|
emperor-miniature
Distel Kranichs Suche nach Sex
| DISTEL KRANICHS SUCHE NACH SEX
Buch / Science-Fiction
|
Welcher Name ging mir beim Lesen dieses Buches als erster durch den Kopf? Douglas Adams? Johanna Braun, Günther Braun? Philip K. Dick? Robert Sheckley? An sie alle fühlte ich mich irgendwie erinnert durch diesen Erstling der Wienerin Sonja Rehak, Jahrgang 1969. Nein, kein Wecken falscher Erwartungen, kein ungebührliches Überhöhen aber dennoch gebührendes Lob für dieses Buch, für seinen Sarkasmus, seine irren Einfälle, die flüssige Erzählweise, die Montagetechnik, die witzigen Passagen, die Parodie unseres Lebens und unserer Zukunft, die Parodie des Kriminalgenres und schließlich der Science Fiction selbst ... Man sieht: Ich mag es.
Distel Kranich, der Ich-Erzähler, sucht also nach Sex (was nur der Aufhänger für die Geschichte ist und nicht zu entsprechenden und entsprechend bemühten - Szenen führt, etwas prüdere SF-Fans also nicht abschrecken muss). Eigentlich lebt Distel in einer Zeit, in der Sex verboten ist, aber kommt ihm eine Zeitreisende unter, die einen Kaugummi braucht, um ihre Zeitfahrkarte zu reparieren, und außerdem gern Sex hat, wonach Distel Kranich auch gern ... Leider begeht er den Fehler, seinem besten Freund davon zu erzählen; der verpfeift ihn, und ihm bleibt nur die Flucht von der Erde, die ihn zum Mond und auf den Rummelplatzplaneten und in ein Schwarzes Loch und wieder zurück zur Erde führt. Das alles ist nicht so ganz ernst zu nehmen und auch nicht so wichtig, genauso wenig wie die Tatsache, dass die Hauptfigur bereits auf Seite 80 stirbt, das Buch danach aber noch 127 Seiten weitergeht; die Autorin vermerkt anläßlich von Distel Kranichs Tod sogar erleichtert, nun lägen endlich die Einengungen der Ich-Erzählung hinter ihr; fortan übernimmt der Gnom Kaktus Rehbock die Hauptrolle, teilt sie sich aber mit Inspektorin Wagenhaus, die 1999 einen kniffligen Kriminalfall zu lösen hat und außerdem ein Buch liest, dessen Hauptfigur ein gewisser Karl ist, der einen neuen Job bekommt, woraufhin er sich Verschiedenes kauft, darunter einen Riesennippes, der eine Gebrauchsanweisung enthält, in der ein arbeitsloser Verfasser von Gebrauchsanweisungen über die Geschichte der Gebrauchsanweisung philosophiert ... Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: das komplizierte Geflecht, das die Autorin da so souverän webt, die Banalität des erzählten Geschehnisse, die vor dieser kunstvollen Technik natürlich um so krasser hervortritt ein formaler Kunstgriff! oder die trockene Kaltschnäuzigkeit, mit der Sonja Rehak das ganze Gewebe in drei Sätzen zerschneidet. Klasse!
Daneben enthält der Text, welcher aus einer Fülle kurzer bis sehr kurzer Kapitel besteht, Episoden vom Feinsten, neben der schon erwähnten Geschichte der Gebrauchsanweisung eine erschöpfende Auskunft über die Natur des Universums, verbunden mit einem schlüssigen Nachweis der Existenz Gottes, welche allerdings später ebenso schlüssig widerlegt wird; oder eine Analyse der menschlichen Seele als solcher, welche die Psychoanalyse parodiert; wer möchte, kann hier auch Boshaftes über Gruppentherapien oder die Menschen insgesamt lesen, komplettiert von der Feststellung: Computer sind eigentlich besser geeignet, Menschen zu sein, weil sie keine sinnlosen Aggressionsakte setzen und besser geeignet sind, Informationen auszutauschen. So betrachtet, hat der Roboter recht. Aber da es im Jahre 2486 ohnehin nur noch 258 Menschen gibt und die Welt 2499 endgültig untergehen wird, ist es auch wieder egal.
Habe ich das Herz, dieses boshafte und wunderschön verrückte Kaleidoskop, in dem es von irren Einfällen nur so wimmelt, zu kritisieren? Ich habe. Die Autorin verfügt über so viel Phantasie und Witz, dass sie es nicht nötig hat, plumpe Parodien des Kalibers Star Dreck nachzuahmen, dafür ist sie zu gut; auch die Seitenhiebe gegen den deutschen Schlager hätten nicht sein müssen, sie reichen nicht über das übliche Niveau hinaus. Gut erzählt, aber zu leicht durchschaubar ist die Geschichte vom makellosen jungen Mann, der seiner Schwester erklärt, die Unmenschen, die man auf dem Schießstand zum Spaß abknallt, seien doch gar keine echten Menschen; der SF-Leser kennt solcherlei Plots zu genau, um überrascht zu reagieren. Doch das sind Kleinigkeiten, sie machen vielleicht zwanzig Seiten aus - bleiben neun Zehntel Lesevergnügen.
Verlagsleiter Ernst Petz schreibt zu diesem Buch: Besonders stolz sind wir natürlich auf die Sonja Rehak - eine Erstveröffentlichung, auch die erste Veröffentlichung einer Autorin überhaupt das soll uns erst einmal ein großer Verlag nachmachen. Nein, hier wird keine blecherne Werbetrommel gerührt; Petz kann wirklich stolz sein auf sein Produkt, aus dem ohne Aarachne Wien wer weiß was geworden wäre, vielleicht sogar ein Staubfänger in einer Schublade. Und ich hätte das dann nicht einmal bedauern können.
Sonja Rehak: 2.312 Distel Kranichs Suche nach Sex, Aarachne Verlag Wien 1999, 208 S., öS 190,-
10. Nov. 2006 - Peter Schünemann
Der Rezensent
Peter Schünemann
Total: 138 Rezensionen
April 2018: keine Rezensionen
[Zurück zur Übersicht]
|
|