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Der Walrufer
| DER WALRUFER
Hoerbuch / Drama
Zakes Mda
Der Walrufer
Afrika erzählt Südafrika
The Whale Caller, USA, 2005
steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall & Scala Z Media GmbH, München, 1. Auflage: 3/2008
Autorisierte Hörfassung nach dem Roman Der Walrufer, Unionsverlag, Zürich/CH, 2007
Hörbuch, 3 CDs in aufklappbarer Papphülle, zeitgenössische Erzählung, Drama, 978-3-88698-605-7, Laufzeit: ca. 231 Min., EUR 19.99
Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg
Titelmotiv: Ausschnitt aus Weltengesichter (Köpo 048) von El Loko
Gelesen von Christian Ulmen
Originalaufnahmen von Buckelwalgesännne von Roger S. Payne, Walrufer-Musik von Manfred Giosele
www.sprechendebuecher.de
www.afrika-erzaehlt.de
www.el-loko.de
www.christian-ulmen.de/
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Zakes Mda ist das Pseudonym von Zanemvula Kizito Gatyeni Mda, einem Dozenten, sozialkritischen Schriftsteller und Anti-Apartheit-Aktivisten, geboren 1948 in Herschel, Südafrika. Seit 1977 sind mehrere Romane und Anthologien aus seiner Feder in englischer Sprache - erschienen, und seit Mitte der 1990er Jahre ist er als freier Autor tätig.
Der Roman Der Walrufer ist nun auch als Hörbuch erhältlich bei steinbach sprechende bücher im Rahmen der Reihe Afrika erzählt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den weißen Fleck auf der literarischen Landkarte der europäischen Leser auszufüllen. Angesichts der Flut an Titeln aus dem angloamerikanischen Sprachraum wird leider immer wieder übersehen, dass es im eigenen Land genauso wie im nicht-englischsprachigen Ausland mindestens so gute Autoren und interessante Bücher gibt. Der Walrufer wurde mit dem Deutschen Hörbuch-Preis 2008 ausgezeichnet.
Hermanus an der westafrikanischen Küste ist zu einem Touristenmekka geworden, denn die vielen Wale die hier ihr Winterquartier haben, locken Schaulustige aus aller Welt an. Der Walrufer ist ein alternder Mann, der mit diesem Rummel nichts zu tun haben will. Vor Jahren entdeckte er, dass er mit einem speziellen Horn die Rufe der gewaltigen Meeressäuger imitieren kann. Sie schwimmen sogar herbei und antworten ihm. Besonders Sharisha, ein Glattwalweibchen, hat es ihm angetan. Obwohl der Walrufer sonst nichts weiter hat oder von seinem Leben verlangt, ist er glücklich.
Kompliziert wird es erst, als er sich aus Mitleid um die ortsbekannte Trinkerin Saluni kümmert, die, ehe er sich versieht, bei ihm einzieht. Saluni beansprucht immer mehr von seiner Aufmerksamkeit und will den Walrufer ganz für sich. Sie geht so weit, dass sie sich selbst verletzt, um den Mann an sich zu binden, und der Walrufer bleibt auch tatsächlich an ihrer Seite. Hat Saluni wirklich gewonnen? Ist sie nun endlich glücklich?
Zakes Mda erzählt vor dem Hintergrund des sich wandelnden Afrikas von der Einsamkeit der Menschen, die ihre Traditionen verloren haben und das Neue nicht akzeptieren können. Sie bleiben für sich, während der Fortschritt an den meisten von ihnen vorbei geht, christliche Sekten Seelen sammeln und um sie herum die Touristen schwärmen. Notgedrungen klammern sich die Einzelgänger an etwas, das ihnen wichtig ist und ihnen einen gewissen Halt gibt.
Für den Walrufer ist das Sharisha. Er liebt die Wale und ist stolz, dass er sie mit seinem Horn locken kann. Wie ein heiliges Ritual zelebriert er im Smoking das Rufen der Tiere und freut sich über ihr Antworten. Saluni wiederum hängt sich wie eine Klette an den Walrufer, um ihrem miserablen Dasein zu entfliehen. Er reicht ihr den kleinen Finger, und sie rafft sofort alles an sich, was dazu gehört. Sein bis dahin geordnetes Leben nimmt ein jähes Ende.
Für eine kurze Weile scheint es, als könnten die beiden einander geben, was ihnen bisher fehlte, aber die Kompromisse muss immer der Walrufer eingehen, und das macht früh deutlich, dass die Beziehung nicht wirklich funktioniert. Es ist keine Liebe, die sie verbindet, sondern die Angst vor der Einsamkeit und schließlich die Gewohnheit. Beide verharren in ihren eigenen Welten, sind zu zweit allein, verletzen sich gegenseitig, nehmen es dennoch willig in Kauf, weil es trotzdem besser ist, als zum vorherigen Leben zurückzukehren.
Obwohl sie eigentlich alles bekam, was sie wollte einen Mann, ein Heim, fort vom Alkohol, einige hübsche Sachen -, wächst Salunis Eifersucht auf Sharisha immer weiter, denn das Einzige, was der Walrufer seiner Gefährtin nicht zu geben vermag, ist die ungeteilte Liebe. Saluni rivalisiert offen mit Sharisha und findet in ihrer Verzweiflung schließlich auch einen Weg, den Walrufer von seinem Strand und dem Wal fortzulocken. Dann jedoch passiert eine Tragödie. Stolz, Gier und Eifersucht haben zerstört, was Demut, Bescheidenheit und Zufriedenheit vielleicht hätten erhalten können.
Zakes Mda beginnt seine Geschichte mit dem Ende und schildert in Rückblenden, wie es dazu kam. Dabei umgeht er bekannte Konfliktthemen wie die Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung durch die weißen Kolonialherren etc. und konzentriert sich ganz auf die Menschen und Einzelschicksale. Sie alle träumen von einem kleinen bisschen Glück, das durch den Fortschritt greifbar scheint, doch die halbherzigen Bemühungen scheitern immer wieder, weil die Möglichkeiten und die eigene Person überschätzt werden. Trost wird im Alkohol, bei Sekten, im Sex oder auch in der Zuneigung, die auf ein beeindruckendes Tier projiziert wird, gesucht, und auch hier steht am Ende, wenn die Realität grausam zuschlägt, die Enttäuschung.
Nüchtern wie ein unbeteiligter Beobachter, nur stellenweise von einer verhaltenen Prise Ironie untermalt, beschreibt der Autor die Schicksale seiner Protagonisten - gekonnt vorgetragen von Christian Ulmen. Der Schauspieler wurde u. a. bekannt durch Rollen in Rosa Roth, Der Fischer und seine Frau, und eine Weile moderierte er auch Sendungen von MTV.
Wer ungewöhnliche Hörbücher mag, die zu einer Reise in unbekannte Settings einladen und unverbrauchte Themen anbieten, sollte ein Ohr haben für Afrika erzählt und den Walrufer. Einfach und doch eindringlich, kritisch und gleichzeitig ohne zu werten, wird das Leben der Menschen in Afrika geschildert, und der Zuhörer bleibt danach nachdenklich zurück, denn verläuft das Leben in anderen Ländern, im eigenen Land nicht in ganz ähnlichen Bahnen, ohne dass man es wahrhaben will?
12. Jul. 2008 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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