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Spur der Schatten. Neue Geschichten aus dem Cthulhu-Mythos.

SPUR DER SCHATTEN. NEUE GESCHICHTEN AUS DEM CTHULHU-MYTHOS.

Buch / Horror-Stories

1990 gab Jim Turner bei Arkham House Tales of the Cthulhu Mythos heraus, 1995 folgte Cthulhu 2000. Die erste Anthologie schaffte es als Hüter der Pforten 13 Jahre später auf den deutschen Markt, die zweite brauchte nur neun. Dafür legt Bastei beide Bände als Taschenbuch für neun Euro vor - für rund 850 bzw. 750 Seiten ein sehr akzeptabler Preis. Erst recht, wenn man die Autoren bedenkt: Es tritt auf, wer Rang und Namen hat. Die erste Anthologie konzentriert sich auf den Meister und seinen engeren Kreis (Bloch, Smith, Howard, Derleth, Long); die Folgegeneration ist mit Kuttner, Farmer, King oder Campbell vertreten. Dankenswerterweise spielt das Pastiche keine große Rolle (die sprichwörtlichen menschenfressenden, Iä! Iä! quakenden Frösche fehlen). Die neue Anthologie setzt diese Linie fort und versammelt keine "Azathoth-zertifizierten” Geschichten - die, so Turner, könne ohnehin nur HPL schreiben -; Aufnahme fanden "gute Erzählungen, die in der einen oder anderen Weise von Lovecraft inspiriert worden sind”. Ausschließlich die zweite und dritte Generation zeigen das Ihre, in drei Gruppen von Stories: Geschichten, die Motive direkt verwenden, Geschichten, die Philosophie oder Atmosphäre einfangen, und solche, deren Präsenz etwas verwundert. Zu diesen gehören Poppy Z. Brites "Sein Mund wird nach Wermut schmecken”, die in einer Dracula 2000-Anthologie besser platziert wäre, aber auch Basil Coppers Dystopie "Schacht Nummer 247”. Was nicht heißt, die beiden Geschichten seien schlecht, sie passen nur nicht - oder mögen ihre Berechtigung als Gegenstücke zu den deutlicheren Lovecraftiana finden.
Zu diesen gehören u. a. "Speckbacke” von Michael Shea, Fred Chappells Story "Die Viper”, auch Kim Newmans "Der Große Fisch”. In der ersten Geschichte gerät eine gutherzige Hure dummerweise an den Schoggothen-Fürsten, und wir erfahren, dass diese Dienerwesen nicht nur die Herrschaft ihrer ehemaligen Herren abgeschüttelt haben, sondern sich auch anschicken, die Erde zu übernehmen. "Die Viper” ist eine Kopie des Necronomicon, die ein Antiquar seinem Neffen zur Aufbewahrung übergibt; er ermahnt ihn, das Buch gut zu verbergen und keine wichtigen Bücher in dessen Nähe zu bringen. Der Neffe missversteht dies als "keine wertvollen Bücher” und versteckt das Buch unter einer billigen Milton-Ausgabe - um zu erleben, wie Miltons Werk vom Buch der toten Namen infiziert und verschlungen wird, und das weltweit ... (Hatte der Neffe keine Protokolle des letzten SED-Parteitags zur Hand?) Aber es gibt eine Möglichkeit, Milton zu retten, eine Art Biblio-Exorzismus; ob’s Erfolg hat? Interessante Geschichte.
Kim Newman läuft dann zu großer Form auf, als er gekonnt Raymond Chandler und HPL zu seiner "Big (Sleep) Fish”-Erzählung verbindet; Ton und Spannung dieser originellen Fortsetzung von "Schatten über Innsmouth” stimmen perfekt - äußerst empfehlenswert.
Aus dieser Gruppe wären zwei weitere Geschichten hervorzuheben. Gahan Wilsons "H. P. L.” macht den Meister selbst zur Figur, lässt ihn und Clark Ashton Smith nicht sterben und erklärt, was das dichterische Wort bewirken kann ... Wilson schreibt eine liebevolle Apotheose Lovecrafts; sie sei deren Objekt und allen seinen Bewunderern von Herzen gegönnt. Ganz anders - wen wundert’s? - kommt Esther Friesner daher. "Der Liebe uralt’ Götterblut” ist dem Puristen sicher zu klamaukig, aber ich habe mich köstlich dabei amüsiert. Die Parodie-Spezialistin verbindet gekonnt Lovecraftsche Figuren, Motive und Titel zu einem abstrusen Potpurri, in dessen Verlauf das Alte und Unheimliche tatsächlich dazu dient, das menschliche Böse in Gestalt einer Cheflektorin zu bestrafen; nebenbei wird noch Batman veralbert. Dieses Kabinettstückchen muss man mehrmals lesen, damit einem wenigstens die meisten Anspielungen auffallen.
Zu den besten der Geschichten, die eher indirekt Bezug auf Lovecraft nehmen, gehören Thomas Ligottis "Das letzte Harlekin-Fest”, James P. Blaylocks "Der Schatten auf der Schwelle” und "Herr des Landes” von Gene Wolfe. Ligotti führt uns, in gewohnt philosophierender und kafkaesker Manier, auf den Spuren eines Forschers in eine Stadt, die um Weihnachten ein seltsames Fest feiert - eine Geschichte um Ausgrenzung, Verdrängung und das Unheimliche neben uns läuft ab, spannend bis zuletzt. Vergleicht man diesen Kurzroman mit Lovecrafts Story "Das Fest”, wird erkennbar, wie sich Tradiertes produktiv aufgreifen und weiterentwickeln lässt. Blaylock entführt uns an eher unerwartete Orte; angesichts eines Schattens, der nachts auf seiner Veranda lauert, erinnert sich sein Ich-Erzähler an drei Besuche in mysteriösen Zierfisch-Handlungen bzw. Zuchtanlagen. An verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten gelegen, verbindet diese doch ein unbestimmtes Geheimnis; auch mit dem nächtlichen Schatten? Blaylock gelingt die Erzeugung eines nicht aufgelösten, unterschwelligen Grauens - eine enigmatische Geschichte von Format. Gene Wolfe schließlich steigt sich hinab in die Urgründe der ägyptischen Mythologie, folgt einem mysteriösen Wesen, dem "Seelentrinker”, bis in ein Hinterwaldstädtchen Nordamerikas - und dann kommen doch einmal Tentakel zu ihren Ehren, und natürlich gibt es keinen "guten” Schluss ...
Diese Anthologie konnte gar nicht schief gehen - die Namen bürgen für Qualität und halten das Versprechen. Kritisch zu bemerken wäre vielleicht, dass der Recycling-Faktor recht hoch ist. Poppy Z. Brites Geschichte geistert durch etliche andere Storybände, und auch der - sehr gute! - Text "Die Pine Barrens” von Paul F. Wilson wurde von Bastei selbst schon in Cthulhus Kinder präsentiert. Kim Newman und Thomas Ligotti fanden - allerdings in anderer Übersetzung - Aufnahme in Die Saat des Cthulhu, 2000 im Blitz Verlag erschienen (Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Bd. 2, Hg. Frank Festa). Ein Drittel der 750 Seiten ist dem Kenner mithin schon vertraut. Doch muss man wiederum einwenden, dass ältere Publikationen oder solche aus Kleinverlagen vielen Lesern oft nicht bekannt oder nicht zugänglich sind, so dass eine preiswerte Neuauflage durchaus wünschenswert erscheint. Dieses Projekt Turners und Arkhams ist bestens geeignet, neue Leser für den Einsiedler aus Providence und seine Nachfolger zu begeistern und dabei einen Einblick in die Vielfalt dessen zu vermitteln, was vor rund achtzig Jahren von einem wahrhaft konsequenten Schriftsteller und Visionär auf den Weg gebracht wurde.

Cthulhu 2000, © der Anthologie 1995 by Arkham Publishers Inc., übersetzt von Angela Koonen, Dietmar Schmidt u. a. 2004, 748 Seiten, Preis _ 9,00, ISBN 3404150813

11. Nov. 2006 - Peter Schünemann

Der Rezensent

Peter Schünemann

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