Die blaue Grenze
Ein Winter ohne Eis und Schnee, dafür mit ganz viel Melanie. Am Morgen, am Abend und in den Nächten. Das war so schön, das ich mich ganz doll daran gewöhnen wollte. Naja gut, manchmal war es schon nicht ganz einfach. Und das wir, wenn wir wirklich zusammenziehen wollten, unbedingt jeder unser eigenes Medienzimmer bräuchten, das war auch ganz klar. Weil, um die Fernbedienung hab ich mich im meiner Jugend schon genug gestritten, das mußte ich mir als Erwachsener nicht mehr geben.
Und irgendwann wurde es noch schöner als schön und Melanie wurde auch noch viel schöner und vor allem viel netter. Ich ließ mich vollkommen fallen in diese Glückseligkeit und spürte doch ganz deutlich: Da ist was im Busch. Aber ganz gewaltig! Eigentlich kennen Männer Frauen ja nicht, sagt man zumindest. Aber ich kannte Melanie inzwischen genug. Und so gestand sie mir dann, an einem unserer romantischen und ganz traditionellen Sushiabend, wie üblich in nur ganz wenig Kimono gekleidet, das sie mit ihrem Kieferchirurgenchef für zwei Monate zur Ärztehilfe nach Asien gehen würde. Zwei Monate! Nach Asien! Ausgerechnet mit dem! Nö, das geht ja überhaupt nicht. Genau so sagte ich ihr das auch: "Nö Melanie, das geht ja überhaupt nicht!" Aber ich sagte ihr natürlich auch, das ich sie selbstverständlich niemals in ihrer Selbstentfaltung einschränken würde, und die Ärztehilfe bestimmt eine ganz tolle Idee wäre und ich total stolz auf sie bin. Sie kuschelte sich an mich und wir waren beide glücklich. Sie, weil ich so verständnisvoll war. Und ich, weil ich so verdammt verständnisvoll sein konnte. Und damit war nun endlich der richtige Zeitpunkt gekommen, uns zusammen wieder einen deutschen Film anzuschauen. Das hatten wir uns eine ganze Weile nicht getraut. Zu präsent war und noch unser Streit, den wir hatten, nachdem wir den blöden "Das Leben der Anderen" gesehen hatten.
DIE BLAUE GRENZE
"Das Leben ist Wiederholung, ist Wiederholung, ist Wiederholung" sind die ersten Worte dieses Filmes. Glücklicherweise ist "Die blaue Grenze" genau das nicht. Im Gegenteil, dieser Streifen ist gänzlich anders, als das was man heutzutage hierzulande so allgemein vor sich hindreht und veröffentlicht.
Man könnte "Die blaue Grenze" fast schon skandinavisch nennen, und das ist er ja auch irgendwie, denn er spielt im deutsch-dänischen Grenzgebiet. Momme findet seinen Vater tot in der Küche und fährt nach Flensburg zu seinem Großvater. Der Großvater lebt seit dem Tod seiner Frau im Kleingarten, da es zu Hause nach Tod stink. Und eben diesen Geruch bringt Momme nun auch in den Bungalow mit.
Auf einer Party in einer der Nachbarlauben begegnet Momme der wunderschönen Dänin Lene und wenig später dem Oberkommissar Poulsen. Fortan werden sich die Wege dieser drei immer wieder kreuzen. Lene und Momme verbindet nicht nur die gegenseitige Anziehung, sondern auch, ohne das sie es wissen die Vergangenheit. Kommissar Poulsen wurde versetzt und kann doch nicht von seiner alten Dienststelle Abschied nehmen. Als sich seine neue Nachbarin, die esoterisch angehauchte Frau Marx, ihm zuwendet, treibt sie ihn damit noch mehr in seine Verzweiflung.
Till Franzen, der Regisseur von "Die blaue Grenze" läßt seinem Spielfilmdebüt viel Zeit. Hektik passiert anderswo, hier wird ganz bewußt ruhiges ländliches Leben gelebt.
Und das tut gut, denn gerade in der Ruhe liegt bei diesem Film auch die Kraft. Es gibt wunderschöne Detailaufnahmen, eine ganz simple, aber dadurch großartige Ausstattung (Röhrenradios herrschen einfach!) und hervorragende Darsteller. So wie Dominik Horwitz, als Kommissar, mit dem ganzen Mut zur Häßlichkeit und die einfach anbetungswürdige Hanna Schygulla, als Frau Marx. Jeder hat bei diesem Film etwas besonders, etwas das ihn auf seine Art ganz Eigen seien läßt. Seien es nun die Nachbarn, oder das grandiose Räuberduo. Wunderbar, ich bin begeistert auf höchste begeistert. Und was meint Melanie? Die schläft tief und fest.
Also ist "Die blaue Grenze" doch nichts für Jeden
19. Okt. 2007 - Mikis Wesensbitter
Der Rezensent
Mikis Wesensbitter

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Im Gegensatz zu anderen, kann ich mit Recht behaupten: Ich bin ein Berliner! Und ich werd auch einer bleiben. Nicht weil ich Berlin so besonders toll finde, aber immerhin wesentlich besser als andere Städte. Und Berliner zu sein, schließt ja auch nicht aus, das man die warme Hälfte des Jahres in der Uckermark verbringt. So...
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