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Adam
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Michael Stewart Buch / Horror
Heyne Verlag
ISBN: 345305623X
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Laut Text auf der Rückseite handelt es sich bei diesem fast 450 Seiten dicken Buch um Stewarts "besten Psycho-Horror-Thriller". Nun, das sagt noch nichts. Man kennt den "Wert" solcher Ankündigungen. Also ging ich unvoreingenommen an die Lektüre, da es meine erste Erfahrung mit dem Autor war.
Was passiert?
Der amerikanische Anthropologe Sam Wendell sucht im Kaukasus die Spuren der Almas. Nur Sagen berichten über jene Geschöpfe, von denen er vermutet, daß sie Neandertaler sind, noch nicht "verseucht"von den Genen der Zivilisation. Wendell findet en Feuer, in dem vor kurzem einer jener Almas verbrannt wurde. Er nimmt alles wissenschaftlich Verwertbare an sich, auch einen behauenen Feuerstein an einem Lederriemen. Und dieser Gegenstand bringt die Geschichte ins Rollen.
Im Feuer hat nämlich ein AlmaJunge seinen Vater eingeäschert doch er hofft, daß dieser bald zur Erde zurückkehrt. Als er den wegen eines Sturzes bewußtlosen Sam und an dessen Hals den Feuerstein entdeckt, glaubt er, sein "Atta" sei wirklich wiedergeboren. Wendell kommt zu sich, und es gelingt ihm, den Jungen über die türkische Grenze zu locken. Doch angeschlagen, wie er ist, stirbt er an den Folgen eines Autounfalls. Der Junge, der seinem "Atta" nicht von der Seite weicht, gerät relativ hilflos in der "Zivilisation" in die Fänge der "Stiftung", für die Wendell arbeitete. Man kennt sie ja, diese mysteriösen Vereinigungen mit viel Geld und skrupellosen Methoden, welche allemal mit allen Mitteln die Welt retten wollen.
Doch die Experimente an dem Alma werden zugunsten eines anderen unterbrochen: Julia Wendell, die "sentimentale" (nd bis zur Unglaubwürdigkeit naive) Gattin des verstorbenen Wissenschaftlers, adoptiert das "Zigeunerkind". Sie gibt ihm den Namen "Adam" und nimmt ihn in ihre Minifamilie auf, zu der noch Tochter Sandy gehört baseballvernarrter Teenager mit Beziehungsproblemen, finsterer Miene und goldenem Herzen. Rührend.
Die Ereignisse entwickeln sich, wobei kein Klischee zu albern erscheint. Cray, der böse Stiftungsboß, beginnt ein Verhältnis mit Julia. Sein wissenschaftlicher Oberfiesling, sinnigerweise Dr. Lovejoy genannt, will Adam durchtesten und aufschnippeln und drängelt deshalb immer so. Maxine, Sam Wendells Geliebte und na? Genetikerin! , erkennt Adams Wert, will ihren eigenen Reibach damit machen, schließt den Jungen dann aber ins Herz. Schluchz.
Dafür darf sie ihn schon mal raushauen, als Lovejoy ihn gekidnappt hat. Locker dringt sie im ArnoldSchwarzeneggerStil in das schwerbewachte Labor ein und gewinnt. Das glaubt man dem Autor sofort. Wenn das Buch je verfilmt werden sollte: Linda Hamilton anrufen!
Der (oder das?) Psycho: quälende Selbstzweifel oder widersprüchliche Überlegungen von Geliebter, Julia und Stiftungsboß, wodurch diese Charaktere noch unglaubwürdiger werden. Die Genetkerin z.B. reflektiert auf Seite 142 erschreckend naiv über Wissenschaftler (normale, anständige und wohlmeinende Bürger, die ein besseres Leben in einer besseren Welt ermöglichen wollen), läßt aber in der Folge immer wieder erkennen, daß sie den ganzen Betrieb sehr wohl durchschaut und für sich selbst ausnutzen will.
Julia bleibt so herrlich ahnungslos bis zum Schluß, und der böse Boß Cray liebt sie dann doch irgendwie, kriegt deshalb Krisen, überwindet die aber zum Wohle Amerikas. Und so weiter.
Um Adam vor Lovejoy zu retten, veredelt (oder verseucht) Maxine ihn endlich mit "Zivilisationsgenen", und da das dem Naturburschen nicht gut bekommt, kann ab Seite 390 der Horror beginnen: viel Blut auf wenigen Seiten, alles vorhersehbar und ohne jeden Thrill; zudem verrät der Werbetext eine "Schreckensvision" am Ende nun, wenn das eine ist, dann schildert Stephen King regelmäßig die Apokalypse total.
Einen Anspruch will das Buch wohl aus Stewarts Kritik an der modernen Zivilisation (amerikanischer Prägung) schöpfen, die er ausgerechnet der Mutter in den Mund legt, welche zwar ihr persönliches Umfeld nicht durchschaut, aber das große Ganze bestens analysiert hat. Was da angeboten wird, sind jedoch Allgemeinplätze (Recht des Stärkeren, Nachteile des AndersSeins usw.). Halbwahrheiten plus bis zum Überdruß ausgereizte Klischees es lohnt nicht, dieses Buch zu lesen. Hingegen empfehle ich eine Erzählung, die das Thema "Wissenschaft" in seiner Spielart "Umwandlung des Menschen" weitaus eindringlicher und glaubwürdiger darstellt: "Blumen für Algernoon" von Daniel Keyes. Deutsch erstmals erschienen 1964 im Band "16 Science Fiction Stories". Bei Heyne übrigens.
11. Nov. 2006 - Peter Schünemann
Der Rezensent
Peter Schünemann
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