtem Roman Invasion der Körperfresser entliehen worden.
Neal Asher geht aber in seinem Buch einen Schritt weiter. Denn der Held Cormac muss sich überdimensionalen Monstren stellen, die wie der Drache auf irdischer Sagenwelt basieren und sich doch ganz entgegen der Erwartungen präsentieren. Da sich Cormac aufgrund seiner Verletzungen aus dem letzten Einsatz nicht mehr gänzlich erinnern kann und er sich im Verlaufe des Einsatzes selbst als Mensch in Frage stellen muss, werden seine Opferbereitschaft und seine eingeschränkten Fähigkeiten auf eine ernsthafte Probe gestellt. Wie schon angedeutet hätte ein auf der emotionalen Ebene bessere Autor als Neal Asher aus diesem Buch in Bezug auf den inneren Konflikt deutlich mehr machen können. Auf der Actionhandlung dagegen ist Neal Asher weiterhin das Maß vieler Dinge. Das beginnt bei der außerordentlichen Technologie. Eine geheimnisvolle Intelligenz namens Legate verteilt diese Technologie auf einer der bewohnten Welten. Mit einem willigen Helfer wird diese geheimnisvolle Waffe selbst hier bleibt Neal Asher neutral und ambivalent über weite Strecken des Buches, um seine Grundidee nicht auf ein Klischee zu reduzieren in Einsatz gebracht. Auf einer zweiten Ebene macht eine flüchtige künstliche Intelligenz eine Entdeckung, die konträr zur bisherigen Politik der von Menschen besiedelten Systeme stehen könnte. Das sich nur Cormac mit einem willigen Helfer gegen diese fatale Entwicklung stellen kann, ist klassische Pulpfiction im modernsten Gewand.
Wie eng sich inzwischen seine Romane miteinander verbinden, zeigt Asher in der Figur des Unsterblichen Horace Blegg. Im Schmelztiegel von Hiroshima entstanden ist er die treibende Kraft im vorliegenden Buch. Der Bogen wird zurück zum vorher erschienenen Roman Die Zeitbestie geschlagen. Der Kontrast zwischen dem Unsterblichen Blegg und dem inzwischen seine Menschlichkeit anzweifelnden Cormac ist deutlich fokussierter und besser geschrieben als in den bisherigen Asher- Romanen. Da Cormac wieder das Opfer von Manipulationen durch die künstlichen Intelligenzen geworden ist, die Teile seiner Erinnerung anscheinend vor ihm verbergen und Blegg trotz seiner Unsterblichkeit sein menschliches Erbe sucht, kommen sich die beiden sehr unterschiedlichen Charaktere näher. Asher versucht diese eher ruhigen Szenen des Romans nicht durch hektische Aktionen aufzuwerten, sondern lässt sich Zeit. Das macht den Roman als ganzes stringenter und vor allem lesbarer. Die Rückblicke sind sehr gut in die einzelnen Spannungsbögen integriert worden und bilden am Ende des Buches ein befriedigendes Ende. Natürlich wird auf den folgenden und schon geschriebenen Roman durch einen kleinen implizierten Epilog hingewiesen. Natürlich ist Cormacs Sieg im Grunde kein durchschlagender Erfolg, sondern nur eine Verschnaufpause im Kampf der Menschen gegen die Maschinen/ künstlichen Intelligenzen und natürlich öffnet Asher am Ende des Buches seine Ideenschatzkiste, um eine neue Herausforderung insbesondere Cormac in seinen beschwerlichen Lebensweg zu legen. Das liegt aber auch in der Tatsache begründet, dass Asher als Autor endlich bereit ist, sein Universum wirklich vor seinen Lesern zu öffnen. Mehr und mehr gewinnt man den Eindruck, als wenn der Autor selbst von seiner sich fortlaufend entwickelnden Schöpfung überrascht worden ist. Das Verhältnis zwischen Funden und Belohungen wirkt ausgeglichener, während Cormac vor allem in den ersten Büchern nicht die Zeit hatte, Luft zu holen, bevor eine neue Herausforderung auf ihn wartete. Während Asher in erster Linie vordergründig den Leser mit Monstren in einem modernen Gewand überraschte, geht er jetzt auch auf die künstlichen Intelligenzen ein, die mehr oder minder eigenmächtig an den Schalthebeln der Macht sitzen und sich inzwischen weder von den Menschen noch irgendwelchen außerirdischen Wesen beeinflussen lassen. Sie sind eindeutig die Manipulatoren.
Es lohnt sich nicht, mit diesem vorliegenden Roman in Neal Ashers Universum einzusteigen. Zu viele Feinheiten gehen verloren. Wer gerne eine außerordentlich inszenierte, oft zu Übertreibungen neigende Pulp- SF Serie in einem futuristischen Cyberpunkgewand mit Bezügen zu den barocken Space Operas anderer britischer Autoren lesen möchte, sollte auf jeden Fall mit Der Drache von Samarkand anfangen. Auch wenn Ashers Stil und Exposition in seinem ersten verkauften Buch noch roh und ungebändigt wirken, erkennt der Leser Ashers Enthusiasmus, in der eigenen Schöpfung ohne Rücksicht auf Regeln oder Gesetze etwas bewegen zu wollen. Das zeichnet diese Serie aus. Asher bemüht sich, auf der Grundlage bekannter Science Fiction Ideen seinen außerordentlichen, manchmal ungeordneten Ideenreichtum zu extrapolieren und so eine Mischung aus Altem und Neuen zu schaffen. In Das Tor der Zeit ist es ihm gut gelungen.
24. Aug. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/science_fiction/i...
Der Rezensent
Thomas Harbach

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