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Pornutopia

PORNUTOPIA

Piers Anthony
Roman / Science Fiction

Edition Phantasia

304 Seiten
ISBN: 978-392495968-5

Jan. 2007, 250. limitierte Auflage, 49.00 EUR
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Mit „Pornucopia“ legt die Edition Phantasia einen schon 1969 von Piers Anthony geschriebenen Roman zum ersten Mal in deutscher Sprache auf. Wie Piers Anthony in seinem kurzweilig zu lesenden Nachwort berichtet, entstand die Idee für die Geschichte aus der Not heraus, neue Absatzmärkte für die eigene Produktion zu finden. Essex House gehörte zu den kleinen innovativen Verlagen, die erotische Literatur mit greifbaren – Pardon für das Wortspiel - phantastischen Elementen veröffentlichen. Eine Reihe von populären Science Fiction Autoren – unter anderem auch der Großvater der sexistischen Science Fiction Philip Jose Farmer sowie Samuel Delany – veröffentlichte in diesem Nischenanbieter unbeachtet von der Breite ihrer sonstigen Leser entsprechende erotische Geschichte. Als mögliches Pseudonym suchte sich Piers Anthony den Namen Tony Pedro aus. Nachdem Piers Anthony ungefähr ein Drittel seines Buches unter dem Titel „3.97 Errect“ als Anspielung auf die Bemannung des Protagonisten fertig gestellt hatte, schloss Essex House seine Tore. Das Manuskript blieb ein Jahr liegen. In der Zwischenzeit veröffentlichte Piers Anthony einige interessante Romane, bevor er sich aus einer Laune heraus wieder der Geschichte zuwandte und sie mit einer anderen Idee – dem Eiscremeberg – abschloss. Fast zwanzig Jahre später stieß Charles Platt in einer Bibliographie Piers Anthonys auf diesen bislang unveröffentlichten Roman und wollte wie einige Verleger später das Buch in einem extra gegründeten Verlag veröffentlichen. Platt konnte allerdings nur einige wenige Musterexemplare fertig stellen. Das Projekt wanderte von einem Verlag zum nächsten, bis das Buch schließlich sowohl als Hardcover als auch Paperback in einer sehr kleinen Auflage veröffentlicht worden ist. Vor wenigen Jahren erfolgte eine limitierte und signierte Neuauflage, Piers Anthony überarbeitete leicht das Manuskript für diese Sammleredition. Joachim Körbers Übersetzung basiert auf der bearbeiteten Fassung. Der Band erscheint in einer Auflage von 250 Exemplaren vom Autor persönlich signiert. Eine Fortsetzung „The Magic Fart“ ist 2003 als Ebook erschienen und setzt die Abenteuer von Prior Gross nahtlos fort.

Wie Philip Jose Farmer setzt Piers Anthony das Element der Übertreibung bis hin zur Groteske ein, um seine schwarze Komödie gegen jeden guten Geschmack zu erzählen. Wer jetzt einen reinen erotischen Roman mit einigen hingeworfenen phantastischen Ideen erwartet, wird sicherlich überrascht und vielleicht auch enttäuscht. Es gibt genügend Verkehr, aber nicht nur mit schönen und für die Wissenschaft willigen Frauen, sondern auch homosexuelle Kontakte und schließlich auch Verkehr mit Dämonen. Und das alles, um die Welt zu retten. Außerdem sind verrückte Genitalientransfers an der Tagesordnung und unter der Vorhaut des gewöhnlichen Helden ist der Stoff, welcher die Menschheit vor fast allen Geschlechtskrankheiten - als das Buch entstanden ist, kannte man AIDS noch nicht einmal vom Hörensagen, das einzige Element, das diese futuristische Geschichte wirklich alt erscheinen lässt -retten könnte und retten wird.

Dieser Held ist Prior Gross, ein Parkplatzausmesser, der an einem einsamen Strand von einer wunderschönen Frau verführt wird. Diese stellt sich schließlich nicht als einfache heiße Puppe raus, sie ist ein Sukkubus und Inkubus in einer Person und nutzt Gross reichlich fließendes Sperma aus seinem nicht sonderlich großen Penis - darauf bezog sich der ursprüngliche nicht verwendete Titel und gleichzeitig ist es ein laufender Witz des Romans -, um gleich weitere Frauen am Strand zu befruchten. Mit dieser Begegnung beginnt eine übernatürliche Geschichte. Anscheinend ist Gross Vorhaut der Hort eines seltenen Heilmittels und schneller als es die Polizei erlaubt, wird ihm nach einer dämonischen Orgie der Penis amputiert und gegen ein verbessertes, abdrehbares Modell - aber nur im Ruhestand - eingetauscht. Jetzt könnte er endlich die Frauen befriedigen, die in Gross Phantasie bislang auf seine fehlenden Zentimeter heruntergesehen haben. Allerdings beginnt Gross den Teil seines Körpers zu vermissen. Er begibt sich auf die Suche nach dem fehlenden Teil, aber die Quest für nicht auf dem direkten Weg ins Ziel. Vorher muss er sich mit einer perversen Gruppe von Dämonen, einem Satyr, den Bewohnern einer fremden Welt und schließlich sogar der Entstehung des Universums auseinandersetzen.

In seinem Nachwort gibt Piers Anthony zu, dass der Roman im Grunde aus zwei sehr verschiedenen Geschichten zusammengesetzt worden ist. Er weißt darauf hin, dass er bislang keine kritischen Stimmen zu dieser Patch Up Situation erhalten hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Leser dieses Zusammensetzen nicht deutlich erkennt. Das Erstaunlich am vorliegenden Roman sind der Anfang und das Ende. Beide wirken sehr harmonisch, die Erotik und das Phantastische sind gut aufeinander abgestimmt und trotz der vorhandenen Übertreibungen - so führt Gross Organ seinem weiblichen Opfer mittels normalem, Oral- und schließlich Analverkehr die wichtigsten Informationen über das Universum förmlich ein - zeigen sie Piers Anthonys Stärke, aus dem Nichts heraus eine interessante Geschichte zu erzählen. In diesen Szenen ähnelt er nicht nur Philip Jose Farmer, dessen erotische Romane in erster Linie in der Sammlung “Fleisch” vor vielen Jahren im Heyne Verlag veröffentlicht worden sind, sondern auch seinen eigenen Satiren wie “Retter von Dent-All” oder einem wenig bekannten erotischen Horror- Roman “Shade of tue Tree”, in dem er ein pädophilies Verhältnis sehr detailliert beschrieben hat. Während er in dem Buch die Grenzen des guten Geschmacks auf eine sehr unangenehme Weise - vor allem in Hinblick auf die traurige Realität - überschritten hat, haben die Erwachsenen hier zusammen mit den Dämonen zwar nicht immer Spaß an ihren sexuellen Aktivitäten - ein Geschlechtsverkehr artet schließlich zu einer Vergewaltigung aus, nach der das “Opfer” trotz ihres großen Erfahrungsschatzes zum ersten Mal richtig “befriedigt” worden ist -, aber es sind Erwachsene oder Dämonen, die sowieso unsterblich sind. Im Vergleich zu vielen anderen erotischen Autoren hangelt sich Piers Anthony auch nicht von einer Sexszene zur nächsten, sondern entwickelt zu erst den grotesken, aber unterhaltsamen Hintergrund, vor dem sich die einzelnen Szenen abspielen. Im etwas zu langen und teilweise zu überzogenen Mittelteil nutzen sich die Sexszenen trotz aller Originalität - hier wird für jeden Ungeschmack etwas geboten - im wahrsten Sinne des Wortes zu schnell ab und die Quest hätte insbesondere in Hinblick auf den bizarren Hintergrund des Eiscremeberges handlungstechnisch vielfältiger gestaltet werden können. Der Szenarist Peiers Anthony ist nach seinem zwanzigsten Roman noch nicht auf dem Niveau angekommen, das man später insbesondere in Hinblick auf seine “Xanth”- Romane, aber auch Science Fiction Zyklen von ihm erwartet. Obwohl keiner der Charaktere glaubwürdig oder sympathisch beschrieben worden ist -selbst der Held Gross macht seinem Namen alle Ehre und agiert wie ein überdrehter Egomane - liegt in dieser Überzeichnung der Reiz des Buches. Vergleicht man den vorliegenden Text vor allem mit Charles Platts “Gas” - ebenfalls vor vielen Jahren in der Edition Phantasia erschienen - wirkt Piers Anthonys Roman deutlich wärmer und erzähltechnisch anspruchsvoller. Nicht selten hat der Autor in seine sehr geradlinige Handlung Parodien auf die gängigen Gruselgeschichten integriert und einige Abschnitte wirken die eine grässlich überzogene Satire auf seine eigenen zuckersüßen “Xanth” Romane. Ein Buch, in dem Dämonen nicht nur böse sind, sondern vor allem Lust haben, in denen die Frauen nicht immer, aber immer öfter tatsächlich auch klug sind und ein Penis mindestens seine zwanzig Zentimeter haben muss. Am Ende des Buches kommt Gross zwar zu einer anderen Ansicht, aber der Weg ist gespickt mit sexuellen Begegnungen jeglicher Art. Der in einer schönen Hardcoveredition mit einem optisch ansprechenden Titelbild erschienene Roman zeigt zumindest ansatzweise, über welches Potential Piers Anthony in den legendären siebziger Jahren verfügte. Das Buch liest sich sehr unterhaltsam, ist stellenweise anregend - aber nicht unbedingt zum Heimgebrauch geeignet -, dann wieder derartig überzeichnet, dass der Leser nur mit einem Schmunzeln über den Einfallsreichtum den Kopf schütteln kann. In einigen Szenen übertreibt Piers Anthony allerdings - das gilt in erster Linie für die ein oder zwei Jahre später geschriebenen Teile des dritten Abschnitts, in denen er zum Teil die Handlung aus unerfindlichen Gründen dehnte und die Sexszenen nicht mehr erotisch überzeichnete, sondern sich wie in einer für die Fantasy fast obligatorischen Quest von einer Aufgabe zur nächsten hangelte. Wer insbesondere die in der Sammlung “Fleisch” zusammengefassten Werke von Philip Jose Farmer geschätzt hat, wird auf dem gleichen Niveau ein weiteres Buch mit dem vorliegenden Buch goutieren können. Es ist vielleicht - ebenso wie die Farmer Romane - nicht seine beste Arbeit, aber sie zeigt, welche Ideen Piers Anthony auch in einen erotischen Roman packen wollte und konnte. Diese gehen über das bekannte Rein- Raus Spiel - um Alex aus “Uhrwerk Orange” zu zitieren - hinaus. Es ist kein Bahnbrechendes Buch, eine aber lesenswerte Groteske mit einigen sehr guten Ideen und einer frechen Geschmacklosigkeit, welche insbesondere die erotische Buchindustrie nicht mehr zu produzieren wagt.

15. Nov. 2007 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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