Unter dem Trollmond
| UNTER DEM TROLLMOND
Buch / Fantasy
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Dieses Buch hat einen großen Fehler: Es ist so offensichtlich nicht zu Ende, dass es - obwohl ein deutlicher Hinweis darauf fehlt - wohl wieder der erste Teil eines Zyklus sein wird. Nun ist das bei guten Büchern überhaupt kein Mangel, und ich würde mit ungetrübter Freude der Fortsetzung entgegensehen, wenn da nicht eine leise Befürchtung wäre: Schon einmal fand ich einen ersten Teil aus der Feder Teresa Edgertons vielversprechend - und sah mich dann von den beiden folgenden Bänden arg enttäuscht. Ich hoffe, das passiert hier nun nicht wieder - es wäre ein wenig schade, denn so spannend, schaurig und vergnüglich wie bisher kann es ruhig weitergehen. - Ach, keine übertriebene Sorge! rufe ich mir und allen anderen Edgerton-Lesern zu. Vergleicht doch einmal "Das Kind des Saturn mit "Unter dem Trollmond - merkt ihr denn nicht, dass da eine Autorin an Substanz gewonnen, sich freigeschrieben hat?
In der Tat, so scheint es. Zwischen der Trilogie "Die grünen Löwen und diesem Buch hier liegt nur ein einziges Jahr und doch eine ganze Welt - eine Welt voller bunter, interessanter Figuren. Der Buchhändler und Alchimist Gottfried Jenk, seine Enkelin Seramarias Vorder, sein Gehilfe Caleb Braun und dessen Großneffe Jedidiah - Elsie Vorder, Seras geliebte Cousine, und deren arzt-besessene Mutter Clothilde - die zwielichtige Herzogin von Zar-Wildungen, der unsympathische Jarl Skogsra und vor allem der vielgesichtige Lord Francis Skelbrooke - sie alle plus drei Dutzend Nebenfiguren tanzen einen zugleich lebenslustigen und morbiden Reigen, gegliedert in 42 Teile mit so hübschen Überschriften wie: "10. Kapitel - Welches der empfindsame Leser vielleicht überschlagen möchte, welches er aber nichtsdestoweniger lesen sollte oder "23. Kapitel - Welches in seinem Wesen bedauerlicherweise äußerst gewalttätig ist. Was aber, wie ich getrost versichern kann, satirische Übertreibungen sind; es kommen in diesem Buch nicht mehr Gewalt und Schrecken zur Aufführung als in anderen Fantasy-Werken - oder in Abenteuerromanen über das (ausgehende) Mittelalter. Nicht mehr, aber auch nicht weniger; und nicht weniger Intrigen, Kämpfe, Hexen, Teufelsbündner, schaurige Orte, geheimnisvolle Experimente ...
Freilich ist keine Zutat neu, aber die Mischung machts. Man nehme einen relativ friedlichen spätmittelalterlichen Staat irgendwo zwischen Deutschland und Finnland (ohne Ort und Regierungsform näher zu bestimmen), bevölkere ihn mit Menschen, wie sie aus Chaucers, Merimees, Dumas, Gellerts Welten stammen könnten, gebe Zwerge, Hobgoblins und Trolle hinzu, rücke dann zwei potentielle Paare (Sera - Skelbrooke / Elsie - Jedidiah) in den Mittelpunkt, lasse um diese sympathischen jungen Leute einige zwielichtige Gestalten ihre Intrigen spinnen - und fertig ist die Grundsubstanz. Diese würze man mit einem untoten Zauberer, einem früheren Alchimisten, dessen alte Leidenschaft ihn wieder übermannt, seinem Gehilfen, der in der Zeugung einer Homunkula die Chance sieht, auf seine alten Tage doch noch Vater zu werden, sowie diversen anderen merkwürdigen Personen nebst ihren seltsamen Bräuchen; das Gemisch backe man ca. 470 Seiten lang, unter gelegentlicher Anrufung von Tad Williams, des "Schutzheiligen angehender Romanciers (T. Edgerton). Und fertig ist eine äußerst bekömmliche, locker-leichte Knabberei für Bücherwürmer, so richtig zum Verschlingen.
Mängel? Ja, etliche - die fehlenden Enden! Denn der Strauß mit der rachsüchtigen Herzogin von Zar-Wildungen ist noch nicht ausgefochten; die Held(inn)en befinden sich auf der Flucht, wobei sich Sera und Skelbrooke trennen müssen; und tauchen die bekehrten Sklavenhändler noch einmal auf? und können sich die Weißen Magier der Gilde der Glasmacher wirklich mit Erfolg um den ebenso bösartigen wie mächtigen Zauberer Thomas Kelly "kümmern ?? und ... ???
Also, auf ein Neues - hoffentlich schon in "Die Goblin-Maschine (Heyne F 06/9021 - in Vorb.)! Die gleich anschließende Nummer scheint eine Fortsetzung zu versprechen; möge sie nicht zu lange auf sich warten lassen und uns nicht enttäuschen.
Goblin Moon, © by Teresa Edgerton 1991, übers. v. Alfons Winkelmann, 477 S., DM 14,90
29. Okt. 2006 - Peter Schünemann
http://www.solar-x.de
Der Rezensent
Peter Schünemann
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