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Tentakelsturm
Mit Tentakelsturm liegt nach Tentakelschatten und Tentakeltraum der dritte und abschließende Roman von Dirk van den Boom Military SF Serie vor. Nach dem interessanten Auftakt hatte der in Saarbrücken lebende Autor im mittleren Roman leichte Schwierigkeiten, den Plot voranzutreiben und verzettelte sich in einer im Grunde unglaubwürdigen Nebenhandlung mit einem möglichen Verhandlungsangebot der Tentakel an die sich an allen Fronten auf dem Rückzug befindliche Menschheit. Im dritten Roman macht Dirk van den Boom diesen Fehler nicht. Die Tentakel bleiben bis auf eine überdeutliche Hommage an James Camerons Aliens stumm und unangreifbar. Ihre Offensive hat die Menschheit inzwischen ins eigene Sonnensystem zurück gedrängt, wobei die äußeren Planeten im Grunde schon als verloren gelten müssen. Die Menschen konzentrieren sich auf die Verteidigung ihres Heimatplaneten. Dirk van den Boom beschreibt die im Grunde sinnlosen Bemühungen auf mehreren Handlungsebenen. Die meisten Protagonisten und ihre sehr unterschiedlichen Schicksale sind dem Leser aus den vorangegangenen Romanen bekannt. Der Ton - sowohl was die Beschreibungen als auch die teilweise sehr überzogen das Subgenre parodierenden Dialoge angeht - ist pointiert, ein wenig zynisch und die stupide Denkweise der Militärs entlarvend. Im Verlaufe des Buches präsentiert der Autor ein sehr breites Spektrum von der Einkleidung der neuen zwangsrekrutierten Reservesolden bis zum heldenhaften Opfergang in allerletzter Minute. Keine Richtung wird ausgelassen. Noch mehr als im ersten Roman ist zu erkennen, dass Dirk van den Boom vieles nicht bierernst meint und seine verbalen Exzesse sehr gerne auf die Spitze treibt. Die Exposition bis zur Invasion der Erde nimmt einen sehr breiten Raum ein. Im ersten Drittel des Buches geschieht im Kern nicht viel, die einzelnen Protagonisten werden in ihre Positionen verschoben und harren wie der Leser den Tentakeln, die da kommen aus dem All. Das sich das Ganze trotzdem sehr unterhaltsam liest, liegt an der positiv gesprochen Routine, die Dirk van den Boom im Vergleich zum teilweise noch etwas stilistisch sperrigen Auftaktroman entwickelt hat. Neben den detaillierten, um nicht von fetischistischen Beschreibungen möglicher und unmöglicher Waffen zu sprechen, erscheinen insbesondere die Nebenfiguren weiterhin als Klischees, sie sind aber liebevoller gezeichnet. Nach dem eher ruhigen ersten Drittel nimmt der Roman mit dem Angriff der Tentakel auf die Erde an Fahrt auf und zwischen den einzelnen Protagonisten auf der einen Seite, sowie verschiedenen Kontinenten auf der anderen Seite springt der Autor teilweise unerklärlich hektisch hin und her. Natürlich will Dirk van den Boom ein Panorama der Invasion frei Haus liefern und zeigen, wie die Menschen dank ihrer Initiative, Intelligenz, Entschlossenheit oder einfach aufgrund der Dummheit, den Befehlen ihrer stets inkompetenten bis feigen Vorgesetzten folgend die Invasoren eine Nanosekunde aufhalten können. Dabei schwankt der Ton zwischen parodistisch und ernst. Zu den tragischen Szenen gehört die Beschreibung von drei erstickten Menschen in einem Kellerraum. Sie sind von außen eingeschlossen worden, damit sie eine kleine Überlebenschance beim Angriff der Tentakel haben. Von diesen ergreifenden und gut beschriebenen Sequenzen finden sich zu wenige im Mittelteil des Buches und stellenweise hat der Leser das Gefühl, als verliere sich Dirk van den Boom in den zu vielen Handlungsebenen. Das selbst in Extremsituationen der Mensch augenscheinlich sein schlimmster eigener Feind ist, gipfelt in einer rückblickend aufgesetzt wirkenden Auseinandersetzung zwischen einem Teil der Protagonisten und einem eher unorganisierten Haufen von jugendlichen Plünderern. Positiver überschattet zu Anfang die eher sinnlose Frage - angesichts der Überlegenheit der Invasoren - den Plot, ob die totale Bewaffnung der Menschen nicht nach dem Ende des Krieges mehr Probleme hinterlässt als beabsichtigt. Eine interessante und überdenkenswerte Facette vor einem gänzlich anderen Hintergrund. Auf die Überlegenheit der Invasoren und den kleinen Kniff, mit dem Dirk van den Boom schließlich die Menschheit vom Abgrund zurückzieht, soll an anderer Stelle eingegangen werden. Aber derartige Szenen fallen trotz des positiven Bemühens im vorliegenden Roman eher auf unfruchtbaren Boden.
Das Geschehen springt unnötig hektisch - die Tentakel sind zwar auf dem Vormarsch, aber den Szenen fehlt die Bandbreite - hin und her, der Plot bewegt sich zu wenig. Das letzte Drittel leidet schließlich unter der Auflösung. Die Menschheit ist im Grunde verloren. Es gelingen nur wenige Pyrrhussiege unter vielen Opfern. Die Tentakel nehmen ihre menschlichen Gefangene schnell als Brüter, um neue Soldaten zu züchten. Auch hier findet sich eine entsprechende Referenz an die Alien- Saga. Früh legt der Autor mit der Deus Ex Machina Idee eine interessante, wenn auch nicht sonderlich originelle Spur. Anstatt diesen Faden - wie einige andere Ideen - weiter zu spinnen, verliert sich diese mit der entsprechenden Exzentrik durchaus überzeugende Idee. Die Kapitel schließen nicht selten mit dem Tod des entsprechenden Charakters. Dirk van den Boom ist sich nicht zu schade, aus den ersten Romanen bekannte Figuren leiden zu lassen bzw. die zu töten. Manchen diese Szenen fehlt aber die notwendige pathetische Tragik, der Tod kommt aus dem Nichts und hinterlässt im Grunde auch wenig emotionale Regung im Leser. Stellenweise hat man das Gefühl, als befinde man sich in einem Labyrinth mit lauter falschen Gängen. Auf den letzten Seiten entdeckt ein Einzelgänger schließlich einen möglichen taktischen Fehler, nimmt sich ein Herz und im Epilog werden aufgrund dieser Initiative die Tentakel schließlich - wenn wundert es - aus dem Sonnensystem getrieben. Vielleicht wäre es bösartiger, aber auch konsequenter gewesen, die Menschheit verlieren zu lassen. Das Verhältnis zwischen den technologischen Möglichkeiten der Invasoren und dem tatsächlichen Schlachtausgang steht in einem zu starken Kontrast zu jeglicher Logik und wirkt leider rückblickend zu stark konstruiert. Und das Schlusskapitel erscheint ein wenig zu pathetisch/ kitschig. Sicherlich hat sich Dirk van den Boom mit dieser grenzenlosen Überlegenheit der Außerirdischen - hier hat der Autor weder seinen Heinlein, noch seinen Card oder gar seinen Haldeman studiert, sondern ist irgendwo bei einem Ringo hängen geblieben - insbesondere im ersten Band in eine gewisse Klemme geschrieben, aus der er schon im Mittelteil der Trilogie kaum entkommen konnte. Die Auflösung des Plots wirkt insbesondere hinsichtlich des Gesamtumfangs der Serie zu hektisch und zu schnell.
Hinsichtlich der Entwicklung seiner Charaktere leidet der vorliegende Roman positiv oder negativ - alles eine Frage der Perspektive - unter der Eindimensionalität. Wollte der Autor ausschließlich das Genre parodieren und deswegen extreme Charaktere in die Schlacht ziehen lassen, so ist es ihm im vorliegenden Band hinsichtlich der Hauptfiguren zufrieden stellend gelungen. Wollte der Autor dagegen Vollblutmenschen schaffen, welche auch die Sympathien der Leser für sich gewinnen können, so wirkt dieses Unterfangen teilweise ein wenig zu sperrig und aufgesetzt. Die Dialoge wären aus dieser Perspektive übertrieben und steif. Trotz oder vielleicht auch wegen der angesprochenen Schwächen ist Tentakelsturm kein schlechtes Buch. Dirk van den Boom macht keine Kompromisse. Er hat eine Fiese-Aliens-bedrohen-die-Menschheit Geschichte geschrieben, die in dieser Form auch in den fünfziger Jahre hätte veröffentlicht werden können. Diplomaten sind überflüssig und sollten gleich in der ersten Angriffswelle eliminiert werden. Mensch gegen Tentakel, Auge in
äh. Die Actionszenen sind solide geschrieben, abwechselungsreich und spielen sowohl zu Lande, in der Luft und im Weltall. Die Figuren sind überdimensional, heroisch und doch irgendwie zu gänzlich. Der Heroismus seiner Figuren wird nicht von zweifelhaften, eher extrem konservativen bis patriotischen Kommentaren begleitet. Auf die politische Fragwürdigkeit eines John Ringos verzichtet Dirk van den Boom dank eines einfachen Tricks. Es gibt keine Politiker und den Befehlshabern der Truppe wird schnell das Zepter aus der Hand genommen. Der einfache Soldat - Offiziere mit praktischer Erfahrung werden einfach integriert - muss es richten. Das macht den Roman vielleicht auch für Kritiker der Military SF per se lesenswerter. Die Klischees des Genres sowie einige cineastische Vorbilder werden manchmal erstaunlich hemmungslos kopiert, modernisiert und nicht selten positiv gesprochen parodiert. Als Fazit ist zu festzustellen, dass Dirk van den Boom seinen Lesern gute, anspruchslose im intellektuellen Sinne, aber keinesfalls niveaulose
Unterhaltung bietet. Diesen Anspruch erfüllen alle drei Romane.
16. Sep. 2009 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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